Cochrane hat eine Reihe an Reviews produziert um Entscheidungsträgern dabei zu helfen, auf die COVID-19-Pandemie zu reagieren. Wir halten diese Reviews auf dem neuesten Stand, da stetig neue Evidenz erscheint. Im Mai 2021 haben wir die vierte Version unseres Living Systematic Reviews zu rekonvaleszentem Plasma und hyperimmunen Immunoglobulinen veröffentlicht. In diesem Podcast unterhalten sich Vanessa Piechotta und Claire Iannizzi, beide von der Uniklinik in Köln und Erstautorinnen des Reviews, über die letzten Ergebnisse.
Cochrane hat eine Reihe an Reviews produziert um Entscheidungsträgern dabei zu helfen, auf die COVID-19-Pandemie zu reagieren. Wir halten diese Reviews auf dem neuesten Stand, da stetig neue Evidenz erscheint. Im Mai 2021 haben wir die vierte Version unseres Living Systematic Reviews zu rekonvaleszentem Plasma und hyperimmunen Immunoglobulinen veröffentlicht. In diesem Podcast unterhalten sich Vanessa Piechotta und Claire Iannizzi, beide von der Uniklinik in Köln und Erstautorinnen des Reviews, über die letzten Ergebnisse.
Vanessa: Hallo Claire, könntest du uns erstmal grob erläutern was rekonvaleszentes Plasma und Hyperimmune Immunoglobuline sind und wie diese Therapie angewandt werden kann?
Claire: Hallo Vanessa. Ja klar, rekonvaleszentes Plasma und hyperimmune Immunoglobuline werden von Patienten gewonnen, die von einer übertragbaren Krankheit, wie COVID-19 genesen sind und werden als Behandlungsversuch anderen Patienten verabreicht, die an der gleichen Krankheit leiden. Diese Therapien wurden bereits bei einer Reihe von anderen Krankheiten angewandt wie Influenza; SARS und EBOLA, bei denen eine Reduzierung des Mortalitätsrisikos beobachtet werden konnte.
Vanessa: Das klingt sehr interessant. Wie könnte diese Behandlung Menschen mit COVID-19 helfen?
Claire: Die Hoffnung ist, dass rekonvaleszentes Plasma durch den Prozess einer sogenannten passiven Immunisierung wirken könnte, bei der das Immunsystem des Empfängers gestärkt wird und dabei das Virus bekämpft werden kann.
Vanessa: Das hört sich gut an in der Theorie. Warum ist es dennoch wichtig, die Wirksamkeit anhand einer Living Systematic Review zu erforschen?
Claire: Du hast Recht, das klingt in der Theorie toll, aber das gibt uns keine Garantie dafür, dass die Behandlung in der Praxis auch funktionieren wird. Jeglicher Nutzen muss nachgewiesen werden und auch wenn die Behandlung mit Plasma und hyperimmunen Immunoglobuline im Allgemeinen als sicher gilt, können unerwünschte Ereignisse auftreten, genauso wie bei jeder anderen Bluttransfusion. Das bedeutet, dass wir die verfügbare Evidenz prüfen müssen. Dazu nutzen wir den Ansatz eines Living Systematic Reviews, da die Forschung zu COVID-19 schnell voranschreitet und immer wieder neue Erkenntnisse auftauchen. Ein Living Systematic Review ist ein sogenanntes „lebendes“ Review, das regelmäßig und kontinuierlich auf den neusten Stand gebracht wird, sobald neue Erkenntnisse verfügbar sind.
Vanessa: Vielen Dank Claire, dann lass uns zu der Evidenz übergehen. Kannst du uns zusammenfassen, wonach gesucht wurde und was wir gefunden haben?
Claire: Wir haben nach Studien aus der ganzen Welt gesucht und Patienten mit allen COVID-19 Schweregraden eingeschlossen. Wir haben nach einer Vielfalt von patienten-relevanten Endpunkten gesucht, einschließlich der Sterblichkeit, Verbesserung und Verschlechterung des klinischen Status, Lebensqualität und unerwünschten Ereignissen.
Für das Update von diesem Mai 2021, konnten wir keine abgeschlossenen Studien zu hyperimmunen Immunoglobulinen identifizieren, aber wir haben 13 Studien zu rekonvaleszentem Plasma eingeschlossen. Davon sind 12 randomisierte Studien und eine Expanded access Studie, die hauptsächlich Nebenwirkungen untersucht. Insgesamt haben mehr als 48.000 Menschen an den Studien teilgenommen, von denen 41.000 Menschen rekonvaleszentes Plasma bekommen haben. Wir haben diese in zwei Gruppen aufgeteilt, in Menschen mit asymptomatischer oder milder Erkrankung und in Menschen mit moderatem bis schweren Verlauf.
Vanessa: Was berichten diese Daten zu der Wirksamkeit und dem Effekt?
Claire: Für Personen mit moderatem bis schwerem Krankheitsverlauf, zu denen wir Daten von fast 13.000 Studienteilnehmer haben wurde festgestellt, dass die Therapie mit rekonvaleszentem Plasma die Sterblichkeit nicht verringert, zumindest nicht in den ersten 28 Tagen nach der Behandlung und dass die Therapie wenig bis keinen Einfluss auf die Verbesserung oder Verschlechterung des klinischen Zustands hat.
Für Personen mit mildem Verlauf gibt es nur Daten aus einer Studie mit 160 Teilnehmern. Darum sind wir uns sehr unsicher was den Nutzen hinsichtlich der Sterblichkeit oder der Entwicklung von schweren COVID-19 Symptomen angeht.
Vanessa: Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus? Was kannst du uns zu den unerwünschten Ereignissen berichten?
Claire: Unser Ziel hier war es, die Sicherheit zu prüfen, sowohl in der Plasma- als auch in der Kontrollgruppe der randomisierten Studien, allerdings haben dazu nur 5 Studien mit ungefähr 1100 Patienten berichtet. Deshalb können wir bei einer so geringen Zahl keine klare Aussage zur Sicherheit der Behandlung treffen. Um diese mangelnde Evidenz zu umgehen, haben wir die Expanded access Studie mit 20.000 Teilnehmer eingeschlossen. Diese ermöglichte uns, die Inzidenz von transfusionsbezogenen Ereignissen von der Behandlung mit rekonvaleszentem Plasma zu berücksichtigen, welche für 6% der transfundierten Patienten berichtet wurde.
Vanessa: Kannst du nochmal zusammenfassen, wie sicher wir uns bei diesen Erkenntnissen sind und was deine allgemeinen Schlussfolgerungen wären?
Claire: Im Gegensatz zu der Evidenz aus den vorherigen Versionen des Reviews haben wir jetzt hohes Vertrauen in die Evidenz, hinsichtlich der Unwirksamkeit der Behandlung für hospitalisierte Personen mit moderatem bis schwerem Krankheitsverlauf, aufgrund der hohen Zahl an Teilnehmenden der 12 randomisierten Studien. Das heißt, basierend auf der aktuellen Evidenz können wir relativ sicher sagen, dass insgesamt die Behandlung mit rekonvaleszentem Plasma für hospitalisierte Patienten keinen Vorteil hinsichtlich der Sterblichkeit und des klinischen Zustands bietet. Allerdings mangelt es der Evidenz zu unerwünschten Ereignissen für diese Patienten an Aussagekraft.
Für Personen mit asymptomatischer oder milder Erkrankung haben wir nur ein sehr geringes bis geringes Vertrauen in die Evidenz, was eine Schlussfolgerung erschwert.
Wichtig zu beachten ist, dass wir darum stetig neue randomisierte Evidenz aus weiteren Studien benötigen, insbesondere für Personen mit milder Erkrankung sowie für einzelne Subgruppen, wie beispielsweise Menschen mit Immundefekt. Ebenfalls benötigen wir mehr Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit für die Behandlung mit hyperimmunen Immunoglobulinen.
Eine vielversprechende Aussicht ist, dass bereits mehr Studien auf dem Weg sind. Wir haben mehr als 100 laufende Studien gefunden, von denen 10 die Behandlung mit hyperimmunen Immunoglobulinen testen. Wir behalten zurzeit 25 beendete Studien im Blick, die allerdings noch nicht publiziert sind und 2 adaptive mehrarmige Studien, die möglicherweise noch eine Behandlungsgruppe zu rekonvaleszentem Plasma oder hyperimmune Immunoglobuline hinzufügen. Es gibt außerdem auch 4 Studien, die nach dem Abschluss dieser Review Version publiziert wurden.
Wir behalten alles im Blick um zu entscheiden, wie wir weiterhin mit dieser Review Serie vorgehen.
Vanessa: Danke Claire. Das klingt so, als würde hier noch viel passieren. Wenn also jemand die aktuelle Version des Reviews und etwas über weitere Updates lesen möchte, wo können diese gefunden werden?
Claire: Diese sind online verfügbar. Man kann auf der Cochrane Library Website 'rekonvaleszentes Plasma' in der Suchleiste eingeben und dann wird einem der Link zu unseren Reviews oben angezeigt.