Hintergrund
Krampfadern im Hodensack werden als Varikozele bezeichnet. Eine Varikozele bildet sich, wenn sich Venen entlang des Samenstrangs (des Strangs, an dem die Hoden hängen) erweitern. Zu einer Erweiterung kommt es, wenn Klappen in den Venen entlang des Samenstrangs versagen und sich das Blut in den Venen staut und sie dauerhaft weitet. Bei der chirurgischen Behandlung werden die Gefäße verschlossen, in der Regel mit Nähten oder Clips. Die radiologische Behandlung umfasst sowohl die Embolisierung, bei der das Gefäß mit kleinen Partikeln verschlossen wird, als auch die Sklerosierung, bei der ein Mittel verabreicht wird, das die Gefäße schädigt und sie schrumpfen lässt. Die Mechanismen, durch die Varikozelen die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können, oder die Mechanismen, durch die eine chirurgische oder radiologische Behandlung von Varikozelen die Fruchtbarkeit wiederherstellen kann, sind noch nicht geklärt.
Fragestellung des Reviews
Wir überprüften die Evidenz für die Auswirkungen der Varikozele-Behandlung auf die rate an Lebendgeburten, unerwünschte Ereignisse, die Schwangerschaftsrate, das Wiederauftreten der Varikozele und die Lebensqualität bei Paaren mit beeinträchtigter Fruchtbarkeit, bei denen der Mann eine Varikozele hat und die Partnerin im gebärfähigen Alter keine Fruchtbarkeitsprobleme aufweist.
Studienmerkmale
Wir fanden 48 randomisierte kontrollierte Studien (eine Art von Studie, bei der Personen nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugewiesen werden), in denen die Behandlung mit keiner Behandlung oder mit einer anderen Behandlungsmethode bei insgesamt 5384 Männern verglichen wurde. Die Evidenz ist auf dem Stand von April 2020.
Hauptergebnisse
Wir sind uns nicht sicher, ob eine chirurgische oder radiologische Behandlung die Rate an Lebendgeburten im Vergleich zu keiner Behandlung verbessert. Eine Behandlung kann möglicherweise die Schwangerschaftsraten im Vergleich zu einer verzögerten oder keiner Behandlung verbessern. Es gibt Hinweise darauf, dass Paare ohne oder mit verzögerter Behandlung eine 21%ige Chance auf eine Schwangerschaft haben, während die Schwangerschaftsrate nach chirurgischer oder radiologischer Behandlung zwischen 22% und 48% liegt. Es fehlen Daten zu unerwünschten Ereignissen, zum Wiederauftreten der Varikozele und zur Lebensqualität.
Wir wissen nicht genau, wie sich die chirurgische gegenüber der radiologischen Behandlung auf die Lebendgeburt, die Schwangerschaftsrate, das Wiederauftreten der Varikozele und das unerwünschte Ereignis der Hydrozele (Wasseransammlung im Hoden) auswirkt. Für diesen Vergleich fehlen Daten zur Lebensqualität.
Die mikroskopische subinguinale chirurgische Behandlung verbessert wahrscheinlich die Schwangerschaftsraten geringfügig im Vergleich zu anderen chirurgischen Behandlungen. Demnach haben Paare nach einer mikroskopischen subinguinalen chirurgischen Behandlung eine 10%- bis 14%ige Chance auf eine Schwangerschaft, während die Schwangerschaftsrate bei Paaren nach anderen chirurgischen Behandlungen bei 10% liegt. Dieses Verfahren verringert wahrscheinlich auch das Risiko eines erneuten Auftretens der Varikozele. Daraus geht hervor, dass bei 0,4% bis 1,1% der Männer, die sich einer mikroskopischen subinguinalen chirurgischen Behandlung unterziehen, ein Rezidiv der Varikozele auftritt, während dies bei 1,4% der Männer nach anderen chirurgischen Behandlungen der Fall ist. Die Ergebnisse zu unerwünschten Ereignissen waren nicht schlüssig. Es fehlen Daten zu Lebendgeburten und zur Lebensqualität.
Wir sind uns nicht sicher, wie sich die offene inguinale chirurgische Behandlung im Vergleich zur retroperitonealen chirurgischen Behandlung auf unerwünschte Ereignisse, Schwangerschaftsraten oder das Wiederauftreten der Varikozele auswirkt. Es fehlen Daten zu Lebendgeburten und zur Lebensqualität.
Wir wissen nicht genau, wie sich die radiologische Behandlung (Verödung oder Embolisierung) auf das Wiederauftreten der Varikozele auswirkt. Es fehlen Daten zu Lebendgeburten, unerwünschten Ereignissen, Schwangerschaft und zur Lebensqualität.
Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Die ermittelten Ergebnisse waren nicht einheitlich und die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz war je nach Endpunkt moderat bis sehr niedrig. Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, bei denen die Rate an Lebendgeburten oder die Schwangerschaftsrate als primärer Endpunkt untersucht werden sollte.
Auf der Grundlage der begrenzten Evidenz bleibt ungewiss, ob eine Behandlung (chirurgisch oder radiologisch) im Vergleich zu keiner Behandlung bei subfertilen Männern einen Nutzen für die Rate an Lebendgeburten hat; eine Behandlung kann jedoch die Chancen auf eine Schwangerschaft verbessern. Die Evidenz reichte auch nicht aus, um festzustellen, ob eine chirurgische Behandlung einer radiologischen Behandlung überlegen ist. Die mikroskopische subinguinale chirurgische Behandlung verbessert jedoch wahrscheinlich die Schwangerschaftsraten und verringert das Risiko eines erneuten Auftretens der Varikozele im Vergleich zu anderen chirurgischen Behandlungen. Hochwertige RCTs mit direkten Vergleichen, die sich auf die Rate an Lebendgeburten konzentrieren und auch unerwünschte Ereignisse und die Lebensqualität erfassen, werden benötigt.
Varikozelen werden mit männlicher Subfertilität in Verbindung gebracht; die Mechanismen, durch die Varikozelen die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, sind jedoch noch nicht zufriedenstellend geklärt. Es gibt mehrere Behandlungsmöglichkeiten, darunter eine chirurgische oder radiologische Behandlung, aber die sicherste und wirksamste Behandlung ist nach wie vor unklar.
Ziel dieses Reviews war die Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit der chirurgischen und radiologischen Behandlung von Varikozelen in Bezug auf die Rate an Lebendgeburten, unerwünschte Ereignisse, die Schwangerschaftsrate, das Wiederauftreten der Varikozele und die Lebensqualität von Paaren, bei denen der erwachsene Mann eine Varikozele hat und die Partnerin im gebärfähigen Alter keine Fruchtbarkeitsprobleme aufweist.
Wir durchsuchten am 4. April 2020 folgende Datenbanken: das Cochrane Gynaecology and Fertility Group Specialised Register, CENTRAL, MEDLINE, Embase, PsycINFO und CINAHL. Zusätzlich durchsuchten wir Studienregister und Referenzlisten von Veröffentlichungen.
Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) ein, wenn sie für die gestellte klinische Frage relevant waren und verschiedene Formen der chirurgischen Ligatur, verschiedene Formen der radiologischen Behandlung, eine chirurgische Behandlung im Vergleich zu einer radiologischen Behandlung oder eine der genannten Behandlungsformen im Vergleich zu nicht-chirurgischen Methoden, einer verzögerten Behandlung oder keiner Behandlung verglichen. Wir extrahierten Daten, wenn die Studien über die Rate an Lebendgeburten, unerwünschte Ereignisse, Schwangerschaft, Varikozele-Rezidive und Lebensqualität berichteten.
Das Screening der Abstracts und der Volltexte sowie die Datenextraktion und die Bewertung des Verzerrungsrisikos wurden mit der Covidence-Software doppelt durchgeführt. Wenn genügend Daten vorlagen, berechneten wir Metaanalysen mit zufälligen Effekten (Mantel-Haenszel); ansonsten berichteten wir die Ergebnisse narrativ. Zur Analyse der statistischen Heterogenität verwendeten wir die I2-Statistik. Es wurden Trichterdiagramme (funnel plots) verwendet, um bei Metaanalysen mit mindestens 10 eingeschlossenen Studien Verzerrungen durch Nichtpublizieren zu erkennen. Wir bewerteten das Risiko für Bias mit Hilfe des „Cochrane Risk-of- Bias-Instruments“ und die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für jeden Endpunkt mit Hilfe des GRADE-Ansatzes.
Nach der Deduplizierung der Suchergebnisse wurden 1897 Treffer ermittelt. Beim Titel- und Abstract-Screening schlossen wir 1773 aus. Von den 113 neuen Volltexten, die zusätzlich zu den 10 Studien (11 Referenzen), die in der vorherigen Version dieser Übersichtsarbeit enthalten waren, bewertet wurden, haben wir 38 neue Studien einbezogen, so dass insgesamt 48 Studien (59 Referenzen) in die Übersichtsarbeit aufgenommen wurden, die Daten für 5384 Teilnehmende liefern. Bei zwei Studien (drei Referenzen) handelt es sich um laufende Studien und bei zwei Studien steht die Klassifizierung noch aus.
Behandlung gegenüber nicht-chirurgischer, nicht-radiologischer, verzögerter oder keiner Behandlung
Zwei Studien, die eine chirurgische oder radiologische Behandlung mit keiner Behandlung verglichen, berichteten über die Rate an Lebendgeburten mit unterschiedlicher Wirkungsrichtung. Daher sind wir uns nicht sicher, ob eine chirurgische oder radiologische Behandlung die Rate an Lebendgeburten im Vergleich zu keiner Behandlung verbessert (Risikoverhältnis (RR) 2,27, 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,19 bis 26,93; 2 RCTs, N = 204; I2 = 74 %, Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit). Eine Behandlung kann die Schwangerschaftsraten im Vergleich zu einer verzögerten oder keiner Behandlung verbessern (RR 1,55, 95 % KI 1,06 bis 2,26; 13 RCTs, N = 1193; I2 = 65 %, Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Demnach haben Paare ohne oder mit verzögerter Behandlung eine 21%ige Chance auf eine Schwangerschaft, während die Schwangerschaftsrate nach einer chirurgischen oder radiologischen Behandlung zwischen 22% und 48% liegt. Wir fanden für diesen Vergleich keine Belege für unerwünschte Ereignisse, das Wiederauftreten von Varikozelen oder die Lebensqualität.
Chirurgische versus radiologische Behandlung
Wir sind uns nicht sicher, wie sich die chirurgische gegenüber der radiologischen Behandlung auf die Lebendgeburt und auf die folgenden unerwünschten Ereignisse auswirkt: Bildung einer Hydrozele, Schmerzen, Epididymitis, Hämatom und Nahtgranulom. Die Auswirkungen der chirurgischen gegenüber der radiologischen Behandlung auf die Schwangerschaftsrate (RR 1,13, 95 % KI 0,75 bis 1,70; 5 RCTs, N = 456, Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) und das Wiederauftreten der Varikozele (RR 1,31, 95 % KI 0,82 bis 2,08; 3 RCTs, N = 380, Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) sind unsicher. Wir fanden für diesen Vergleich keine Evidenz für die Lebensqualität.
Chirurgische versus andere chirurgische Behandlungen
Wir identifizierten 19 Studien, in denen die mikroskopische subinguinale chirurgische Behandlung mit einer anderen chirurgischen Behandlung verglichen wurde. Die mikroskopische subinguinale chirurgische Behandlung verbessert die Schwangerschaftsraten im Vergleich zu anderen chirurgischen Behandlungen wahrscheinlich geringfügig (RR 1,18, 95% KI 1,02 bis 1,36; 12 RCTs, N = 1473, Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Demnach haben Paare nach einer mikroskopischen subinguinalen chirurgischen Behandlung eine 10%- bis 14%ige Chance auf eine Schwangerschaft, während die Schwangerschaftsrate bei Paaren nach anderen chirurgischen Behandlungen bei 10% liegt. Dieses Verfahren verringert wahrscheinlich auch das Risiko eines Varikozele-Rezidivs (RR 0,48, 95% KI 0,29, 0,79; 14 RCTs, N = 1565, Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Daraus geht hervor, dass bei 0,4% bis 1,1% der Männer, die sich einer mikroskopischen subinguinalen chirurgischen Behandlung unterziehen, ein Rezidiv der Varikozele auftritt, während dies bei 1,4% der Männer der Fall ist, die sich anderen chirurgischen Behandlungen unterziehen. Die Ergebnisse für die folgenden unerwünschten Ereignisse waren nicht schlüssig: Bildung einer Hydrozele, Hämatom, abdominale Distension, Hodenatrophie, Wundinfektion, skrotale Schmerzen und Ödeme. Wir fanden für diesen Vergleich keine Evidenz für Lebendgeburten oder für die Lebensqualität.
Neun Studien verglichen die offene inguinale chirurgische Behandlung mit der retroperitonealen chirurgischen Behandlung. Aufgrund kleiner Stichprobengrößen und methodischer Einschränkungen konnten wir keine der beiden Behandlungsarten als überlegen oder unterlegen in Bezug auf unerwünschte Ereignisse, Schwangerschaftsraten oder das Wiederauftreten von Varikozelen identifizieren. Wir fanden für diesen Vergleich keine Evidenz für Lebendgeburten oder für die Lebensqualität.
Radiologische versus andere radiologische Behandlung
Eine Studie verglich zwei Arten der radiologischen Behandlung (Verödung versus Embolisation) und berichtete über 13% Varikozele-Rezidive in beiden Gruppen. Aufgrund des breiten Konfidenzintervalls konnte keine gültige Schlussfolgerung gezogen werden (RR 1,00, 95% KI 0,16 bis 6,20; 1 RCT, N = 30, sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Wir fanden für diesen Vergleich keine Evidenz für Lebendgeburten, unerwünschte Ereignisse oder für die Lebensqualität.
J. Weiberg, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland