Kolloide oder Kristalloide als Flüssigkeitsersatz bei schwerkranken Menschen

Hintergrund

Schwerkranke Menschen können große Mengen an Blut verlieren (durch Trauma oder Verbrennungen) oder schwerwiegende Erkrankungen oder Infektionen haben (z.B. Sepsis); sie benötigen dringend zusätzliche Flüssigkeit, um Dehydratation oder Nierenversagen vorzubeugen. Kolloide und Kristalloide sind Arten von Flüssigkeiten, die zum Flüssigkeitsersatz verwendet werden - oft intravenös (durch einen Schlauch direkt ins Blut).

Kristalloide sind kostengünstige Salzlösungen (z.B. Kochsalzlösung) mit kleinen Molekülen, die sich problemlos bewegen können, wenn sie in den Körper injiziert werden.

Kolloide können künstlich erzeugt werden (z.B. Stärke, Dextrane oder Gelatine) oder natürlich vorkommen (z.B. Albumin oder gefrorenes Frischplasma). Sie haben größere Moleküle, so dass sie länger im Blut bleiben, bevor sie sich im Körper weiter verteilen. Kolloide sind teurer als Kristalloide. Wir sind unsicher, ob sie die Zahl der Todesfälle, die Notwendigkeit von Bluttransfusionen oder von Nierenersatztherapie (Filtern des Blutes, mit oder ohne Dialysegerät, falls die Nieren versagen) besser verringern als Kristalloide, wenn sie schwerkranken Menschen gegeben werden, die einen Bedarf an Flüssigkeitsersatz haben.

Studienmerkmale

Die Evidenz ist auf dem Stand von Februar 2018. Wir durchsuchten die medizinische Fachliteratur und identifizierten 69 relevante Studien mit 30.020 schwerkranken Teilnehmern, die Flüssigkeitsersatz im Krankenhaus oder in Notfallsituationen außerhalb des Krankenhauses erhielten. Die Studien verglichen Kolloide (Stärke, Dextrane, Gelatine; oder Albumin oder gefrorenes Frischplasma) mit Kristalloiden.

Hauptergebnisse

Wir fanden Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit dafür, dass die Verwendung von Kolloiden (Stärke; Dextrane; oder Albumin oder gefrorenes Frischplasma), im Vergleich zur Verwendung von Kristalloiden für einen Flüssigkeitsersatz wahrscheinlich einen kleinen oder keinen Unterschied in der Anzahl der schwerkranken Menschen macht, die innerhalb von 30 oder 90 Tagen, oder zum Ende der Studie versterben. Wir fanden auch Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit, die zeigte, dass die Verwendung von Gelatine oder Kristalloiden einen kleinen oder keinen Unterschied hinsichtlich der Anzahl der Todesfälle zu jedem dieser Zeitpunkte bewirken könnte.

Wir fanden Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit, dass die Verwendung von Stärke die Notwendigkeit von Bluttransfusionen wahrscheinlich leicht erhöht. Allerdings sind wir unsicher, ob es durch die Verwendung anderer Arten von Kolloiden, verglichen mit Kristalloiden, einen Unterschied hinsichtlich des Bedarfs an Bluttransfusionen gibt, da die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr niedrig ist.

Wir fanden Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit, dass die Verwendung von Stärke bei Flüssigkeitsersatz die Notwendigkeit für Nierenersatztherapie wahrscheinlich leicht erhöht. Die Verwendung von Albumin oder gefrorenem Frischplasma im Vergleich zu Kristalloiden könnte einen kleinen oder keinen Unterschied in der Notwendigkeit von Nierenersatztherapie ausmachen. Eine Studie, die Gelatine verglich, berichtete keine Ergebnisse zu Nierenersatztherapie je nach verabreichter Art der Flüssigkeit und keine Studie zum Vergleich von Dextranen untersuchte Nierenersatztherapie.

Nur wenige Studien berichteten unerwünschte Ereignisse (insbesondere allergische Reaktionen, Jucken oder Hautausschläge), dementsprechend sind wir unsicher, ob eine Art von Flüssigkeit weniger unerwünschte Ereignisse verursacht (Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit). Wir fanden einen kleinen oder keinen Unterschied zwischen Stärke und Kristalloiden bei allergischen Reaktionen, aber es berichteten weniger Menschen, die Kristalloide erhielten, von Jucken oder Hautausschlägen. Wir fanden einen kleinen oder keinen Unterschied bei allergischen Reaktionen bezüglich der Verwendung von Dextranen (vier Studien), Gelatine (eine Studie) und Albumin oder gefrorenem Frischplasma (eine Studie).

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Einige Studienautoren berichteten nicht eindeutig über die Studienmethoden und viele registrierten ihre Studien nicht vor Studienbeginn. Darum können wir nicht sicher sein, ob die Studienendpunkte schon vor oder erst nach Bekanntwerden der Ergebnisse festgelegt wurden. Außerdem stellten wir fest, dass einige Menschen, die Kristalloide bekamen, möglicherweise auch Kolloide erhielten, was die Ergebnisse beeinflusst haben könnte. Für einige Endpunkte lagen nur sehr wenige Studien vor. Dies schwächte unser Vertrauen in die Evidenz.

Schlussfolgerungen

Die Verwendung von Kolloiden (Stärke; Dextrane; oder Albumin oder gefrorenes Frischplasma) im Vergleich zu Kristalloiden bei Flüssigkeitsersatz wirkt sich wahrscheinlich nur durch einen kleinen oder keinen Unterschied in der Anzahl von schwerkranken Menschen, die versterben, aus. Die Verwendung von Gelatine oder Kristalloiden als Flüssigkeitsersatz macht möglicherweise einen kleinen oder keinen Unterschied in der Anzahl der Menschen, die versterben, aus.

Die Verwendung von Stärke führt wahrscheinlich zu einem leichten Anstieg der Notwendigkeit von Bluttransfusionen und Nierenersatztherapie. Die Verwendung von Albumin oder gefrorenem Frischplasma macht möglicherweise einen kleinen oder keinen Unterschied in der Notwendigkeit von Nierenersatztherapie aus. Wir sind unsicher, ob der Einsatz von Dextranen, Albumin oder gefrorenem Frischplasma, oder Kristalloiden den Bedarf an Bluttransfusionen beeinflusst. Ebenso sind wir unsicher, ob Kolloide oder Kristalloide die Anzahl an unerwünschten Ereignissen erhöhen. Die Ergebnisse noch nicht abgeschlossener Studien könnten unser Vertrauen in die Evidenz in der Zukunft erhöhen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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