Interaktive Telemedizin: Auswirkungen auf die berufliche Praxis und Gesundheitsendpunkte

Hintergrund

Die Telemedizin nutzt Telekommunikationstechnologien zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen. Diese Methode zur Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen könnte die gesundheitsbezogenen Endpunkte von Patienten und den Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessern und Kosten senken. Dabei ist es wichtig, die möglichen Auswirkungen der telemedizinischen Versorgung auf Patienten, Gesundheitsfachleute und auf die Organisation der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Forschungsfrage

Wir untersuchten die Alltagswirksamkeit, die Akzeptanz und die Kosten der interaktiven Telemedizin, die ergänzend oder alternativ zur üblichen Versorgung angeboten wird, im Vergleich zur üblichen Versorgung allein.

Studiencharakteristiken

Wissenschaftler der Cochrane Collaboration suchten nach Studien bis Juni 2013 und fanden 93 randomisierte kontrollierte Studien, die für den Review in Frage kamen (N = 22.047 Teilnehmer). Im Rahmen der Studien wurden Teilnehmer mit einer Reihe von Erkrankungen rekrutiert: Herz-Kreislauferkrankung (36 Studien), Diabetes (21 Studien), Atemwegserkrankungen (9 Studien), psychische Gesundheitsprobleme oder Drogenmissbrauch (7 Studien), Erkrankungen, die einen Besuch beim Facharzt erfordern (6 Studien), komplexe Komorbiditäten (3 Studien), Urogenitalerkrankungen (3 Studien), neurologische Schäden und Erkrankungen (2 Studien), Magen-Darm-Erkrankungen (2 Studien), Neugeborenenerkrankungen, die eine fachspezifische Betreuung erfordern (2 Studien), Patienten, die sich von einer Organtransplantation erholen (eine Studie) und Krebs (eine Studie).

Die Telemedizin bot Fernüberwachung (55 Studien) oder Echtzeit-Videokonferenzen (38 Studien) an, die jeweils allein oder in Kombination zum Einsatz kamen. Die Hauptaufgabe der Telemedizin war je nach Krankheitsbild unterschiedlich, fiel aber mit einigen Überlappungen typischerweise in eine der folgenden sechs Kategorien: i) Überwachung einer chronischen Krankheit zur Erkennung von frühen Anzeichen einer Verschlechterung und umgehenden Behandlung und Beratung, ii) Bereitstellung von Behandlung oder Rehabilitation, z.B. Schlaganfallrehabilitation, iii) Schulung und Beratung zum Selbstmanagement, iv) fachärztliche Beratung; v) Echtzeitbewertung des klinischen Status, beispielsweise nach kleineren operativen Eingriffen, vi) Screenings auf Depression oder Angina.

Hauptergebnisse

Wir stellten keine Unterschiede hinsichtlich der Sterblichkeit von Patienten mit Herzversagen, die telemedizinisch versorgt wurden, im Vergleich zu denen, die Gesundheitsdienstleistungen ohne Telemedizin erhielten, fest. Im Hinblick auf den Endpunkt der Krankenhauseinweisungen variierten die Studienergebnisse. Sie reichten von einem relativen Rückgang der Krankenhauseinweisungen von 64% bis zu einer Zunahme von 60%. Patienten mit Herzversagen, die telemedizinische Leistungen erhielten, hatten im Vergleich zu denen, die nur die Standardversorgung erhielten, eine etwas bessere krankheitsspezifische Lebensqualität.

Wir stellten fest, dass die Telemedizin die Blutzuckerkontrolle bei Diabetespatienten verbessern kann (Mittelwertdifferenz (MD) von 0,30 Prozentpunkten), wobei die Wirkung jedoch von Studie zu Studie unterschiedlich ausfiel: von einer MD von -0,72 bis 0,20 Prozentpunkten bei der Nachbeobachtung nach durchschnittlich neun Monaten. Wir fanden eine gewisse Evidenz für einen Rückgang des als „böses“ Cholesterin bezeichneten LDL-Cholesterinspiegels bei Teilnehmern, die telemedizinisch versorgt wurden, im Vergleich zu denjenigen, die eine Standardversorgung erhielten (MD -12,45 mg/dL). Ferner stellten wir eine größere Senkung des Blutdrucks bei Telemedizin-Patienten fest als bei denjenigen, die die Standardversorgung erhielten.

Sieben Studien, an denen Personen mit verschiedenen psychischen Gesundheitsproblemen oder Drogenmissbrauch teilnahmen, haben Videokonferenzen und persönliche Einzelgespräche als Therapiemaßnahme miteinander verglichen. Dabei wurden keine Wirkungsunterschiede zwischen den Therapien festgestellt. Die übrigen Studien wiesen unterschiedliche Ergebnisse auf. Es gab Evidenz dafür, dass die telemedizinische Überwachung die Blutdruckkontrolle bei Teilnehmern mit Bluthochdruck verbesserte und eine kleine Gruppe von Studien berichtete über Verbesserungen bei Teilnehmern mit Atemwegserkrankungen. Die Studien, die Teilnehmer mit Bedarf an fachärztlicher Betreuung für Hauterkrankungen untersuchten, ergaben keine Unterschiede zwischen den Gruppen.

Verlässlichkeit der Evidenz

Wir waren in der Lage, Daten aus 16 Studien, an denen Personen mit Herzinsuffizienz teilnahmen (hohe bis moderate Evidenz), und aus 21 Studien mit Diabetespatienten (hohe bis niedrige Evidenz) zusammenzufassen. Die Ergebnisse dieser Studien vermitteln einen guten Hinweis auf die wahrscheinliche Wirkung auf gesundheitsbezogene Endpunkte, wenn Telemedizin zur Gesundheitsversorgung von Menschen mit diesen Krankheiten eingesetzt wird. Die Ergebnisse der anderen Studien sind aufgrund der relativ kleinen Anzahl von Studien, die Teilnehmer mit anderen Erkrankungen einschlossen, ungewisser.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Ergebnisse unseres Reviews zeigen, dass der Einsatz von TM zur Behandlung von Herzinsuffizienz ähnliche Gesundheitsendpunkte erzielt, wie persönliche Betreuung vor Ort oder telefonische Bereitstellung der Behandlung; weiterhin gibt es Evidenz dafür, dass TM die Kontrolle des Blutzuckers bei Patienten mit Diabetes verbessern könnte. Die Kosten der Gesundheitsdienstleistung und die Akzeptanz durch Patienten und medizinisches Fachpersonal sind für diese Endpunkte aufgrund der begrenzten Datenlage unklar. Die Wirksamkeit von TM kann von einer Reihe verschiedener Faktoren abhängen, einschließlich solcher, die mit der Studienpopulation zusammenhängen (z.B. die Schwere der Erkrankung und dem Krankheitsverlauf der Patienten), der Funktion der Intervention (z.B. Nutzung zum Monitoring einer chronischen Erkrankung oder Möglichkeit zum Zugriff auf Diagnose-Services) sowie vom Dienstleistungsanbieter und Gesundheitssystem, welche an der Erbringung der Leistung beteiligt sind.

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Hintergrund: 

Telemedizin (TM) ist die Verwendung von Telekommunikationssystemen zur Gesundheitsversorgung aus der räumlichen Distanz. TM hat das Potenzial, die Gesundheitsendpunkte von Patienten und den Zugang zur gesundheitlichen Versorgung zu verbessern, sowie die Versorgungskosten zu reduzieren. Da sich die Nutzung der TM weiter ausbreitet, ist es wichtig, die Auswirkungen auf Patienten und Akteure im Gesundheitswesen sowie die Organisation der Gesundheitsdienstleistungen zu verstehen.

Zielsetzungen: 

Ziel des Reviews ist die Beurteilung der Alltagswirksamkeit, Akzeptanz und Kosten der interaktiven TM als Alternative oder Ergänzung zur Standardversorgung (d.h. persönliche Beratung vor Ort oder telefonische Beratung).

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten die Literaturdatenbank der „Effective Practice and Organisation of Care (EPOC) Group“, CENTRAL, MEDLINE, EMBASE und fünf weitere Datenbanken, sowie zwei klinische Studienregister bis Juni 2013. Zusätzliche Literatur wurde durch Prüfung der Referenzen, die Suche nach Zitaten, Handsuche und Kontaktaufnahme zu den Studienautoren identifiziert.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien über interaktive TM ein, welche direkte Interaktionen zwischen Patienten und Dienstleistungsanbietern beinhalteten und TM zusätzlich zur oder statt der Standardversorgung anboten. Reine telefonbasierte Interventionen und vollständig automatische selbstbedienbare TM -Interventionen wurden ausgeschlossen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Für die Meta-Analyse wurde für ausreichend homogene Endpunkte das fixed effect Modell verwendet. Für dichotome Endpunkte berichteten wir das Risiko-Verhältnis (RR) und 95% Konfidenzintervalle (KI), für kontinuierliche Endpunkte die Mittelwertdifferenz (MD).

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 93 geeignete Studien ein (N = 22.047 Teilnehmer), welche die Alltagswirksamkeit der interaktiven TM entweder zusätzlich (32% der Studien), stattdessen (57% der Studien) oder teilweise ergänzend (11%) im Vergleich zur Standardversorgung allein bewerteten.

Die eingeschlossenen Studien rekrutierten Patienten mit den folgenden klinischen Erkrankungen: Herzkreislauferkrankungen (36), Diabetes (21), Atemwegserkrankungen (9), eingeschränkte psychische Gesundheit oder Drogenmissbrauch (7), Erkrankungen, welche eine Facharztkonsultation benötigen (6), Begleiterkrankungen (3), urogenitale Erkrankungen (3), neurologische Verletzungen und Erkrankungen (2), Magen-Darm-Erkrankungen (2), neonatale Umstände, die einen Facharzt benötigen (2), Organtransplantation (1) und Krebs (1).

TM wurde als Fern-Monitoring (55 Studien) oder als Echtzeit-Videokonferenzen (38 Studien) erbracht, welche entweder alleine oder in Kombination genutzt wurden. Die TM-Funktion variierte abhängig vom klinischen Zustand, fiel aber in der Regel in eine der folgenden sechs Kategorien, mit einigen Überschneidungen: i) Monitoring einer chronischen Erkrankung, um frühzeitig Symptome der Verschlechterung anzuzeigen und schnelle Behandlung und Beratung zu ermöglichen (41); ii) Bereitstellung von Behandlungs- oder Rehabilitationsmaßnahmen (12), z.B. die Erbringung von kognitiver Verhaltenstherapie oder Kontinenz-Training; iii) Aufklärung und Beratung zur Selbstbehandlung, z.B. von Krankenschwestern durchgeführte Unterstützung für Patienten mit Diabetes oder für Eltern von Kindern mit sehr niedrigem Geburtsgewicht oder für Patienten mit künstlicher Ernährung zu Hause; iv) Spezialsprechstunde zu Diagnose- und Behandlungsentscheidungen (8); v) Echtzeit-Beurteilung des klinischen Status, z.B. postoperative Beurteilung nach kleineren Operationen oder Nachbeobachtung nach Organtransplantation (8); Screening, nach Angina pectoris (1).

Die Art und Häufigkeit der durch den Patienten übertragenen Daten (z.B. Telefon, E-Mail, SMS) und die Häufigkeit der Interaktion zwischen Patienten und Gesundheitsdienstleister variieren in den Studien, wie auch der Gesundheitsdienstleistungserbringer und das Gesundheitssystem, welche an der Bereitstellung der Intervention beteiligt waren.

Für die Gesamtmortalität fanden wir keinen Unterschied zwischen den Gruppen für Patienten mit Herzinsuffizienz bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von sechs Monaten (16 Studien; N = 5239; RR: 0,89, 95% KI 0,76-1,03, p = 0,12; I2 = 44%) (moderate bis hohe Qualität der Evidenz). Krankenhauseinweisungen (11 Studien; N = 4529) reichten von einem Rückgang von 64% bis zu einem Anstieg von 60% bei einer medianen Nachbeobachtung von 8 Monate (moderate Qualität der Evidenz). Wir haben vereinzelt Evidenz für eine verbesserte Lebensqualität für die Patienten gefunden, die TM im Vergleich zur Standardbehandlung erhalten haben bei einer medianen Nachbeobachtung von 3 Monaten (5 Studien; N = 482; MD: -4,39, 95% KI -7,94 bis -0,83, p <0,02; I2 = 0%) (moderate Qualität der Evidenz). In den Studien, die Patienten mit Diabetes rekrutierten (16 Studien; N = 2768), fanden wir niedrigere glykosylierte Hämoglobinlevel (HbA1c %) in den TM-Gruppen im Vergleich zu den Kontrollgruppen bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9 Monaten (p <0,00001; MD -0,31, 95% KI -0,37 bis -0,24 I2 = 42%, p = 0,04) (hohe Qualität der Evidenz). Wir fanden auch Evidenz für eine Senkung der LDL-Konzentration (4 Studien, N =1692; MD -12,45, 95% KI -14,23 bis -10,68; p <0,00001; I2 = 0%) (moderate Qualität der Evidenz) und des Blutdrucks (4 Studien, N = 1770: MD: SBP: -4,33, 95% KI -5,30 bis -3,35, p <0,00001; I2 = 17%; DBP: -2,75 95% KI -3,28 bis -2,22, p <0,00001; I2 = 45% (moderate Qualität der Evidenz) in den TM Gruppen im Vergleich zur Standardversorgung.

Sieben Studien, welche Teilnehmer mit verschiedenen psychischen Problemen und Drogenmissbrauch rekrutiert hatten, berichteten keine Unterschiede in der Alltagswirksamkeit der Therapie, welche über Videokonferenzen erbracht wurde, im Vergleich zur persönlichen Betreuung vor Ort. Ergebnisse aus anderen Studien waren inkonsistent; es gab vereinzelt Evidenz, dass das Monitoring via TM eine verbesserte Blutdruckkontrolle bei Bluthochdruckpatienten erzielte und vereinzelte Studien zeigten eine Verbesserung der Symptomen-Scores bei Patienten mit Atemwegserkrankungen. Studien, welche Patienten rekrutierten, die eine Gesundheitsdienstleistung zwecks mentaler gesundheitlicher Probleme oder dermatologischer Erkrankung aufsuchten, zeigten keinen Unterschied zwischen den Gruppen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Schmidt, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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