Review-Frage
Wir haben die Evidenz (den wissenschaftlichen Beleg) für die Wirksamkeit von Rehabilitationsprogrammen in Bezug auf Schmerzen, Genesung, Funktionsfähigkeit und Rückkehr an den Arbeitsplatz nach Bandscheiben-Operationen an der Lendenwirbelsäule überprüft.
Hintergrund
Eine „herausgerutschte“ oder „vorgefallene“ Bandscheibe (ein Bandscheibenvorfall) gilt als die häufigste Ursache von Beinschmerzen in Zusammenhang mit einem „eingeklemmten“ oder eingeengten Nerv im unteren Rücken. Viele Patienten werden mit einer Kombination von nicht-operativen Maßnahmen wie Medikamenten oder Physiotherapie behandelt. Patienten mit anhaltenden Beschwerden werden gegebenenfalls operiert. Während es 78% bis 95% der Patienten nach der Operation besser geht, haben einige weiterhin Beschwerden. Schätzungsweise 3% bis 12% der Patienten, die an der Bandscheibe operiert werden, haben wiederkehrende Beschwerden, und die meisten dieser Patienten werden erneut operiert.
Rehabilitationsprogramme, beispielsweise eine Übungstherapie bei einem Physiotherapeuten und die Empfehlung zur Wiederaufnahme von Alltagsaktivitäten wie die Rückkehr an den Arbeitsplatz, sind übliche Vorgehensweisen nach der Operation.
Studienmerkmale
Diese aktualisierte Übersichtsarbeit hat die Wirksamkeit verschiedener Rehabilitationsprogramme für Patienten untersucht, die das erste Mal an einem Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule operiert wurden. Wir haben 22 randomisierte kontrollierte Studien (Vergleichsstudien) mit 2.503 Patienten – Männer und Frauen, im Alter zwischen 18 und 65 Jahren – eingeschlossen. Die Evidenz ist auf dem Stand von Mai 2013. In den meisten Fällen wurde mit der Behandlung vier bis sechs Wochen nach der Operation begonnen, jedoch variierte der Behandlungsbeginn zwischen zwei Stunden und 12 Monaten nach der Operation. Es bestanden erhebliche Unterschiede in den Inhalten, der Dauer und der Intensität der Behandlungen (d.h. der Übungsprogramme). Die Dauer der Behandlungen variierte von zwei Wochen bis zu einem Jahr; die meisten Programme dauerten sechs bis 12 Wochen. Die Teilnehmer gaben im Durchschnitt beträchtliche Schmerzen an (56 Punkte auf einer Skala von 0 bis 100, mit 100 als stärkstem möglichem Schmerz). Die meisten Studien verglichen (1) Übungen mit keiner Behandlung, (2) Übungen hoher Intensität mit Übungen niedriger Intensität oder (3) angeleitete Übungen mit Heimübungen, mit Beginn meist vier bis sechs Wochen nach der Operation. Die Vergleiche in dieser Übersichtsarbeit schlossen (1) Übungen mit keiner Behandlung, (2) Übungen hoher Intensität mit Übungen niedriger Intensität und (3) angeleitete Übungen mit Heimübungen ein.
Hauptergebnisse
Patienten, die vier bis sechs Wochen nach der Operation an Übungsprogrammen teilnahmen, berichteten von etwas weniger kurzfristigen Schmerzen und Aktivitätseinschränkungen als jene, die keine Behandlung erhielten. Patienten, die an Programmen mit hoher Intensität teilnahmen, berichteten über kurzfristig etwas weniger Schmerzen und Aktivitätseinschränkungen als jene, die an Programmen mit niedriger Intensität teilnahmen. Patienten in angeleiteten Übungsprogrammen berichteten über wenig oder keinen Unterschied bezüglich Schmerzen und Aktivitätseinschränkungen im Vergleich mit jenen in Heimübungsprogrammen. Hier war es schwierig, gesicherte Schlussfolgerungen abzuleiten, da keine qualitativ hochwertige Evidenz vorlag.
Keine der Studien berichtete über eine Zunahme der Häufigkeit von erneuten Operationen nach der ersten Operation an der Lendenwirbelsäule.
Die Evidenz zeigt nicht auf, ob alle Patienten nach der Operation behandelt werden sollten oder nur jene, die vier bis sechs Wochen später immer noch Beschwerden haben.
Qualität der Evidenz
Aufgrund von Einschränkungen in der methodischen Vorgehensweise bei der Hälfte der Studien sollten die Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden. Die meisten Behandlungen wurden nur durch jeweils eine Studie untersucht. Daher deutet eine für die meisten der Behandlungsprogramme qualitativ nur geringe bis sehr geringe Evidenz darauf hin, dass keine gesicherten Schlussfolgerungen zu ihrer Wirksamkeit abgeleitet werden können.
C. Braun und T. Bossmann, Koordination durch Cochrane Schweiz