Eingreifende versus abwartende Behandlung bei schwerwiegender Präeklampsie vor dem Geburtstermin

Worum geht es?

Frauen, die vor der 34. Schwangerschaftswoche (frühzeitiges Auftreten) an Präeklampsie (Bluthochdruck und Eiweiß im Urin) erkranken, sind in Gefahr, schwerwiegende Komplikationen zu erleiden oder gar zu sterben. Diese Komplikationen betreffen die Leber, Nieren und das Blutgerinnungssystem der Frau und verursachen neurologische Störungen wie Kopfschmerzen, Sehstörungen und Anfälle. Ist die Plazenta (der ‚Mutterkuchen‘) betroffen, kann dies zu einer Wachstumsverlangsamung des Kindes oder einer reduzierten Fruchtwassermenge führen, die eine Gefährdung für das Kind darstellen.

Warum ist das wichtig?

Die einzig bekannte Heilungsmethode bei Präeklampsie ist die Entbindung des Kindes. Eine frühzeitige Geburt an sich kann Probleme für das Kind bedeuten, selbst wenn 24 bis 48 Stunden vor der Geburt Kortison zur Unterstützung der Lungenreifung verabreicht wird. Einige Krankenhäuser folgen der Strategie einer frühzeitigen Entbindung innerhalb von 24 bis 48 Stunden, im Sinne einer ‚eingreifenden Vorgehensweise‘ (‚interventionistisches Management‘). Andere hingegen ziehen es vor, die Entbindung solange hinauszuzögern, bis es nicht länger möglich ist, den Zustand der Frau risikofrei zu stabilisieren, im Sinne einer ‚abwartenden Vorgehensweise‘.

Welche Evidenz haben wir gefunden?

Wir suchten im November 2017 nach Evidenz und fanden sechs randomisierte Studien. In diesen Review wurden sechs Studien eingeschlossen, die Frauen mit schwerwiegender Präeklampsie vor der 34. Schwangerschaftswoche nach einem Zufallsschema einer eingreifenden oder einer abwartenden Vorgehensweise zuteilten. Insgesamt nahmen 748 Frauen an diesen sechs Studien teil. Die Kinder derjenigen Frauen, die der eingreifenden Vorgehensweise zugeteilt waren, waren wahrscheinlich einer größeren Gefährdung für das Auftreten unerwünschter Wirkungen wie Hirnblutungen (Ventrikelblutungen) ausgesetzt. Möglicherweise waren sie auch einer größeren Gefährdung von Beatmungsbedürftigkeit, längeren Aufenthalten auf der Neugeborenenstation, einer kürzeren Schwangerschaftsdauer (in Tagen) und einem niedrigeren Geburtsgewicht ausgesetzt als die Kinder derjenigen Frauen, die der abwartenden Vorgehensweise zugeteilt waren. Für verlässliche Schlussfolgerungen über das Auftreten perinataler (den Zeitraum kurz vor, während und nach der Geburt betreffender) Todesfälle ist die Evidenz nicht ausreichend. Kinder, deren Mütter der eingreifenden Vorgehensweise zugeteilt waren, wurden nicht häufiger auf die Neugeborenen-Intensivstation verlegt.

In den beiden Studien, die diesen Endpunkt berichteten, gab es keine mütterlichen Todesfälle. Für die Endpunkte Anfälle, Krämpfe (Eklampsie) oder Flüssigkeit in den Lungen (Lungenödem) war die Qualität der Evidenz sehr niedrig. Daher ist unklar, ob die eingreifende Vorgehensweise einen klaren Unterschied bezüglich der Gesundheit der Mutter bewirkt. Evidenz aus zwei Studien wies bei Frauen mit einer schwerwiegende Form von Präeklampsie, die Leber und Blutgerinnung beeinträchtigt, auf nur geringfügige oder nicht eindeutige Unterschiede zwischen den Gruppen mit eingreifender und abwartender Vorgehensweise hin. Diese Form der Präeklampsie wird als HELLP-Syndrom bezeichnet: für Hämolyse (Abbau der roten Blutkörperchen), erhöhte Leberenzyme (ein Zeichen für Leberschaden) und eine niedrige Anzahl an Blutplättchen (Blutplättchen unterstützen die Blutgerinnung). Keine der Studien berichtete über das Auftreten von Schlaganfällen bei der Mutter. Mit der Ergänzung durch die Daten aus zwei Studien für diese Aktualisierung gibt es nun Evidenz, die darauf hindeutet, dass die eingreifende Vorgehensweise wahrscheinlich kaum einen oder keinen Einfluss auf die Kaiserschnittrate hat.

Was bedeutet das?

In Abwesenheit einer eindeutigen Indikation bei der Mutter oder dem Fötus für eine sofortige Entbindung kann eine Verzögerung für das Kind von Vorteil sein. Die Datenlage ist jedoch nicht ausreichend, um verlässliche Schlussfolgerungen zu den meisten der die Mutter betreffenden Endpunkte zu ziehen, und damit auch nicht zur Sicherheit der Mutter bei einem abwartenden Ansatz.

Diese Evidenz basierte auf Daten von nur sechs Studien. Weitere große Studien mit Langzeitbeobachtung der Kinder sind notwendig, um zu bestätigen oder zu widerlegen, ob für Frauen, die vor der 34. Schwangerschaftswoche an schwerer Präeklampsie erkranken, eine abwartende Vorgehensweise besser ist als eine frühzeitige Entbindung.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Fischli und C. Loytved, freigegeben durch Cochrane Schweiz

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