Korrigiert oder verbessert eine Zahnspange einen „Unterbiss“ (vorstehende untere Schneidezähne) bei Kindern und Jugendlichen?

Kernaussagen

Nicht-chirurgische und chirurgische kieferorthopädische Behandlungen im Kindesalter können die Zahn- und Kieferstellung verbessern. Wir wissen nicht, wie lange diese Wirkungen anhalten.

Künftige Studien sollten längere Zeiträume umfassen, um herauszufinden, ob die Behandlung von Betroffenen in der Kindheit die Notwendigkeit einer Kieferoperation im Erwachsenenalter verhindert.

Was ist ein „Unterbiss“?

Ein Unterbiss (untere Schneidezähne stehen zu weit vorn) kann sich entwickeln, wenn der Oberkiefer zu weit zurück oder der Unterkiefer zu weit vorne positioniert ist, die oberen Schneidezähne nach innen geneigt sind und die unteren Schneidezähne nach außen stehen, oder wenn eine Mischung dieser Faktoren vorliegt. Ein Unterbiss kann zu Mobbing und Problemen beim Essen und im Kiefergelenk führen.

Wie wird ein „Unterbiss“ behandelt?

In der kieferorthopädischen Therapie von Unterbissen kommen Zahnspangen zum Einsatz, die entweder direkt an den Zähnen angebracht, außerhalb des Mundraums positioniert oder um den Kopf getragen werden. Die Zahnspange bewirkt, dass der Oberkiefer und die oberen Zähne sich nach vorne und unten verschieben oder sie hemmt das Wachstum des Unterkiefers. In manchen Fällen erzielt sie beides gleichzeitig.

Was wollten wir herausfinden?

Diese Aktualisierung einer früheren Version des Reviews aus dem Jahr 2013 hatte zum Ziel, die Wirkung der kieferorthopädischen Behandlung von Unterbiss bei Kindern und Jugendlichen zu ermitteln.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, die eine Art von Zahnspange für Unterbiss mit einer anderen Art oder keiner Behandlung verglichen haben. Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz auf der Grundlage von Faktoren wie Studienmethoden und Größe der Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden 29 Studien, an denen 1169 Kinder teilnahmen, die bei Behandlungsbeginn 5 bis 13 Jahre alt waren. Die meisten Studien dauerten zwischen 5 und 18 Monaten und bewerteten Zielgrößen direkt im Anschluss an die Behandlung. Nur in einer Studie wurden Zielgrößen zu einem späteren Zeitpunkt untersucht. In den Studien wurde viele verschiedene Arten von Zahnspangen verwendet, darunter die folgenden Typen.

Gesichtsmaske: Sie liegt auf der Stirn und dem Kinn auf und ist mit den oberen Zähnen durch eine Dehnungsapparatur verbunden. Diese dient dazu, den Oberkiefer zu erweitern, um mehr Platz zu schaffen oder Bissprobleme zu korrigieren. Der Träger bzw. die Trägerin befestigt dabei Gummizüge, die die Anpassung und die Wirksamkeit der Maske unterstützen. Die Zugkraft bewirkt, dass sich die oberen Zähne und der Kiefer nach vorne und nach unten bewegen.

Kinnschale: Sie wird am Kinn angelegt und mit einem Gurt am Hinterkopf befestigt, um das nach vorne Wachsen des Unterkiefers zu verringern.

Herausnehmbarer kieferorthopädischer Zugapparat (ORTA): Die Dehnungsapparatur wird auf den oberen Zähnen angebracht. Gummizüge, die vom Träger bzw. der Trägerin angebracht werden, führen von den oberen Zähnen zu einer durchsichtigen, herausnehmbaren Zahnspange an den unteren Zähnen. Die Zugkraft zieht die oberen Zähne nach vorne und unten und die unteren Zähne zurück.

Reverse-Twin-Block-Zahnspange: Sie umfasst einen oberen und unteren herausnehmbaren Teil, mit einer Expansionsschraube an der oberen Spange. Über den Seitenzähnen werden Kunststoffblöcke platziert, um die Fehlstellung des Unterkiefers zu korrigieren. Mit Kunststoffpads wird die Oberlippe von den Zähnen ferngehalten.

Gesichtsbogen: An den oberen und unteren Zähnen werden Befestigungselemente angebracht. Die obere Befestigung hat auf jeder Seite einen Haken. In die untere Befestigung wird vor den unteren Schneidezähnen ein Metallsteg eingesetzt. Auf jeder Seite wird ein Gummizug angebracht, um den Oberkiefer nach vorne und den Unterkiefer nach hinten zieht.

Chirurgische Miniplatten: Kleine Metallplatten, die während eine kieferorthopädischen Eingriffs mit kleinen Schrauben am Knochen befestigt werden. Sie werden unter das Zahnfleisch gelegt. An einem sichtbarer Haken können Gummizüge befestigt werden. Diese werden entweder zwischen dem Ober- und Unterkiefer oder an einer Gesichtsmaske angebracht

Hauptergebnisse

Die Kombination von Studien ergab, dass nicht-chirurgische kieferorthopädische Behandlungen und chirurgische kieferorthopädische Behandlungen mit Miniplatten die Gebiss- und Kieferstellung unmittelbar nach der Behandlung vermutlich erheblich verbessern.

Nur eine Studie, die die Gesichtsmaske untersuchte, befasste sich mit den langfristigen Wirkungen von Zahnspangen. Verbesserungen der Gebiss- und Kieferstellung wurden nach drei Jahren festgestellt, schienen aber nach sechs Jahren wieder verloren zu gehen. Kieferorthopäd*innen stellten jedoch fest, dass diejenigen, die in ihrer Jugend mit einer Gesichtsmaske therapiert wurden, im Erwachsenenalter seltener eine Kieferchirurgie benötigen, verglichen mit denjenigen, die keine solche Behandlung erhielten. Es sind weitere Langzeitstudien erforderlich, um herauszufinden, wie dauerhaft die positiven Effekte einer kieferorthopädischen Behandlung sind.

Wir haben die Ergebnisse aus Studien, die Gesichtsmaskenbehandlungen mit anderen Behandlungen verglichen, zusammen analysiert. Dabei waren die anderen Maßnahmen der Gesichtsmaske nicht überlegen. Allerdings gab es große Unterschiede in den Daten, so dass wir keine zuverlässigen Schlussfolgerungen ziehen können.

Möglicherweise bietet die Befestigung von Gesichtsmasken mit chirurgischen Miniplatten keine Vorteile, aber die Evidenz ist unsicher und weitere Studien sind erforderlich.

Die Verwendung einer Gesichtsmaske ohne Expansionsgerät kann genauso gut funktionieren wie mit einem Expansionsgerät. Der Wechsel zwischen Expansion und Konstriktion unterscheidet sich nicht von der reinen Expansion. Die Evidenz für verschiedene Arten von Gesichtsmasken ist jedoch unsicher. Weitere Studien sind notwendig, um die effektivste Gesichtsmaskenbehandlung zu bestimmen.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die Studien waren klein und alle Beteiligten wussten, welche kieferorthopädische Behandlung die Kinder erhielten. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist sehr niedrig bis moderat. Wir wissen, dass nicht-chirurgische und chirurgische kieferorthopädische Behandlungen im Kindesalter einen Unterbiss wirksam behandeln können. Ungewiss ist aber, wie lange dieser Nutzen anhält. Ob eine kieferorthopädische Behandlung wirksamer ist als eine andere, ist ebenfalls ungewiss.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von Januar 2023.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, L. Gorenflo, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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