Orale Vitamin-B12-Einnahme im Vergleich zu intramuskulär injiziertem Vitamin B12 bei Vitamin-B12-Mangel

Fragestellung

Hat orale Vitamin-B12-Einnahme vergleichbare Wirkungen wie intramuskulär injiziertes Vitamin B12 bei Menschen mit Vitamin-B12-Mangel?

Hintergrund

Vitamin B12 (Cobalamin) ist notwendig für grundlegende Körperfunktionen, wie Wachstum und Entwicklung der roten Blutkörperchen und das Nervensystem. Ein Defizit an Vitamin-B12 (Vitamin-B 12-Mangel) ist weit verbreitet. Es gibt viele Faktoren, die zu einem Vitamin-B12-Mangel beitragen, wie z. B. Alter, Blutkrankheit, vegetarische Ernährung, Verdauungsstörungen, Gebrauch von Medikamenten, sowie schlechte Ernährung. Vitamin B12 wird von Ärzten eher in Form von Injektionen in den Muskel (intramuskuläre Injektion) verabreicht, da sie möglicherweise die Option Vitamin B12 oral zu verabreichen nicht kennen oder Bedenken hinsichtlich deren Wirksamkeit haben.

Studienmerkmale

Wir haben drei randomisierte, kontrollierte Studien gefunden (klinische Studien, in denen Teilnehmer zufällig einer von zwei oder mehreren Behandlungsgruppen zugeteilt werden). In den Studien wurden 153 Teilnehmer randomisiert (74 Teilnehmer nahmen Vitamin-B12 oral ein und 79 Teilnehmer erhielten intramuskuläre Vitamin-B12 Injektionen). Die Dauer der Behandlung und Nachbeobachtung betrug zwischen drei und vier Monaten. Die Teilnehmer waren durchschnittlich zwischen 39 und 72 Jahre alt.

Hauptergebnisse

In zwei Studien wurden 1000 μg Vitamin B12 /Tag oral verabreicht. Im Hinblick auf den Vitamin B12 -Spiegel im Blut zeigte sich hierdurch kein relevanter Unterschied im Vergleich zu intramuskulär injiziertem Vitamin B12. Eine Studie verwendete 2000 μg Vitamin B12 /Tag und zeigte höhere Vitamin B12-Blutspiegel zugunsten der oralen Verabreichung12. Zwei Studien berichteten über Nebenwirkungen. Laut einer Studie wurden in keiner der beiden Gruppen (orale oder intramuskuläre Vitamin B12 -Gabe) behandlungsbedingte Nebenwirkungen beobachtet. Eine andere Studie berichtete, dass 2 von 30 Teilnehmern aus der Gruppe der oralen Vitamin B12-Gabe die Studie wegen Nebenwirkungen vorzeitig verlassen haben. Eine Studie zeigte, dass oral eingenommenes Vitamin B12 geringere, mit der Behandlung verbundene Kosten aufwies, als intramuskuläre injiziertes Vitamin B12. Keine der Studien berichtete über klinische Anzeichen und Symptome eines Vitamin-B12-Mangels (z.B. Müdigkeit, Depressionen, neurologische Komplikationen), gesundheitsbezogene Lebensqualität oder Akzeptanz des Behandlungskonzepts.

Qualität der Evidenz

Die Gesamtqualität der Evidenz war niedrig oder sehr niedrig, vor allem aufgrund der geringen Anzahl der eingeschlossenen Studien und der geringen Teilnehmerzahlen in diesen Studien.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Evidenz von niedriger Qualität zeigt, dass oral verabreichtes und IM- injiziertes Vitamin B12 ähnliche Effekte in Bezug auf die Normalisierung des Vitamin-B12-Spiegels im Serum haben; allerdings sind die Kosten bei einer oralen Therapie niedriger. Evidenz von sehr niedriger Qualität zeigt, dass die orale Verabreichung von Vitamin B12 genauso sicher erscheint wie von IM-injiziertem Vitamin B12. Für die Durchführung weiterer Studien sollten bessere Verfahren zur Randomisierung und Verblindung genutzt werden, es sollten mehr Teilnehmer rekrutiert und eine angemessene Berichterstattung gewährleistet werden. Auch sollten zukünftige Studien wichtige Endpunkte erheben, wie z. B. die klinischen Anzeichen und Symptome eines Vitamin-B12-Mangels, die gesundheitsbezogene Lebensqualität und sozioökonomische Auswirkungen. Außerdem sollte auf eine angemessene Berichterstattung über unerwünschte Ereignisse, bevorzugt in der Primärversorgung geachten werden.

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Hintergrund: 

Vitamin-B12-Mangel ist weit verbreitet, und die Inzidenz steigt mit dem Alter. Den meisten Menschen mit Vitamin-B12-Mangel, wird in der Primärversorgung Vitamin B12 intramuskulär (IM) injiziert. Vermutlich verschreiben Ärzte die orale Einnahme von Vitamin-B12-Rezepturen nicht, da sie diese Option nicht kennen oder Bedenken hinsichtlich deren Wirksamkeit haben.

Zielsetzungen: 

Es sollten die Auswirkungen von oral eingenommenem Vitamin B12 im Vergleich zu intramuskulär injiziertem Vitamin B12 bei Vitamin-B12-Mangel untersucht werden.

Suchstrategie: 

Wir führten zuletzt am 17. Juli 2017 eine Suche in folgenden Datenbanken durch: CENTRAL, MEDLINE, PubMed, Embase sowie die WHO ICTRP und ClinicalTrials.gov. Hinsichtlich der Sprache haben wir keine Einschränkungen vorgenommen. Darüber hinaus kontaktierten wir Autoren relevanter Studien, um andere veröffentlichte oder unveröffentlichte, sowie laufende Studien zu erfragen.

Auswahlkriterien: 

Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), die untersuchen, wie sich orale Vitamin-B12 -Einnahme im Vergleich zu IM-Injektionen bei Vitamin-B12-Mangel auswirkt.

Datensammlung und ‐analyse: 

Wir verwendeten methodische Verfahren, die von Cochrane standardmäßig erwartet werden. Unsere primären Endpunkte waren der Serum-Vitamin-B12-Spiegel, klinische Anzeichen und Symptome eines Vitamin-B12-Mangels sowie unerwünschte Ereignisse. Sekundäre Endpunkte waren gesundheitsbezogene Lebensqualität, Patientenakzeptanz, Hämoglobin und mittleres korpuskulares Volumen, Gesamthomocystein- und Serummethylmalonsäuregehalt, sowie sozioökonomische Effekte. Zur Beurteilung der Qualität der Evidenz von wichtigen Endpunkten verwendeten wir die GRADE-Methodik. Meta-Analysen haben wir aufgrund der geringen Anzahl der eingeschlossenen Studien und der erheblichen klinischen Heterogenität nicht durchgeführt.

Hauptergebnisse: 

Drei RCTs entsprachen unseren Einschlusskriterien. In den Studien wurden 153 Teilnehmer randomisiert (74 Teilnehmern wurde Vitamin B12 oral verabreicht und 79 Teilnehmer erhielten IM-Vitamin-B12-Injektionen). Die Dauer der Behandlung und Nachbeobachtung betrug zwischen drei und vier Monaten. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag zwischen 38,6 und 72 Jahren. Behandlungsfrequenz und tägliche Dosis des verabreichten Vitamin B12 variierte zwischen den einzelnen Studien. Nur für eine Studie konnte das Risiko für Bias in allen Bereichen und für alle erhobenen Endpunkte als niedrig oder unklar eingestuft werden. In zwei der Studien wurden Daten für den Vitamin-B12-Spiegel im Serum erfasst. Die Gesamtqualität der Evidenz für diesen Endpunkt war aufgrund stark unzureichender Präzision (geringe Anzahl von Studien und Teilnehmern) niedrig. In zwei Studien wurden 1000 μg Vitamin B12 /Tag oral verabreicht. Verglichen mit IM-Vitamin-B12-Injektionen ließ sich im Hinblick auf den Vitamin-B12-Spiegel hierdurch kein klinisch relevanter Unterschied nachweisen. In einer Studie wurden 2000 μg Vitamin B12/Tag verwendet, wobei sich eine Mittelwertdifferenz von 680 pg/ml (95 % Konfidenzintervall 392,7 bis 967,3) zugunsten von orale verabreichtem Vitamin B12 zeigte. Zwei der Studien berichteten Daten zu unerwünschten Ereignissen (sehr niedrige Qualität der Evidenz aufgrund des Risikos von Performance-Bias, Detektions-Bias und stark unzureichender Präzision). Laut einer Studie wurden in keiner der beiden Gruppen (orale oder IM-Vitamin-B12unerwünschte, behandlungsbedingte Ereignisse beobachtet. Eine andere Studie berichtete, dass 2 der 30 Teilnehmern (6,7 %) aus der Gruppe der oralen Vitamin-B12-Verabreichung die Studie aufgrund von unerwünschten Ereignisse vorzeitig verlassen haben. Die mit der Behandlung verbundenen Kosten von oral eingenommenem Vitamin B12 waren laut einer der Studien niedriger als die von IM-Vitamin-B12 -Injektionen (niedrige Qualität der Evidenz aufgrund von stark unzureichender Präzision). In keiner Studie wurden Aussagen zu klinischen Anzeichen und Symptomen von Vitamin-B12-Mangel, zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität und die Patientenakzeptanz für das Behandlungsschema gemacht.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Schneider, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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