(Ultra-)langwirksame Insulinanaloga im Vergleich zu NPH-Insulin (Neutral-Protamin-Hagedorn-Insulin) bei Erwachsenen mit Diabetes mellitus Typ 2

Einleitung

Diabetes mellitus Typ 2 ist eine fortschreitende Erkrankung, was bedeutet, dass mit zunehmender Krankheitsdauer immer mehr blutzuckersenkende Medikamente benötigt werden, um die empfohlenen Werte für das glykosylierte Hämoglobin A1c (HbA1c) zu erreichen. Der HbA1c-Test misst den Blutzuckerspiegel über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Auf lange Sicht werden viele Menschen eine Insulinbehandlung benötigen. Die Insulinbehandlung erfolgt häufig durch eine ein- bis zweimal tägliche Verabreichung von humanen Basalinsulinen. Basalinsuline sind langwirksame Insuline mit verzögertem Wirkeintritt, die den Grundbedarf des Körpers an Insulin abdecken. Schnellwirksame Insuline werden zur Abdeckung des Bedarfs zu den Mahlzeiten verwendet. Die häufigsten Nebenwirkungen einer Insulinbehandlung sind eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) und Gewichtszunahme. Neuere synthetische Insuline, so genannte (ultra-)langwirksame Insulinanaloga, wurden mit dem Ziel entwickelt, die Nebenwirkungen zu minimieren und eine bessere Blutzuckerkontrolle zu ermöglichen.

Fragestellung

Wir wollten die Auswirkungen einer Behandlung mit (ultra-)langwirksamen Insulinanaloga mit der mit NPH-Insulin (Neutral-Protamin-Hagedorn-Insulin) vergleichen.

Datum der Literatursuche

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 5. November 2019.

Hintergrund

Es ist unklar, ob oder in welchem Ausmaß (ultra-)langwirksame Insulinanaloga mehr Vorteile bzw. weniger Nachteile als NPH-Insulin zeigen.

Studienmerkmale

Bei den 24 berücksichtigten Studien handelte es sich um randomisierte kontrollierte Studien (klinische Studien, bei denen die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeteilt werden). In 16 Studien wurde das langwirksame Insulin glargin, in 8 Studien das langwirksame Insulin detemir mit NPH-Insulin verglichen. Im Rahmen dieser Studien wurden 3.419 Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 auf Insulin glargin und 1.321 Menschen auf Insulin detemir randomisiert. Die Studiendauer lag zwischen 24 Wochen und 5 Jahren.

Hauptergebnisse

Die verschiedenen Insuline senkten den HbA1c-Wert in etwa gleich stark.

Die Behandlung mit Insulin glargin oder Insulin detemir anstelle von NPH-Insulin führte insgesamt zu weniger Unterzuckerungen. Die Behandlung mit Insulin detemir verringerte das Risiko einer schwerwiegenden Unterzuckerung. In den Studien traten schwerwiegende Unterzuckerungen jedoch nur selten auf, und zwar bei weniger als einer von 100 Personen mit Insulin detemir und bei etwa einer von 100 Personen mit NPH-Insulin. Etwa eine von 100 Personen profitierte von der Behandlung mit Insulin detemir im Vergleich zu NPH-Insulin.

Über diabetesbedingte Folgeerkrankungen (z. B. Herz- und Nierenerkrankungen, Netzhautschädigungen und Amputationen), Gesamtsterblichkeit und gesundheitsbezogene Lebensqualität lagen nur wenige Informationen vor. Die vorliegenden Studienergebnisse ließen keine eindeutigen Unterschiede zwischen Insulinanaloga und NPH-Insulin erkennen.

Im Hinblick auf Nebenwirkungen und Gewichtszunahme gab es keine eindeutigen Unterschiede zwischen Insulinanaloga und NPH-Insulin.

Keine der berücksichtigten Studien berichtete über sozioökonomische Auswirkungen (z. B. Behandlungskosten, Arbeitsausfälle oder Arzneimittelbedarf).

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

In den Studien wurden sehr niedrige Blutzucker- und HbA1c-Zielwerte festgelegt. Für Menschen, die schon lange an Typ-2-Diabetes leiden, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben oder ein höheres Alter haben, empfehlen Ärzte jedoch häufig höhere Zielwerte. Bei höheren Zielwerten kommt es seltener zu einer Unterzuckerung, und mehr Menschen müssen mit Insulinanaloga anstelle von NPH-Insulin zur Vermeidung einer Hypoglykämie behandelt werden. Daher gelten die Studienergebnisse nur für diejenigen Menschen, die auf so niedrige Blutzuckerzielwerte behandelt werden.

In vielen Studien war eine angemessene Anpassung des NPH-Insulins nicht möglich. In der Praxis wird eine solche Anpassung jedoch von den Ärzten vorgenommen. Daher geht man von einer weiteren Abnahme des Nutzens von Insulinanaloga aus.

Die Behandlungsdauer betrug mit Ausnahme einer Studie in allen Fällen 12 Monate oder weniger. Allerdings entwickeln sich diabetesbedingte Folgeerkrankungen meist erst im Laufe vieler Jahre. Die meisten Studien konnten daher keine Antwort auf die grundlegende Frage geben, ob die Behandlung mit verschiedenen Insulinpräparaten unterschiedliche Auswirkungen auf diabetesbedingte Folgeerkrankungen hat. Daraus ist zu schließen, dass potenziell wichtige Unterschiede zwischen Insulinanaloga und NPH-Insulin nicht erkannt wurden.

Alle Studien wiesen Probleme bei der Art und Weise der Durchführung auf.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Während die Auswirkungen auf den HbA1c-Wert vergleichbar waren, kam es bei der Behandlung mit Insulin glargin und Insulin detemir im Vergleich zu NPH-Insulin bei weniger Studienteilnehmern zu Hypoglykämien. Die Behandlung mit Insulin detemir verringerte auch die Inzidenz von schwerwiegenden Hypoglykämien. Schwerwiegende hypoglykämische Ereignisse waren jedoch selten und die absolute risikomindernde Wirkung war gering. Etwa eine von 100 Personen, die mit Insulin detemir anstelle von NPH-Insulin behandelt wurden, konnte von der Wirkung profitieren.

In den Studien wurden niedrige Blutzucker- und HbA1c-Zielwerte festgelegt, die nahezu normalen oder sogar nicht-diabetischen Blutzuckerwerten entsprachen. Daher sind die Studienergebnisse nur auf Menschen anwendbar, bei denen solche niedrigen Blutzuckerwerte angestrebt werden. In den aktuellen Leitlinien wird jedoch für die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes in der täglichen Praxis eine weniger intensive Blutzuckersenkung empfohlen (z. B. für Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen, einer langjährigen Erkrankung mit Typ-2-Diabetes, die anfällig für Hypoglykämien sind, oder für ältere Menschen). Darüber hinaus ist aufgrund der geringen Vertrauenswürdigkeit der Evidenz und des Studiendesigns, das nicht mit der aktuellen klinischen Praxis übereinstimmt, unklar, ob in der täglichen klinischen Praxis die gleichen Wirkungen zu beobachten sind. In den meisten Studien wurden nicht über patientenrelevante Ergebnisse berichtet.

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Hintergrund: 

Die Evidenz, dass eine antihyperglykämische Behandlung für Menschen mit Typ-2-Diabetes Vorteile bietet, ist widersprüchlich. Während die United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) eine strengere Blutzuckerkontrolle positiv bewertet, wurde in anderen Studien, wie z. B. in der Studie Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes (ACCORD) festgestellt, dass eine intensive Therapie zur Senkung des Blutzuckerspiegels auf nahezu normale Werte eher schadet als nutzt. Die Studienergebnisse zeigten auch unterschiedliche Wirkungen für verschiedene Antidiabetika, unabhängig vom erreichten Blutzuckerspiegel. Folglich können basierend auf der Wirkung dieser Interventionen auf die Blutzuckerkonzentration allein keine eindeutigen Schlussfolgerungen über die Wirkung der Interventionen auf patientenrelevante Endpunkte gezogen werden. Theoretisch könnte der Einsatz neuerer Insulinanaloga zu weniger makro- und mikrovaskulären Ereignissen führen.

Zielsetzungen: 

Vergleich der Auswirkungen einer Langzeitbehandlung mit (ultra-)langwirksamen Insulinanaloga (Insulin glargin E100 und E300, Insulin detemir und Insulin degludec) mit NPH-Insulin (Neutral-Protamin-Hagedorn-Insulin) (humanes Isophan-Insulin) bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes mellitus.

Suchstrategie: 

Für diese Aktualisierung des Cochrane Reviews durchsuchten wir CENTRAL, MEDLINE, Embase, das ICTRP Search Portal und ClinicalTrials.gov. Das Datum der letzten Suche war der 05. November 2019 (nur in Embase fand die letzte Suche am 26. Januar 2017 statt). Wir haben bei der Suche keine Einschränkungen bezüglich der Sprachen vorgenommen.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) ein, in denen die Auswirkungen einer Behandlung mit (ultra-)langwirksamen Insulinanaloga mit denen von NPH-Insulinen bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes mellitus verglichen wurden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren wählten unabhängig voneinander Studien aus, bewerteten das Biasrisiko, extrahierten Daten und bewerteten die allgemeine Vertrauenswürdigkeit der Evidenz anhand der GRADE-Skala. Die Studien wurden gepoolt unter Berücksichtigung von Random-Effects-Metaanalysen.

Hauptergebnisse: 

Es wurden 24 RCTs gefunden. Davon verglichen 16 Studien Insulin glargin mit NPH-Insulin und 8 Studien Insulin detemir mit NPH-Insulin. Im Rahmen dieser Studien wurden 3.419 Menschen mit Typ-2-Diabetes mellitus auf Insulin glargin und 1.321 Personen auf Insulin detemir randomisiert. Die Dauer der berücksichtigten Studien lag zwischen 24 Wochen und 5 Jahren. In den Studien, in denen Insulin glargin mit NPH-Insulin verglichen wurde, lagen die Zielwerte für den Nüchternblutzucker zwischen 4,0 mmol/l und 7,8 mmol/l (72 mg/dl bis 140 mg/dl), für den nächtlichen Blutzucker zwischen 4,4 mmol/l und 6,6 mmol/l (80 mg/dl bis 120 mg/dl) und für den postprandialen Blutzucker gegebenenfalls unter 10 mmol/l (180 mg/dl). Die Zielwerte für Blutzucker und glykosyliertes Hämoglobin A1c (HbA1c) lagen in den Studien, in denen Insulin detemir mit NPH-Insulin verglichen wurde, zwischen 4,0 mmol/l und 7,0 mmol/l (72 mg/dl und 126 mg/dl), für FBG unter 6,7 mmol/l (120 mg/dl) und unter 10 mmol/l (180 mg/dl) für den postprandialen Blutzucker, 4,0 mmol/l und 7,0 mmol/l (72 mg/dl und 126 mg/dl) für den nächtlichen Blutzucker und 5,8 % und weniger als 6,4 % für den HbA1c, insofern zutreffend.

Alle Studien wiesen bezüglich mehrerer Kriterien ein unklares oder hohes Biasrisiko auf.

Insgesamt traten bei Insulin glargin und Insulin detemir im Vergleich zu NPH-Insulin weniger Hypoglykämien bei den Studienteilnehmern auf. Die Veränderungen des HbA1c-Werts waren bei langwirksamen Insulinanaloga und NPH-Insulin vergleichbar.

Insulin glargin hatte im Vergleich zu NPH-Insulin ein relatives Risiko (RR) für schwerwiegende Hypoglykämien von 0,68 (95 % Konfidenzintervall (KI) 0,46 bis 1,01; P = 0,06; absolute Risikoreduktion (ARR) -1,2 %, 95 % KI -2,0 bis 0; 14 Studien, 6.164 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Das RR für schwerwiegende Hypoglykämien betrug 0,75 (95 % KI 0,52 bis 1,09; P = 0,13; ARR -0,7 %, 95 % KI -1,3 bis 0,2; 10 Studien, 4.685 Teilnehmer; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Behandlung mit Insulin glargin verringerte die Inzidenz von bestätigten Hypoglykämien und bestätigten nächtlichen Hypoglykämien.

Bei der Behandlung mit Insulin detemir im Vergleich zu NPH-Insulin ergab sich ein RR für schwerwiegende Hypoglykämien von 0,45 (95 % KI 0,17 bis 1,20; P = 0,11; ARR -0,9 %, 95 % KI -1,4 bis 0,4; 5 Studien, 1.804 Teilnehmer; sehr geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Peto Odds Ratio für schwerwiegende Hypoglykämien betrug 0,16, 95 % KI 0,04 bis 0,61; P = 0,007; ARR -0,9 %, 95 % KI -1,1 bis -0,4; 5 Studien, 1.777 Teilnehmer; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Behandlung mit Insulin detemir verringerte ebenfalls die Inzidenz von bestätigten Hypoglykämien und bestätigten nächtlichen Hypoglykämien.

Informationen zu patientenrelevanten Endpunkten wie Gesamtmortalität, diabetesbedingte Folgeerkrankungen, gesundheitsbezogene Lebensqualität und sozioökonomische Auswirkungen waren in fast allen berücksichtigten Studien unzureichend oder fehlten. Bei denjenigen Endpunkten, für die einige Daten verfügbar waren, gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen der Behandlung mit Insulin glargin oder Insulin detemir und der Behandlung mit NPH-Insulin. In Bezug auf die Gewichtszunahme gab es keine eindeutigen Unterschiede zwischen Insulinanaloga und NPH-Insulin.

Die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen war bei Patienten, die mit Insulin glargin oder Insulin detemir behandelt wurden, vergleichbar mit den Patienten, die NPH-Insulin erhielten.

Es wurden keine Studien gefunden, in denen ultra-langwirksames Insulin glargin U300 oder Insulin degludec mit NPH-Insulin verglichen wurde.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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