Kernaussagen
- Bei Menschen mit Mundhöhlenkrebs erhöht die elektive operative Entfernung von Halslymphknoten (gleichzeitig mit der Entfernung des Primärtumors) wahrscheinlich die Überlebensrate im Vergleich zur späteren Operation zu dem Zeitpunkt, wenn die Halslymphknoten vom Krebs befallen sind. Außerdem verringert die elektive Entfernung das Wiederauftreten von Krebs, kann aber das Risiko unerwünschter Wirkungen erhöhen.
- Künftige Studien über die chirurgische Behandlung von Krebserkrankungen im Mund- und Rachenraum sollten die Ergebnisse nach der Lage des Primärtumors differenzieren und die Lebensqualität sowie die mit der Operation verbundenen Einschränkungen messen.
Was ist der Hintergrund dieses Reviews?
Krebserkrankungen der Mundhöhle und des Rachens treten immer häufiger auf und sind sehr schwer zu heilen. Die Behandlung kann eine Operation, eine Chemotherapie, eine Strahlentherapie oder eine Kombination davon umfassen. Bei Menschen mit Mundhöhlenkrebs ist die Entfernung der Lymphknoten (kleine Drüsen, die Krebszellen und andere Fremdstoffe filtern) manchmal Teil der Behandlung; dies wird als Neck Dissection (ND) bezeichnet. Chirurg*innen entfernen manchmal Lymphknoten, die frei von Krebs zu sein scheinen, während sie den ursprünglichen Tumor entfernen (elektive Neck Dissection). Andere Chirurg*innen verfolgen einen "beobachten und abwarten"-Ansatz und entfernen Lymphknoten, wenn sie bösartig werden. Die Art der Dissektion kann eine radikale ND sein, bei der alle Lymphknoten entfernt werden, oder eine selektive ND, bei der nur erkrankte Knoten entfernt werden. Eine Möglichkeit, um festzustellen, ob der Lymphknoten erkrankt ist, ist die Durchführung einer Lymphknotenbiopsie.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten wissen, welche chirurgischen Behandlungen am ehesten dazu führen, dass Menschen mit Mund- und Rachenkrebs länger leben (Gesamtüberleben), länger ohne Symptome leben (krankheitsfreies Überleben) und dass der Krebs nicht an derselben Stelle wieder auftritt (lokoregionales Rezidiv) oder auf andere Stellen übergreift (Rezidiv). Wir wollten auch wissen, ob die verschiedenen Behandlungen unerwünschte Wirkungen haben.
Wie gingen wir vor?
Wir haben nach Studien gesucht, in denen Menschen mit Mund- oder Kehlkopfkrebs nach dem Zufallsprinzip verschiedenen chirurgischen Behandlungen zugewiesen wurden. Wir haben die Merkmale und Ergebnisse der relevanten Studien zusammengefasst und unser Vertrauen in die Ergebnisse bewertet.
Was fanden wir?
Wir schlossen 15 Studien ein (vier neue Studien in dieser Aktualisierung), die neun Vergleiche verschiedener Behandlungen untersuchten. In keiner Studie wurden verschiedene Ansätze zur Entfernung des ursprünglichen (primären) Tumors verglichen. An den Studien nahmen insgesamt 2820 Personen teil.
Hauptergebnisse
Fünf Studien untersuchten die Entfernung des Primärtumors und verglichen dabei die elektive ND mit dem „beobachten und abwarten“-Ansatz bei Patient*innen mit Mundkrebs. Die Ergebnisse zeigen, dass eine elektive ND wahrscheinlich zu einem längeren Gesamtüberleben und einem längeren krankheitsfreien Überleben sowie zu einem geringeren lokoregionalen Wiederauftreten führt, aber auch zu mehr unerwünschten Wirkungen.
Zwei Studien verglichen die radikale ND mit der selektiven ND bei Patient*innen mit Mundkrebs. Es ist unklar, welche Behandlung zu besseren Ergebnissen führt.
Zwei Studien untersuchten eine begrenztere ND (superselektiv) im Vergleich zu einer selektiven ND; wir konnten die berichteten Daten nicht verwenden.
In einer Studie wurde eine selektivere ND (supraomohyoid, d.h. überhalb des Musculus omohyoideus) mit einer modifizierten radikalen ND verglichen. Wir waren nicht in der Lage, die berichteten Daten zu verwenden. Die Gruppe der modifizierten radikalen ND hatte mehr Komplikationen, mehr Schmerzen und eine schlechtere Schulterfunktion. Wir sind uns aber sehr unsicher über die Ergebnisse.
In einer Studie wurde bei allen Teilnehmenden der einen Gruppe eine Lymphknotenbiopsie durchgeführt und nur bei positivem Befund wurden die Halslymphknoten entfernt, während bei allen Teilnehmenden der anderen Gruppe die Halslymphknoten ohne Biopsie entfernt wurden. Hinsichtlich des Gesamtüberlebens, des krankheitsfreien Überlebens und des lokoregionalen Wiederauftretens gibt es möglicherweise keinen Unterschied zwischen diesen beiden Ansätzen. Es wurden keine unerwünschten Wirkungen berichtet.
Eine Studie untersuchte den Einsatz einer speziellen Untersuchung (Positronen-Emissions-Tomographie-Computertomographie (PET-CT)) nach einer kombinierten Chemo- und Strahlentherapie als Entscheidungshilfe für oder gegen eine ND im Vergleich zu einer fest geplanten ND vor oder nach einer Chemoradiotherapie. In Bezug auf das Gesamtüberleben oder das lokoregionale Wiederauftreten gibt es wahrscheinlich keinen Unterschied zwischen diesen Ansätzen. Möglicherweise gibt es keinen Unterschied bei den unerwünschten Wirkungen, aber wir sind uns bezüglich dieses Ergebnisses sehr unsicher.
Eine Studie deutet darauf hin, dass eine Operation plus Strahlentherapie möglicherweise zu einem besseren Gesamtüberleben führt als eine alleinige Strahlentherapie (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit). Ein chirurgischer Eingriff kann zu stärker verdicktem Narbengewebe führen. In Bezug auf andere unerwünschte Wirkungen gibt es möglicherweise keinen Unterschied.
In einer Studie wurde bei Patient*innen mit Kehlkopfkrebs die Operation mit einer Strahlentherapie verglichen. Möglicherweise gibt es keinen Unterschied beim Gesamtüberleben, beim krankheitsfreien Überleben oder bei unerwünschten Wirkungen. Wir sind uns über die Ergebnisse aber sehr unsicher.
Eine Studie verglich eine Operation mit anschließender Strahlentherapie mit einer anschließenden Chemotherapie. Menschen, die operiert und bestrahlt werden, leben möglicherweise länger ohne Symptome (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit).
Was sind die Einschränkungen der Evidenz?
Es gibt Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit, dass eine elektive ND gleichzeitig mit der Entfernung des Haupttumors das Überleben verbessert und die Zahl der Rezidive verringert. Nicht alle Studien berichteten Informationen zu allen Fragen, die uns interessierten.
Wir haben moderates Vertrauen darin, dass PET-CT die Überlebenszeit nicht verbessert oder die Zahl der Rezidive verringert. Es gibt zu wenige Studien, um sich über die Ergebnisse sicher zu sein.
Wir haben wenig Vertrauen in die Ergebnisse anderer Vergleiche, da es zu wenige Studien gibt und die Informationen in diesen Studien begrenzt sind.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand vom 9. Februar 2022.
T. Brugger, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland