Worum geht es?
Wenn Babys vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, gilt dies als Frühgeburt. Sie haben ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Probleme. Dazu gehören Lungenprobleme (Atemnotsyndrom), Hirnblutungen (intraventrikuläre Hämorrhagie) und Tod. Medikamente, so genannte Kortikosteroide, werden der Mutter noch während der Schwangerschaft verabreicht, damit diese Probleme nicht auftreten. Es gibt hochwertige Evidenz dafür, dass sie auch zur Vorbeugung vieler dieser Probleme wirksam sind. Diese Medikamente wirken, indem sie die Lunge des Babys vor der Geburt reifen lassen. Es gibt verschiedene Arten von Kortikosteroiden. Sie können auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichen Dosen verabreicht werden. Wir wissen zwar, dass es für das Kind vorteilhaft ist, den Müttern, bei denen das Risiko einer Frühgeburt besteht, Kortikosteroide zu geben. Aber wir wissen nicht, welche Art von Kortikosteroiden für Mutter und Kind am nützlichsten und am wenigsten schädlich ist.
Warum ist dies wichtig ?
Da es keine eindeutige oder anerkannte beste Art oder Dosis gibt, gibt es Unterschiede, wie die Krankenhäuser bei der Verabreichung dieser Medikamente vorgehen. In diesem Review wurde alle verfügbare Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien (bei denen die Behandlungen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden; diese Studien liefern in der Regel die zuverlässigste Evidenz zur Wirkung von Behandlungen) ausgewertet, um festzustellen, welches Arzneimittel und welche Art der Verabreichung für Mutter und Kind am besten geeignet sind. Wir wollten auch herausfinden, welche Wirkung die Medikamente haben, wenn die Babys zu Kindern und Erwachsenen herangewachsen sind.
Welche Evidenz fanden wir?
Wir haben am 9. Mai 2022 nach Evidenz gesucht und 18 Studien gefunden. Wir haben alle Studien auf ihre Vertrauenswürdigkeit überprüft und Studien, bei denen wir Zweifel hatten, nicht berücksichtigt. Wir schlossen 11 Studien (2494 Frauen und 2762 Babies) ein. Eine dieser Studien untersuchte mehr als 1500 Säuglinge, wurde 2013 abgeschlossen und wies ein geringes Verzerrungsrisiko auf. Die anderen Studien waren kleiner, älter und wiesen ein mittleres oder hohes Verzerrungsrisiko auf.
Neun Studien verglichen die beiden vor Frühgeburten am häufigsten eingesetzten Kortikosteroide Dexamethason und Betamethason. Für die Mutter gibt es zwar keinen Unterschied zwischen den beiden Medikamenten, aber wir konnten nicht ausschließen, dass das Infektions- und Nebenwirkungsrisiko bei Dexamethason geringer ist (Evidenz von mäßiger Qualität). Bei Säuglingen sind wir uns unsicher, ob die Wahl des Medikaments einen Einfluss auf das Sterberisiko nach Beginn der Studie hat (Evidenz von mäßiger Qualität). Die Wahl des Medikaments hat wahrscheinlich keinen oder nur einen geringen Einfluss auf das Risiko eines Atemnotsyndroms (hochwertige Evidenz) und einer chronischen Lungenerkrankung (Evidenz von mäßiger Qualität). Wir fanden, dass es möglicherweise keinen oder nur einen geringen Unterschied zwischen Dexamethason und Betamethason in Bezug auf das Risiko einer intraventrikulären Blutung gibt (Evidenz von geringer Qualität). Wir sind uns nicht sicher, ob die Wahl des Medikaments einen Einfluss auf das Risiko einer nekrotisierenden Enterokolitis (Entzündung des Dünn- und Dickdarms) hat, da diese in den Studien so selten auftrat (Evidenz von geringer Qualität).
In einer großen Studie wurde versucht, alle Kinder längerfristig zu beobachten, und Ergebnisse berichtet, als diese zwei Jahre alt waren. Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass es im Alter von zwei Jahren wahrscheinlich keinen oder nur einen geringen Unterschied im Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen (Krankheiten, die die Funktionsweise des Gehirns beeinträchtigen) gibt (Evidenz von mäßiger Qualität). Die Wahl des Medikaments macht möglicherweise nur einen geringen oder gar keinen Unterschied hinsichtlich bestimmter Endpunkte zur Entwicklung wie Hörbehinderung, Entwicklungsverzögerungen oder Lernschwierigkeiten (jeweils Evidenz von mäßiger Qualität). Es ist unklar, ob die Wahl des Medikaments einen Unterschied hinsichtlich Sehbehinderungen macht (Evidenz von geringer Qualität). Wir wissen auch nicht, ob Dexamethason das Risiko für eine Zerebralparese (d.h. Störungen, die die Fähigkeit zur Bewegung und zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und der Körperhaltung beeinträchtigen) erhöht. In der einen Studie, die sich mit dieser Frage befasste, gab es nur wenige solche Fälle. Wir benötigen Informationen von mehr Kindern, um die Unterschiede zwischen diesen Arzneimitteln in Bezug auf diesen Endpunkt genauer zu beurteilen (Evidenz von geringer Qualität).
Drei Studien verglichen verschiedene Arten, Kortikosteroide zu verabreichen, miteinander. In einer Studie wurden zwei Verabreichungsarten von Dexamethason verglichen (durch den Mund oder in den Muskel gespritzt). In einer weiteren Studie wurden verschiedene Präparate von Betamethason verglichen und in einer dritten unterschiedliche Zeitabstände zwischen den Betamethason-Gaben. Da diese Studien klein waren und ein mäßiges Verzerrungsrisiko aufwiesen, wissen wir nicht, ob ihre Ergebnisse einen guten Hinweis darauf geben, wie diese Arzneimittel am besten zu verabreichen sind.
Was bedeutet das?
Obwohl wir festgestellt haben, dass die Wirkungen von Dexamethason und Betamethason für viele Endpunkte wahrscheinlich ähnlich sind, bleibt unsicher, welches Kortikosteroid im Zusammenhang mit der Frühgeburt das beste ist. Wir haben keine Studien gefunden, in denen die Wirkung dieser Medikamente über das zweite Lebensjahr hinaus untersucht wurde, so dass wir uns nicht zu ihrer langfristigen Wirkung auf die Gesundheit des Kindes äußern können.
Wir haben nur wenig Evidenz dafür gefunden, wie Kortikosteroide am besten zu verabreichen sind, so dass wir nicht sagen können, ob eine Methode besser ist als eine andere.
Wir brauchen mehr Studien, um herauszufinden, welches das beste Medikament ist und wie man es am besten verabreicht. Die Babys in diesen Studien müssen über einen langen Zeitraum beobachtet werden, um mögliche Auswirkungen auf die Entwicklung im Kindes- und Erwachsenenalter zu erkennen.
S. A. Genier, A. Walther freigegeben durch Cochrane Schweiz. Unterstützt von Fondation SANA (www.fondation-sana.ch)