Klinische Auswirkungen der Risiko-Abschätzung für Herz-Kreislauf-Ereignisse bei Menschen ohne bestehende Herz-Kreislauferkrankungen

Reviewfrage

Welche Evidenz gibt es zum potenziellen klinischen Nutzen und Schaden der Bereitstellung von Risikoscores für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (cardiovascular disease, CVD) bei Menschen ohne Vorgeschichte von Herzerkrankungen oder Schlaganfällen?

Hintergrund

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind eine Gruppe von Krankheiten, zu denen Herzkrankheiten und Schlaganfälle gehören. Die Leitlinien zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betonen die Bedeutung von Risikoscores – Berechnungsmodellen, die anhand klinischer Variablen das Risiko eines ersten Herzinfarkts oder Schlaganfalls abschätzen und so die Entscheidungsfindung bei der Behandlung in der Allgemeinbevölkerung unterstützen. Trotz der intensiven Bemühungen um die Entwicklung verschiedener CVD-Risikoscores bleibt unklar, welche Auswirkungen deren Anwendung in der klinischen Praxis hat.

Das Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit war es, die Auswirkungen der Verwendung von CVD-Risikoscores bei Erwachsenen ohne vorherige Herz- oder Schlaganfallerkrankung auf kardiovaskuläre Endpunkte, Risikofaktoren, die Verschreibung präventiver Medikamente sowie das Gesundheitsverhalten zu untersuchen.

Studienmerkmale

Wir suchten in wissenschaftlichen Datenbanken nach randomisierten Studien (klinische Studien, in denen Menschen nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Behandlungsgruppen zugeordnet werden), in denen Erwachsenen ohne Vorgeschichte von Herzerkrankungen oder Schlaganfällen entweder CVD-Risikoscores oder die übliche Versorgung angeboten wurden. Die Evidenz ist auf dem Stand von März 2016. Die meisten Studien wurden von öffentlichen Institutionen oder Pharmaunternehmen finanziert.

Hauptergebnisse

Wir identifizierten 41 Studien mit 194.035 Teilnehmenden. Viele der Studien wiesen Einschränkungen auf. Evidenz von geringer Qualität deutet darauf hin, dass die Bereitstellung von CVD-Risikoscores nur geringe oder gar keine Auswirkungen auf die Zahl der Personen hat, die eine Herzerkrankung oder einen Schlaganfall entwickeln. Die Bereitstellung von CVD-Risikoscores trägt möglicherweise dazu bei, die Werte von CVD-Risikofaktoren wie Cholesterin, Blutdruck und das multivariable CVD-Risiko leicht zu senken. Zudem führt sie möglicherweise zu einer häufigeren Verschreibung von cholesterin- und blutdrucksenkenden Medikamenten bei Personen mit erhöhtem Risiko. Die Bereitstellung von CVD-Risikoscores verringert möglicherweise negative Folgen. Allerdings waren die Ergebnisse ungenau.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für die Verwendung von CVD-Risikoscores in der klinischen Praxis ist niedrig. Die Studien wiesen zahlreiche Einschränkungen auf und verwendeten unterschiedliche Methoden zur Ermittlung von CVD-Risikoabschätzungen. Es ist wahrscheinlich, dass weitere Forschung diese Ergebnisse beeinflussen wird.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, M. Zeitler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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