Fragestellung
Vitamin A ist ein fettlösliches Vitamin, das in Leber, Niere, Eiern und Milchprodukten enthalten ist. Durch eine fettarme Ernährung oder Darminfektionen kann die Vitamin-A-Aufnahme beeinträchtigt werden. Natürlich vorkommende Retinoide werden im Körper für eine Vielzahl biologischer Prozesse benötigt, wie Sehen, Immunabwehr, Knochenstoffwechsel und Blutbildung. Während der Schwangerschaft könnte eine zusätzliche Aufnahme von Vitamin A benötigt werden. Derzeit empfehlen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und weitere internationale Einrichtungen die routinemäßige zusätzliche Aufnahme von Vitamin A in der Schwangerschaft und Stillzeit für endemische Gebiete mit Vitamin-A-Mangel (in denen Nachtblindheit auftritt).
Bedeutung
Es wird vermutet, dass eine geringe Vitamin-A-Aufnahme im Zusammenhang mit Komplikationen in der Schwangerschaft stehen könnte, wie Tod von Mutter oder Säugling, vermehrten Infektionen bei Mutter oder Säugling, niedrigen Eisenwerten bei Mutter oder Säugling oder mit einer der folgenden Komplikationen bei der Geburt: Frühgeburt, geringes Geburtsgewicht oder angeborene Anomalie.
Gefundene Evidenz
In diesen Review wurden 19 Studien mit mehr als 310.000 Frauen eingeschlossen. Sieben der Studien wurden in Afrika durchgeführt, sechs in Indonesien, zwei in Bangladesch und jeweils eine in Nepal, China, Indien, dem Vereinigten Königreich und den USA. Die meisten Studien wurden in Populationen durchgeführt, in denen ein Vitamin-A-Mangel vorherrscht (mit Ausnahme der USA und des Vereinigten Königreichs). Das Risiko für Bias war in den meisten Studien insgesamt niedrig bis unklar, die gefundene Evidenz war von moderater bis hoher Qualität. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass durch die routinemäßige Nahrungsergänzung mit Vitamin A (einzeln oder in Kombination mit weiteren Zusatzstoffen) während der Schwangerschaft keine Reduzierung der Todesfälle bei Müttern oder Neugeborenen erfolgte. Es liegt Evidenz von guter Qualität vor, dass durch die Einnahme von Vitamin A vor der Geburt die Fälle von Schwangerschaftsanämie bei Frauen gemindert werden können, die in Gebieten mit Vitamin-A-Mangelleben oder HIV-positiv sind. Die bisher veröffentlichten Studien enthalten keine Angaben zu Nebenwirkungen oder unerwünschten Ereignissen. Die verfügbare Evidenz legt eine Reduzierung der mütterlichen Infektionen nahe, doch diese Daten weisen keine hohe Qualität auf und es wären weitere Studien nötig, um dieses Ergebnis zu bestätigen oder zu widerlegen.
Schlussfolgerungen
Die nahrungsergänzende Einnahme von Vitamin A während der Schwangerschaft ist nicht geeignet, um einem (schwangerschaftsbezogenen) Tod der Mutter, perinatalen Kindstod oder Tod des Neugeborenen vorzubeugen. Auch weiteren möglichen Problemen, wie Fehlgeburten, Frühgeburten, geringem Geburtsgewicht oder Neugeborenenanämie kann durch die nahrungsergänzende Einnahme von Vitamin A während der Schwangerschaft nicht vorgebeugt werden. Das Risiko für Schwangerschaftsanämie, mütterliche Infektionen und mütterliche Nachtblindheit wird jedoch gesenkt.
Aktuell zeigen die gepoolten Ergebnisse dreier großer Studien in Nepal, Ghana und Bangladesch (mit über 153.000 Frauen) keinen Nutzen einer Vitamin-A-Nahrungsergänzung in der Schwangerschaft, um Mütter- und Neugeborenensterblichkeit zu senken. Jedoch war wahrscheinlich der Vitamin-A Grundstatus der Frauen unterschiedlich und es traten Probleme bei der Nachbeobachtung der Frauen auf. Es liegt Evidenz von guter Qualität vor, dass durch die Einnahme von Vitamin A in der Schwangerschaft die Fälle von mütterlicher Nachtblindheit und mütterliche Anämie bei Frauen gemindert werden können, die in Gebieten mit Vitamin-A-Mangel leben oder HIV-positiv sind. Zudem scheint die verfügbare Evidenz darauf hinzuweisen, dass Infektionsraten bei Müttern gesenkt werden können, aber die Daten weisen keine hohe Qualität auf.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt während der Schwangerschaft die routinemäßige Einnahme von Vitamin A in Gebieten mit endemischem Vitamin-A-Mangel (wo Nachtblindheit auftritt). Dies basiert auf der Annahme, dass diese Nahrungsergänzung mütterliche und kindliche Endpunkte einschließlich Sterblichkeit, Krankheit und die Prävention von Anämie oder Infektion verbessern kann.
Die Wirkung der Nahrungsmittelergänzung durch Vitamin A, oder eines Derivates, allein oder in Kombination mit anderen Vitaminen und Mikronährstoffen während der Schwangerschaft auf die klinischen Endpunkte für Mütter und Neugeborene zu untersuchen.
Wir suchten im Cochrane Pregnancy and Childbirth Group’s Trials Register (30. März 2015) und in Literaturverzeichnissen der identifizierten Studien.
Alle randomisierten oder quasi-randomisierten Studien, eingeschlossen cluster-randomisierte Studien, welche die Wirkung von Vitamin-A-Supplementierung bei schwangeren Frauen untersuchen.
Zwei Review-Autoren beurteilten unabhängig voneinander die Studien auf Einschluss und das Risiko für Bias, extrahierten die Daten und prüften sie auf Genauigkeit.
Wir sahen 106 Berichte von 35 Studien, die zwischen 1931 und 2015 veröffentlicht wurden durch. Wir schlossen 19 Studien ein, an denen über 310.000 Frauen teilnahmen, wir schlossen 15 Studien aus und eine Studie war noch nicht abgeschlossen. Insgesamt wurden sieben Studien mit niedrigem Risiko für Bias und drei mit hohem Risiko für Bias bewertet und für neun Studien war es unklar.
1) Vitamin A allein versus Placebo oder keiner Behandlung
Wenn Studienergebnisse gepoolt werden, hat die Vitamin-A-Nahrungsergänzung insgesamt keine Wirkung auf die Müttersterblichkeit. (relatives Risiko (RR) 0,88, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,65 bis 1,20; vier Studien Ghana, Nepal, Bangladesch, Großbritannien hohe Qualität der Evidenz), Perinatalsterblichkeit (RR 1,01, 95% KI 0,95 bis 1.07; eine Studie, hohe Qualität der Evidenz), Neugeborenensterblichkeit, Fehl-/Totgeburt, Anämie des Neugeborenen, Frühgeburt (RR 0,98, 95% KI 0,94 bis 1,01, fünf Studien, hohe Qualität der Evidenz), oder auf das Risiko eines niedrigen Geburtsgewichts.
Vitamin-A-Supplementierung senkt das Risiko der mütterlichen Nachtblindheit (RR 0,79, 95% KI 0,64 bis 0,98; zwei Studien). Es gibt Evidenz dafür, dass die Gabe von Vitamin A klinische Infektionserkrankungen bei Müttern reduzieren könnte (RR 0,45, 95% KI 0,20 bis 0,99, fünf Studien; Südafrika, Nepal, Indonesien, Tansania, Großbritannien, niedrige Qualität der Evidenzals auch mütterliche Anämie (RR 0,64, 95% KI 0,43 bis 0,94; drei Studien, moderate Qualität der Evidenz).
2) Vitamin A allein versus Mikronährstoffergänzungen ohne Vitamin A
Vitamin A allein verglichen mit Mikronährstoffergänzungen ohne Vitamin A senkt die Zahl der klinischen Infektionserkrankungen bei Müttern nicht (RR 0,99, 95% KI 0,83 bis 1,18, zwei Studien, 591 Frauen). Keine anderen primären oder sekundären Endpunkte wurden berichtet.
3) Vitamin A mit anderen Mikronährstoffen versus Mikronährstoffergänzungen ohne Vitamin A
Vitamin-A-Supplementierung (mit anderen Mikronährstoffen) senkt nicht die Perinatalsterblichkeit (RR 0,51, 95% KI 0,10 bis 2,69; eine Studie, niedrige Qualität der Evidenz ), mütterliche Anämie (RR 0,86, 95% 0,68 bis 1,09, drei Studien, niedrige Qualität der Evidenz), klinische Infektionserkrankungen bei Müttern (RR 0,95, 95% 0,80 bis 1,13; I² = 45%, zwei Studien, niedrige Qualität der Evidenzoder Frühgeburt (RR 0,39, 95% KI 0,08 bis 1,93; eine Studie, niedrige Qualität der Evidenz).
In einer Studie mit HIV-positiven Frauen konnte der Zusammenhang von Vitamin-A-Nahrungsergänzung zusammen mit anderen Mikronährstoffen und weniger Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht (<2,5kg) aufgezeigt werden (RR 0,67, 95% KI 0,47 bis 0,96; eine Studie, 594 Frauen).
I. Noack, G. Krüger, freigegeben durch Cochrane Deutschland.