Worum geht es?
Wenn ein Ungeborenes nicht genügend Sauerstoff oder Nahrung bekommt, stehen zwei Optionen zur Wahl: Sofortige Entbindung nach Abschluss einer Behandlung mit Steroiden, welche die Lungenreifung des Kindes unterstützen, oder Abwarten solange es für sicher gehalten wird. Dieser Review untersucht, welche Option für Mütter und Kinder die bessere ist.
Warum ist das wichtig?
Beim Abwarten kann sich das Kind so weit wie möglich weiter entwickeln und Risiken, die mit einer Frühgeburt zusammenhängen, werden gesenkt. Frühgeborene neigen eher zu Atemproblemen, niedriger Körpertemperatur, einem niedrigen Blutzuckerspiegel, Infektionen und zu Gelbsucht. Verbleibt das Kind dagegen im Mutterleib, können die lebenswichtigen Organe des Kindes unter Sauerstoffmangel leiden.
Welche Evidenz haben wir gefunden?
Wir suchten am 30. April 2016 nach Evidenz. Dieser Review enthält eine randomisierte Studie, die 548 Schwangere (und 588 Kinder) zwischen der 25. und 37. Schwangerschaftswoche umfasst. Die Studie fand in 13 Ländern Europas zwischen 1993 und 2001 statt. Schwangere wurden gebeten an der Studie teilzunehmen, wenn ihr Arzt sich um das Kind Sorgen machte, aber unsicher war, ob eine sofortige Entbindung das Beste wäre. Die Frauen wurden nach dem Zufallsprinzip aufgeteilt in eine Gruppe für die sofortige Entbindung oder in eine Gruppe, die den Zeitpunkt für die Entbindung nach ärztlichem Ermessen abwarten kann. Das Studiendesign wies Probleme auf, welche die Ergebnisse beeinflusst haben könnten: Frauen und Ärzte wussten über die Gruppenzugehörigkeit Bescheid, einige Familien beendeten ihre Studienteilnahme und in der Analyse wurden Zwillinge als einzelne Kinder unabhängig voneinander behandelt. Für die wichtigsten Endpunkte war die Evidenz von moderater Qualität. Frauen nahmen nur an der Studie teil, wenn ihr Arzt unsicher war, ob das Kind sofort entbunden werden musste oder nicht. Wir wissen nicht, ob die Ergebnisse auch für Situationen gültig sind, in denen der Arzt eine sofortige Entbindung oder aber Abwarten bevorzugt.
Die meisten Kinder mit aufgeschobener Entbindung blieben vier Tage länger in der Gebärmutter als Kinder mit sofortiger Entbindung. Mehr Frauen mit sofortiger Entbindung hatten einen Kaiserschnitt (hohe Qualität der Evidenz) und mehr Kinder, die sofort entbunden wurden, benötigten mechanische Atemunterstützung für mehr als 24 Stunden. Die Anzahl der Kinder, die verstarben (um die Geburt oder in den Tagen und Monaten danach) unterschied sich nicht zwischen sofortiger und aufgeschobener Entbindung (moderate Qualität der Evidenz). Es gab auch keinen deutlichen Unterschied in der Anzahl der Kinder, die klinische Probleme wie Hirnblutungen aufwiesen, die mit einer Frühgeburt zusammenhängen. Die Anzahl von Kindern mit Zerebralparese im Alter von zwei Jahren war nach sofortiger Entbindung höher, aber es gab keinen Unterschied bei neurologischen Entwicklungsstörungen mit oder nach zwei Jahren, bei Tod oder Behinderung mit zwei Jahren (moderate Qualität der Evidenz) und bei Tod oder Behinderung in der Kindheit (sechs bis 13 Jahre). Über einige wichtige Endpunkte wie zum Beispiel Verlegung der Kinder auf die Intensivstation und Atembeschwerden wurde nicht berichtet. Es war uns nicht möglich, die Gesamtzahl der erkrankten Kinder festzustellen, da einige Kinder mit Krankheiten mehr als einmal gezählt sein könnten.
Was bedeutet das?
Bei unreifen Kindern mit Verdacht auf Gefährdung des Ungeborenen und bestehender Ungewissheit darüber, ob sofort entbunden werden sollte oder nicht, scheint die sofortige Entbindung keinen Nutzen zu bieten.
Da es nur eine Studie gibt und sie Mängel aufweist, muss diese Evidenz vorsichtig interpretiert werden. Wir wissen immer noch nicht, wie lange man am besten abwartet und ob Abwarten in bestimmten Schwangerschaftswochen besser ist oder unter bestimmten Bedingungen gefährlich ist. Bessere Methoden zur Diagnostik, können uns ebenfalls in der Entscheidung unterstützen, wann das Kind am besten geboren werden sollte.
Die aufgeschobene Entbindung kann für Mütter und Kinder von Vorteil sein, aber weitere große Studien werden benötigt, um zu überprüfen, ob es einen Unterschied bei seltenen Endpunkten wie beispielsweise der Anzahl von Todesfällen von Kindern gibt. Zukünftige Studien sollten eine hohe Qualität aufweisen und über alle wichtigen Endpunkte berichten.
C. Berger, C. Loytved, freigegeben durch Cochrane Schweiz