Worum geht es?
In der Austreibungsphase wird Frauen häufig geraten, zu Beginn jeder Presswehe tief Luft zu holen und während der gesamten Wehendauer zu pressen (diese Technik wird auch Powerpressen genannt). Beim spontanen Pressen dürfen die Frauen ihren eigenen Instinkten folgen und schieben in der Regel drei- bis fünfmal pro Wehe mit. Beim verzögerten Pressen werden die Frauen angewiesen, erst dann zu pressen, wenn sie dem Pressdrang nicht mehr standhalten können oder wenn die Leitstelle (der am tiefsten stehende Teil des Kindes) den Damm erreicht hat.
Warum ist das wichtig?
Wir müssen die Vorteile und die möglichen Nachteile verschiedener Techniken des mütterlichen Pressens/Atmens während der Austreibungsphase für mütterliche und kindliche Endpunkte kennen.
Welche Evidenz haben wir gefunden?
Wir suchten am 19. September 2016 nach Evidenz und fanden acht Studien (884 Frauen), in denen spontanes Pressen und Powerpressen mit oder ohne Epiduralanästhesie miteinander verglichen wurden, und 13 Studien (2879 Frauen), in denen das verzögerte Pressen mit dem sofortigen Pressen unter Epiduralanästhesie verglichen wurde. Die Qualität der Evidenz in diesem aktualisierten Review reicht von moderat bis sehr niedrig.
Vergleich 1: Spontanes Pressen im Vergleich mit Powerpressen
Bei den Arten des Pressens (spontanes Pressen im Vergleich mit Powerpressen) gab es keinen eindeutigen Unterschied bezüglich der Dauer der Austreibungsphase (Evidenz von sehr niedriger Qualität), Dammrissen (Evidenz von niedriger Qualität), Episiotomien (Dammschnitten), Dauer des Pressens (Evidenz von sehr niedriger Qualität) oder der Anzahl der Frauen, die spontan vaginal entbanden (Evidenz von moderater Qualität) zwischen den Frauen, die spontan pressten, und denen, die angeleitet wurden. Bei den kindlichen Endpunkten (wie ein Apgar-Wert unter sieben nach fünf Minuten [Evidenz von sehr niedriger Qualität], Einweisung in die Neugeborenenintensivstation [Evidenz von sehr niedriger Qualität]) gab es ebenfalls keine eindeutigen Unterschiede. Keine der Studien berichtete über den Endpunkt der hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie (Schädigung des Gehirns durch Sauerstoffmangel) beim Neugeborenen.
Vergleich 2: Verzögertes Pressen im Vergleich mit sofortigem Pressen (mit Epiduralanästhesie)
Im Hinblick auf den Zeitpunkt des Pressens (verzögertes Pressen im Vergleich mit sofortigem Pressen, alle Frauen unter Epiduralanästhesie) kam es beim verzögerten Pressen zu einer Verlängerung der Austreibungsphase um etwa 56 Minuten (Evidenz von sehr niedriger Qualität). Es bestand kein eindeutiger Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich Dammrissen (Evidenz von moderater Qualität) und Dammschnitten. Verzögertes Pressen verkürzte die Pressdauer um etwa 19 Minuten (Evidenz von sehr niedriger Qualität) und erhöhte leicht die Anzahl der Frauen, die eine spontane vaginale Geburt erlebten (Evidenz von moderater Qualität). Es gab keine eindeutigen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen im Hinblick auf wichtige Endpunkte für das Neugeborene: Apgar-Wert unter sieben nach fünf Minuten (Evidenz von sehr niedriger Qualität), Einweisung in die Neugeborenenintensivstation (Evidenz von niedriger Qualität). Keine der Studien berichtete über Säuglinge mit Hirnschäden aufgrund von Sauerstoffmangel als Endpunkt. Darüber hinaus kam es bei verzögertem Pressen häufiger zu einem niedrigen pH-Wert des Nabelschnurbluts und die Versorgungskosten während der Geburt lagen um 68,22 CAD höher.
Was bedeutet das?
Wir können nicht sagen, ob spontanes Pressen oder Powerpressen die bessere Methode ist. Bis weitere hochwertige Studien zur Verfügung stehen, sollten Frauen dazu ermuntert werden, nach eigenem Wohlbefinden und eigenen Vorlieben zu pressen.
Das Verzögern des Pressvorgangs bei Frauen mit Epiduralanästhesie verkürzt die Pressdauer während der Geburt und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer spontanen vaginalen Entbindung. Es verlängert jedoch gleichzeitig die Dauer der Austreibungsphase. Die möglichen Wirkungen auf wichtige Endpunkte beim Neugeborenen und auf die Verletzung des mütterlichen Damms (schwere Risse) sind noch unklar. Die Evidenz ist daher immer noch unzureichend und nicht schlüssig genug, um eine Indikation für einen bestimmten Zeitpunkt für das Pressen zu unterstützen; auch gibt es keine schlüssige Evidenz dafür, welche Art des Pressens in der klinischen Praxis geeignet wäre.
Weitere gut konzipierte randomisierte kontrollierte Studien sind erforderlich, um mehr evidenzbasierte Daten zu erheben. Jene Studien sollten klinisch bedeutsame mütterliche und kindliche Endpunkte untersuchen und werden vollständigere Daten liefern, die in eine zukünftige Aktualisierung dieses Reviews aufgenommen werden können.
S. Schmidt-Wussow, freigegeben durch Cochrane Deutschland