Hintergrund
Ziel dieses Cochrane-Reviews war es, die Alltagswirksamkeit psychosozialer Maßnahmen bei der Behandlung von Menschen zu messen, die Benzodiazepine (BZD) auf gesundheitsschädliche Weise verwenden, missbrauchen oder davon abhängig sind. BZD sind Arzneimittel, die zur Behandlung von Menschen mit Angststörungen, Panikstörungen, Schlaflosigkeit und einer Reihe weiterer Erkrankungen eingesetzt werden. Die Einnahme von BZD über längere Zeiträume wird allgemein nicht empfohlen und kann zu körperlicher und psychologischer Abhängigkeit und Entzugssymptomen bei Dosisverringerungen oder Absetzen führen. Frühere systematische Reviews zu anderen Drogen wie Heroin, Kokain oder Alkohol gaben Hinweise auf den Nutzen von psychosozialen Maßnahmen zur Verminderung solcher Substanzen. Es gab bisher noch keinen Cochrane-Review über psychosoziale Maßnahmen zur Verringerung des BZD-Gebrauchs.
Studienmerkmale
Wir durchsuchten elektronische Datenbanken und führten Handsuchen durch, um alle Studien (bis Dezember 2014) zu identifizieren und zu begutachten, in denen die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer aktiven Behandlungsgruppe mit einer psychosozialen Maßnahme oder einer Kontrollgruppe ohne Maßnahme oder mit Regelversorgung zugewiesen wurden. Wir schlossen 25 Studien mit insgesamt 1666 Teilnehmern ein, die diese Kriterien erfüllten. Zwei psychosoziale Methoden, im Einzelnen die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) (11 Studien, 575 Teilnehmer) und die motivierende Gesprächsführung (Motivational Interviewing, MI) (4 Studien, 80 Teilnehmer) waren von ausreichend guter Qualität und hinreichend ähnlich, um Meta-Analysen vorzunehmen. Die anderen eingeschlossenen Studien (10 Studien, 1042 Teilnehmer) unterzogen wir keiner Meta-Analyse. In diesen kleineren Studien kamen verschiedene Ansätze zum Einsatz, darunter ein persönlich zugeschnittener Brief und ein standardisiertes Gespräch zwischen Patienten und dem ihnen verordnenden Hausarzt sowie Entspannungstechniken.
Hauptergebnisse
Wir stellten fest, dass die KVT-Studien einen kurzfristigen Nutzen zeigten, wenn sie in der Ausschleichphase des Medikaments durchgeführt wurden; der Nutzen hielt jedoch nicht länger als drei Monate an. Die MI-Studien lieferten keine Argumente für den Einsatz von motivierender Gesprächsführung zur Verringerung der BDZ-Einnahme.
Drei kleinere Studien lieferten vielversprechende Ergebnisse. Eine Studie zeigte, dass persönlich zugeschnittene Briefe von Hausärzten an ihre Patienten im Vergleich zu Standardbriefen von Hausärzten die Patienten dazu anregten, die Einnahme von BZD zu verringern oder das Medikament ganz abzusetzen (eine Studie, 322 Teilnehmer). Bei der Nachuntersuchung nach 12 Monaten sprach die Evidenz deutlich für den persönlichen Brief: Hier lag die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch wie beim Standardbrief, dass der Patient das Medikament ganz absetzte. Eine Studie mit 139 Teilnehmern, in der ein standardisiertes Gespräch plus Ausschleichen des Medikaments mit der Regelversorgung verglichen wurde, zeigte einen Nutzen sowohl beim Absetzen als auch bei der Verringerung von BZD nach sechs und zwölf Monaten, jedoch nicht nach 36 Monaten. Eine Studie mit 60 Teilnehmern verglich Entspannungstechniken mit Regelversorgung und zeigte bei der Nachuntersuchung nach drei Monaten eine signifikant höhere Absetzrate des BZD bei jenen Teilnehmern, die Entspannungstechniken angewandt hatten.
Andere Studien, die eine Vielzahl anderer Maßnahmen wie Selbsthilfebroschüren, Online-Beratung, Selbsthilfebroschüre plus minimale KVT oder KVT ohne Ausschleichen des Medikaments untersuchten, zeigten keinen Nutzen bei der Verringerung der BZD-Einnahme.
Aufgrund der Entscheidungen, die während der Umsetzung von Protokollmethoden für eine überschaubare Zusammenfassung der Evidenz getroffen wurden, entschlossen wir uns, keine Daten zu Lebensqualität, Selbstverletzung oder unerwünschten Ereignissen zu sammeln.
Qualität der Evidenz
Wir werteten die Qualität der Evidenz bei vielen Endpunkten in diesem Review ab. Einige Studien basierten fast ausschließlich auf den Selbstauskünften der Patienten gegenüber dem Studienpersonal; dies ist keine besonders zuverlässige Art, Endpunkte zu bestimmen, vor allem in der Forschung zum Substanzmissbrauch. Die meisten Studien hatten geringe Teilnehmerzahlen und die Ergebnisse waren z. T. widersprüchlich. Darüber hinaus stellte in vielen der kleineren Studien möglicherweise eine schlecht gewählte Festlegung der Kontrollgruppen einen verzerrenden Störfaktor (confounding) dar, indem etwa eine fortgeschrittene Ausbildung im Symptommanagement einer eingeschränkten Ausbildung gegenübergestellt wurde oder in einer anderen Studie Angstmanagement plus Entspannung mit alleiniger Entspannung oder Online-Beratung mit Beratung in einer Klinik verglichen wurde.
Schlussfolgerungen
KVT plus Ausschleichen ist kurzfristig (über drei Monate) wirksam für die Verringerung der BZD-Einnahme. Diese Wirkung hält jedoch nicht über sechs Monate und länger an. Die Möglichkeit, die KVT weiterzuführen, um eine langfristige Wirkung zu erzielen, sollte untersucht werden. Derzeit gibt es nicht genügend Evidenz, die den Einsatz von MI zur Verringerung der BZD-Einnahme stützt. Es gibt Evidenz dafür, dass ein persönlich zugeschnittener Brief des Hausarztes im Vergleich zu einem allgemeinen Brief des Hausarztes, ein standardisiertes Gespräch im Vergleich zur Regelversorgung und Entspannungstechniken im Vergleich zur Regelversorgung wirksam bei der Verringerung der BZD-Einnahme sein könnten. Derzeit gibt es nicht genügend Evidenz für andere psychosoziale Ansätze zur Verringerung der BZD-Einnahme.
Fr. Schmidt-Wussow, Koordination durch Cochrane Schweiz