Oxandrolon für mit Wachstumshormonen behandelte, bis 18-jährige Mädchen mit Turner-Syndrom

Fragestellung

Welche Auswirkungen hat die Verabreichung von Oxandrolon bei Wachstumshormonbehandelten Mädchen mit Turner-Syndrom im Alter von bis zu 18 Jahren?

Hintergrund

Beim Turner-Syndrom handelt es sich um eine genetische Erkrankung bei Mädchen, die eine Chromosomenanomalie aufweisen. Hierbei kann eines der beiden X-Chromosomen ganz oder teilweise fehlen bzw. verändert sein. Das Turner-Syndrom kann verschiedene Merkmale und Symptome aufweisen, hierzu gehört u.a. Kleinwüchsigkeit. Wachstumsstörungen in der Kindheit, die zu einer geringen Körpergröße im Erwachsenenalter führen, tragen zu sozialen und emotionalen Beeinträchtigungen bei. Ohne Behandlung sind Mädchen mit Turner-Syndrom im Durchschnitt etwa 20 cm kleiner als gesunde Jugendliche. Die Behandlung mit Wachstumshormonen steigert die Körpergröße von Mädchen mit Tuner-Syndrom im Erwachsenenalter. Wir wollten herausfinden, ob die Zugabe von Oxandrolon die endgültige Körpergröße im Erwachsenenalter noch steigern kann, und welche Auswirkungen die Kombination noch auf andere Symptome hat. Oxandrolon ist ein Androgen. Androgene sind essentielle männliche Geschlechtshormone, die auch für Frauen wichtig sind.

Studienmerkmale

Wir schlossen sechs randomisierte kontrollierte Studien (klinische Studien, bei denen die Personen zufällig einer von zwei oder mehreren Behandlungsgruppen zugeteilt werden) in unseren Review ein. Die Behandlungen dauerten zwischen drei und 7,6 Jahren. Die Studienautoren verteilten insgesamt 498 Teilnehmende auf die Behandlungsgruppen, davon wurden 267 der Gruppe Oxandrolon mit Wachstumshormonen zugeteilt und 231 Teilnehmende der Gruppe, die ausschließlich die Wachstumshormon-Behandlung erhielten. Das Durchschnittsalter der Kinder lag zu Beginn der Behandlung zwischen neun und 12 Jahren.

Der Stand der Evidenz ist Oktober 2018.

Hauptergebnisse

Vergleicht man Oxandrolon plus Wachstumshormone mit Wachstumshormonen allein, war bei der Behandlungsgruppe, welche die Kombination erhielt, die endgültige Körpergröße im Erwachsenenalter um durchschnittlich 2,7 cm größer. Nur zwei Studien lieferten zuverlässige Daten zu Nebenwirkungen: Sechs von 86 (19%) Teilnehmenden, die die Kombination Oxandrolon und Wachstumshormone erhielten, verglichen mit 8 von 84 (10%) Teilnehmenden, denen nur die Wachstumshormone verabreicht wurden, berichteten über Nebenwirkungen. Diese waren hauptsächlich Anzeichen männlicher körperlicher Entwicklung (z.B. Vertiefung der Stimme). Eine Studie untersuchte die Auswirkungen der Behandlungen auf die Sprache, den Prozess des Wissenserwerbs und des Verstehens (Kognition) sowie den mentalen und emotionalen (psychologischen) Status. Die Gesamtergebnisse für diese Auswirkungen waren nicht eindeutig. In keiner Studie wurde die Zufriedenheit der Personen mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit gemessen bzw. auch die Zahl der Todesfälle aufgrund verschiedener Ursachen erhoben.

Qualität der Evidenz

Bezüglich der Nebenwirkungen und Auswirkungen auf die Sprache, Kognition und den psychologischen Status sind wir uns unsicher bis sehr unsicher, vor allem aufgrund der geringen Anzahl Studien und Teilnehmender sowie der vagen Ergebnisse. Was die endgültige Körpergröße im Erwachsenenalter anbetrifft, vertreten wir die Ansicht, dass weitere Forschung unser Vertrauen in die Ergebnisse wesentlich beeinflussen und die Ergebnisse möglicherweise verändern könnte.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Zugabe von Oxandrolon zur GH-Therapie führte zu einem mäßigen Anstieg der endgültigen Körpergröße im Erwachsenenalter bei Mädchen im Alter von bis zu 18 Jahren mit TS. Zu den festgestellten unerwünschten Wirkungen gehörten virilisierende Effekte wie die Vertiefung der Stimme. Allerdings war die Berichterstattung in einigen Studien mangelhaft.

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Hintergrund: 

Die endgültige Körpergröße von nicht behandelten, bis 18-jährigen Mädchen mit Turner-Syndrom (TS) im Erwachsenenalter ist um etwa 20 cm geringer als bei gesunden Frauen. Eine Behandlung mit Wachstumshormonen (GH) steigert die Körpergröße im Erwachsenenalter bei Personen mit TS. Die Auswirkungen einer Verabreichung des Androgens Oxandrolon zusätzlich zu Wachstumshormonen (GH) sind unklar. Wir führten daher diesen systematischen Review durch, um Nutzen und Schaden von Oxandrolon als adjuvante Therapie für Menschen mit TS, die mit GH behandelt werden, zu untersuchen.

Zielsetzungen: 

Untersuchung der Wirkung von Oxandrolon auf Wachstumshormonbehandelte Mädchen bis zu 18 Jahren mit Turner-Syndrom.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten die Datenbanken CENTRAL, MEDLINE, Embase, das ICTRP-Suchportal sowie ClinicalTrials.gov. Das Datum der letzten Suche war Oktober 2018. Wir nahmen keine Einschränkungen hinsichtlich der Sprache vor.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte klinische Studien (RCTs) mit Mädchen im Alter von bis zu 18 Jahren mit TS ein, die mit GH und Oxandrolon bzw. nur mit GH behandelt wurden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Drei Review-Autoren überprüften unabhängig voneinander die Relevanz der Titel und Abstracts, und führten die Studienauswahl, Datenextraktion und die „Risk of Bias“-Bewertung durch. Uneinigkeiten in der Bewertung wurden durch Konsens oder Rücksprache mit einem vierten Review-Autor gelöst. Die Qualität der Evidenz und Aussagekraft / Vertrauenswürdigkeit der Studien wurde unter Anwendung des GRADE-Ansatzes bewertet.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen sechs Studien mit 498 Teilnehmenden mit TS ein, 267 Teilnehmende wurden für eine Behandlung mit Oxandrolon plus GH sowie 231 Teilnehmende für eine Behandlung mit ausschließlich GH randomisiert. Die individuelle Stichprobengröße der Studien lag zwischen 22 und 133 Teilnehmenden. Die eingeschlossenen Studien wurden in 65 verschiedenen pädiatrischen endokrinologischen Gesundheitseinrichtungen durchgeführt, darunter Kliniken, Fachzentren und akademische Einrichtungen in den USA und Europa. Die Interventionen dauerten zwischen drei und 7,6 Jahren. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag zu Beginn der Therapie zwischen neun und 12 Jahren. Insgesamt hatte gemäß unserer Beurteilung nur eine Studie in allen Bereichen ein geringes Risiko für Bias und eine weitere Studie in den meisten Bereichen ein hohes Risiko für Bias. Wir stuften das Evidenzniveau vor allem aufgrund von unzureichender Präzision (geringe Anzahl von Studien, geringe Anzahl von Teilnehmenden oder beides) herab.

Der Vergleich von Oxandrolon plus GH mit nur GH für die endgültige Körpergröße im Erwachsenenalter zeigte eine Mittelwertsdifferenz (MD) von 2,7 cm zugunsten der Behandlung mit Oxandrolon plus GH (95% Konfidenzintervall (KI) 1,3 bis 4,1; P < 0,001; fünf Studien, 270 Teilnehmende; moderate Qualität der Evidenz). Das 95% Prädiktionsintervall lag zwischen 0,3 und 5,1 cm. Bezüglich negativer Auswirkungen stützten wir unsere Hauptanalyse auf zuverlässige Daten aus zwei Studien mit insgesamt niedrigem Risiko für Bias. Es gab keine Evidenz bezogen auf einen Unterschied zwischen Oxandrolon plus GH und GH in Bezug auf unerwünschte Ereignisse (RR 1,81, 95% KI 0,83 bis 3,96; P = 0,14; zwei Studien, 170 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz). Im Vergleich zu 8/84 (9,5%) Teilnehmenden, die nur GH erhielten, berichteten sechs von 86 Teilnehmenden (18,6%), die Oxandrolon plus GH erhielten, über negative Effekte, hauptsächlich Anzeichen einer Virilisierung (z.B. Vertiefung der Stimme). Jeweils eine Studie untersuchte die Auswirkungen der Behandlungen auf die Sprache (Stimmfrequenz; 88 Teilnehmende), die Kognition (51 Teilnehmende) und den psychologischen Status (106 Teilnehmende). Die Gesamtergebnisse für diese Vergleiche waren nicht eindeutig (sehr niedrige Qualität der Evidenz). Keine Studie berichtete über gesundheitsbezogene Lebensqualität oder Gesamtmortalität.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Davia, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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