Kognitive Verhaltenstherapie bei Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Hintergrund

Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten, aufmerksam zu sein, sich zu konzentrieren, mit Hyperaktivität umzugehen (z. B. beim Warten in Warteschlangen) und mit dem Handeln ohne nachzudenken (d. h. Impulsivität). Bei Erwachsenen beeinflusst ADHS signifikant die soziale Interaktion, die Lern- und Arbeitsleistung.

Frühere Studien legen nahe, dass eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) in der Behandlung von Erwachsenen mit ADHS wirksam sein könnte, insbesondere wenn sie mit einer pharmakologischen (d. h. medikamentösen) Therapie kombiniert wird. KVT zielt darauf ab, die Gedanken und Verhaltensweisen, die die schädlichen Auswirkungen der Störung verstärken, zu verändern, indem den Menschen Techniken beigebracht werden, um die Kernsymptome zu kontrollieren. KVT zielt auch darauf ab, Menschen zu helfen, mit Emotionen, wie Angst und Depression, umzugehen und das Selbstwertgefühl zu verbessern.

Fragestellung

Reduziert KVT allein oder in Kombination mit einer medikamentösen Therapie die Kernsymptome von ADHS bei Erwachsenen mehr als andere Behandlungen oder keine spezifische Behandlung?

Datum der Suche

Die Evidenz ist auf dem Stand von Juni 2017.

Studienmerkmale

Wir fanden 14 randomisierte kontrollierte Studien (Studien, in denen die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip den verschiedenen Behandlungsgruppen zugeordnet wurden), die die Wirkung von KVT bei 700 Erwachsenen mit ADHS im Alter zwischen 18 und 65 Jahren beschrieben haben. Dreizehn Studien fanden in der nördlichen Hemisphäre und eine in Australien statt.

Von den eingeschlossenen Studien verglichen drei Studien KVT mit anderen spezifischen Interventionen und sieben verglichen sie mit unspezifischen Kontrollbedingungen (unspezifische unterstützende Therapie, Warteliste oder keine Behandlung). Zusätzlich verglichen zwei Studien KVT und medikamentöse Therapie mit medikamentöser Therapie allein. Eine Studie verglich KVT mit zwei Kontrollgruppen, von denen eine Gruppe eine andere spezifische nicht-medikamentöse Therapie erhielt und die andere keine Behandlung.

Qualität der Evidenz

Aufgrund von unzureichender Präzision (d. h. ungenauen Ergebnissen), Inkonsistenz (d. h. die Ergebnisse unterscheiden sich zwischen den Studien) und methodischen Einschränkungen schätzten wir die Qualität der Evidenz der eingeschlossenen Studien als sehr niedrig bis moderat ein.

Hauptergebnisse

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass KVT die Kernsymptome von ADHS verbessern könnte, indem Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität reduziert werden.

Bei der Kombination mit medikamentöser Therapie gab es Evidenz für eine Verbesserung der allgemeinen Funktionsfähigkeit (d. h. des allgemeinen Funktionsniveaus einer Person im Leben) und eine Verringerung von Depression und Angst im Vergleich zu dem, was bei alleiniger medikamentöser Therapie beobachtet wurde.

Keine der eingeschlossenen Studien berichtete über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse. Allerdings beschrieben fünf Teilnehmer eine Art von unerwünschten Ereignissen, wie z. B. Disstress und Angstzustände.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Es gibt Evidenz von niedriger Qualität dafür, dass kognitiv-verhaltensbasierte Therapien zur kurzfristigen Behandlung von Erwachsenen mit ADHS möglicherweise nutzbringend sind. Die Verringerung wesentlicher ADHS-Symptome waren einigermaßen konsistent über die verschiedenen Vergleiche hinweg: für eine KVT plus Arzneimitteltherapie versus Arzneimitteltherapie allein und für eine KVT versus Warteliste. Es gibt Evidenz von niedriger Qualität dafür, dass eine KVT außerdem häufige sekundäre Beschwerden von Erwachsenen mit ADHS, wie Depression und Angstgefühle, möglicherweise verbessert. Allerdings ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse durch den Mangel an Nachbeobachtungsdaten, der Heterogenität der gemessenen Endpunkte und der beschränkten geografischen Lage (der Durchführungsorte; nördliche Hemisphäre und Australien) eingeschränkt. Keine der eingeschlossenen Studien berichtete über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, allerdings berichteten fünf Teilnehmer, die verschiedene Formen von KVT erhielten, eine Art von unerwünschtem Ereignis, darunter Kummer und Angstgefühle.

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Hintergrund: 

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine Entwicklungsstörung, die von Symptomen der Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität in Verbindung mit Defiziten in der exekutiven Funktion, Emotionsregulation und Motivation gekennzeichnet ist. Das Andauern einer ADHS im Erwachsenenalter ist ein ernstes klinisches Problem.

Die ADHS hat erhebliche Auswirkungen auf soziale Interaktionen und akademische und berufliche Leistungen.

Frühere Studien legen nahe, dass kognitive Verhaltenstherapien (KVT) zur Behandlung von Erwachsenen mit ADHS wirksam sein könnten - vor allem in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung. KVT zielen darauf ab, die Gedanken und das Verhalten, die die schädlichen Wirkungen der Erkrankung verstärken, zu verändern, indem sie den Betroffenen Techniken für die Kontrolle der wesentlichen Symptome vermitteln. KVT zielt auch darauf ab, Menschen zu helfen, mit Emotionen, wie Angst und Depression, umzugehen und das Selbstwertgefühl zu verbessern.

Zielsetzungen: 

Das Ziel des Reviews war die Bewertung der Wirkung von kognitiv-verhaltensbasierten Therapien zur Behandlung von ADHS bei Erwachsenen.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten ENTRAL, MEDLINE, Embase, sieben weitere Datenbanken und drei Studienregister im Juni 2017. Darüber hinaus überprüften wir Literaturlisten, führten wir Handsuchen von Kongress-Abstracts durch und kontaktierten wir Experten und Forscher im Feld.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) ein, in denen jegliche Form einer KVT für Erwachsene mit ADHS, entweder als Monotherapie oder zusammen mit einer anderen Behandlung, verglichen mit unspezifischen Kontrollbedingungen (bestehend aus unterstützenden Psychotherapien, keiner Behandlung oder dem Verbleib auf einer Warteliste) oder anderen spezifischen Interventionen, untersucht wurde.

Datensammlung und ‐analyse: 

Wir folgten dem von Cochrane empfohlenen methodischen Standardvorgehen.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 14 RCTs (700 Teilnehmer) ein, von denen 13 in der nördlichen Hemisphäre und 1 in Australien durchgeführt wurden.

Primäre Endpunkte: ADHS-Symptome

KVT versus unspezifische Kontrollbedingungen (unterstützende Psychotherapien, Verbleib auf einer Warteliste oder keine Behandlung)

- KVT versus unterstützende Psychotherapien: Eine KVT war wirksamer als eine unterstützende Therapie in der Verbesserung von Kliniker-berichteten ADHS-Symptomen (1 Studie, 81 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Qualität), nicht jedoch von selbst-berichteten ADHS-Symptomen (SMD -0,16, 95% KI -0,52 bis 0,19; 2 Studien, 122 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Qualität; kleine Effektgröße).

- KVT versus Warteliste: Eine KVT führte zu einem größeren Nutzen bei Kliniker-berichteten ADHS-Symptomen (SMD -1,22, 95% KI -2,03 bis -0,41; 2 Studien, 126 Teilnehmer; Evidenz von sehr niedriger Qualität; große Effektgröße). Ebenso fanden wir signifikante Unterschiede zugunsten einer KVT bei selbst-berichteten ADHS-Symptomen (SMD -0,84, 95% KI -1,18 bis -0,50; 5 Studien, 251 Teilnehmer; Evidenz von moderater Qualität, große Effektgröße).

KVT plus Arzneimitteltherapie versus Arzneimitteltherapie allein: Eine KVT mit Arzneimitteltherapie war wirksamer als eine alleinige Arzneimitteltherapie für Kliniker-berichtete Hauptsymptome (SMD -0,80, 95% KI -1,31 bis -0,30; 2 Studien, 65 Teilnehmer; Evidenz von sehr niedriger Qualität; große Effektgröße), selbst-berichtete Hauptsymptome (MD -7,42 Punkte, 95% KI -11,63 Punkte bis -3,22 Punkte; 2Studien, 66 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Qualität) und selbst-berichtete Unaufmerksamkeit (1 Studie, 35 Teilnehmer).

KVT versus andere Interventionen, die therapeutische, speziell auf ADHS abzielende Inhalte enthalten: wir fanden einen signifikanten Unterschied zugunsten einer KVT für Kliniker-berichtete ADHS-Symptome (SMD -0,58, 95% KI -0,98 bis -0,17; 2 Studien, 97 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Qualität; moderate Effektgröße) und für die Schwere von selbst-berichteten Symptomen (SMD -0,44, 95% KI -0,88 bis -0,01; 4 Studien, 156 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Qualität; kleine Effektgröße).

Sekundäre Endpunkte

KVT versus unspezifische Kontrollbedingungen: wir fanden Unterschiede zugunsten einer KVT verglichen mit einer Wartelistenkontrollgruppe für selbst-berichtete Depressionen (SMD -0,36, 95% KI -0,60 bis -0,11; 5 Studien, 258 Teilnehmer; kleine Effektgröße) und für selbst-berichtete Angstgefühle (SMD -0,45, 95% KI -0,71 bis -0,19; 4 Studien, 239 Teilnehmer; kleine Effektgröße). Zusätzlich beobachteten wir Unterschiede zugunsten einer KVT für selbst-berichtete Wut (State Anger; 1 Studie, 43 Teilnehmer) und das selbst-berichtete Selbstwertgefühl (1 Studie, 43 Teilnehmer) verglichen mit der Warteliste. Wir fanden keine Unterschiede zwischen einer KVT und einer unterstützenden Therapie (1 Studie, 81 Teilnehmer) für selbst-bewertete Depression, Kliniker-bewertete Angstgefühle oder das selbst-bewertete Selbstwertgefühl. Außerdem bestanden keine Unterschiede zwischen einer KVT und einer Wartelisten-Kontrollgruppe für die selbst-berichtete Wut (Trait Anger; 1 Studie, 43 Teilnehmer) oder die selbst-berichtete Lebensqualität (SMD 0,21, 95% KI -0,29 bis 0,71; 2 Studien, 64 Teilnehmer; kleine Effektgröße).

KVT plus Arzneimitteltherapie versus Arzneimitteltherapie allein: wir fanden Unterschiede zugunsten einer KVT plus einer Arzneimitteltherapie für den Clinical Global Impression Score (MD -0,75 Punkte, 95% KI -1,21 Punkte bis -0,30 Punkte; 2 Studien, 65 Teilnehmer), selbst-berichtete Depression (MD -6,09 Punkte, 95% KI -9,55 Punkte bis 2,63 Punkte; 2 Studien, 66 Teilnehmer) und selbst-berichtete Angstgefühle (SMD -0,58, 95% KI -1,08 bis -0,08; 2 Studien, 66 Teilnehmer; moderate Effektgröße). Ebenso beobachteten wir Unterschiede zugunsten einer KVT plus Arzneimitteltherapie (1 Studie, 31 Teilnehmer) für Kliniker-berichtete Depressionen und Kliniker-berichtete Angstgefühle.

KVT versus andere spezifische Interventionen: wir fanden keine Unterschiede für jegliche sekundäre Endpunkte wie selbst-berichtete Depressionen und Angstgefühle, und Befunde zur selbst-berichteten Lebensqualität variierten zwischen den verschiedenen Studien.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Abstract: K. Jones, A. Wenzel, PLS: R. Oltmann, C. Meiling, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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