Warum ist dieser Review wichtig?
Viele Menschen in nördlichen Breitengraden leiden unter Winterblues, der als Reaktion auf vermindertes Sonnenlicht auftritt. Drei Viertel der Betroffenen sind Frauen. Lethargie, übermäßiges Essen, Gelüste nach Kohlenhydraten, und eine depressive Verstimmung sind häufige Symptome. Bei manchen Menschen wird der Winterblues zur Depression, was ihren Alltag erheblich beeinträchtigt. Bis zu zwei Drittel der Betroffenen leiden jeden Winter unter depressiven Symptomen.
Für wen ist dieser Review interessant?
• Jeder, der unter Winter-Depression leidet.
• Verwandte und Freunde von Menschen, die unter Winter-Depression leiden.
• Allgemeinmediziner, Psychiater und Apotheker.
• Angestellte in psychologischen Diensten für Erwachsene.
Welche Fragen will dieser Review beantworten?
Aufgrund des saisonalen Verlaufs und der hohen Rate an wiederkehrenden Erkrankungen, kann eine Therapie mit Antidepressiva, mit Beginn am Herbstanfang, wenn die Menschen noch ohne depressive Symptome sind, dem Auftreten depressiver Verstimmung vorbeugen. Das Ziel dieses Reviews ist es zu untersuchen, ob der Nutzen gegenüber möglichen Nebenwirkungen überwiegt, wenn gesunden Menschen mit einer Vorgeschichte von Winter-Depression Antidepressiva erhalten, um dem Auftreten der Depression im nächsten Winter vorzubeugen. Bisher wurde diese Frage nicht systematisch untersucht.
Welche Studien wurden in diesen Review eingeschlossen?
Wir durchsuchten Datenbanken bis Juni 2018 nach Studien zur Gabe von Antidepressiva um Winter-Depression vorzubeugen. Aus 3745 Suchtreffern fanden wir drei randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1100 Teilnehmern, die Bupropion mit verzögerter Freisetzung des Wirkstoffs (nur eines von vielen verfügbaren Antidpressiva, aber das einzige, das zur Vorbeugung von Winter-Depression zugelassen ist) oder ein Placebo erhielten. Wir fanden keine Studien zu anderen Antidepressiva.
Was zeigt die Evidenz dieses Reviews?
In Populationen mit einem hohen Risiko für die Entwicklung einer neuen depressiven Verstimmung im nächsten Winter zeigen die Ergebnisse, dass Antidepressiva Winterdepression bei einem von vier Menschen vorbeugen können. In Populationen mit einem niedrigeren Risiko für ein erneutes Auftreten können Antidepressiva einer neuen depressiven Episode in einem von acht Menschen vorbeugen. Die anderen sieben Personen leiden trotz Behandlung unter Winter-Depression, oder hätten ohnehin nicht darunter gelitten. Menschen, die Antidepressiva einnehmen, haben ein leicht erhöhtes Risiko an Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schlafstörungen zu leiden, verglichen mit Menschen, die keine Antidepressiva einnehmen.
Ärzte sollten mit ihren Patienten die Vor- und Nachteile von Antidepressiva und anderen potenziell vorbeugenden Behandlungen von Winter-Depression besprechen, wie zum Beispiel Lichttherapie, Psychotherapien oder Anpassungen der Lebensgewohnheiten. Da keine der verfügbaren Studien diese Behandlungen verglichen hat, müssen die Präferenzen der Patienten berücksichtigt werden.
Was sollte als nächstes passieren?
Die Review-Autoren empfehlen, dass zukünftige Studien Antidepressiva direkt mit anderen Behandlungen wie Lichttherapie, Psychotherapien oder anderen Medikamenten vergleichen sollten, um die beste Behandlung zur Vorbeugung von Winter-Depression zu ermitteln.
Die verfügbare Evidenz zeigt, dass Bupropion XL eine wirksame Intervention zur Vorbeugung eines erneuten Auftretens von Winterdepressionen ist. Dennoch profitieren selbst in einer Population mit einem erhöhten Risiko für Winterdepressionen drei von vier Patienten nicht von einer vorbeugenden Behandlung mit Bupropion XL und sind dem Risiko von Schäden ausgesetzt. Ärzte müssen mit den Patienten Vorteile und Nachteile der vorbeugenden SGA Behandlung diskutieren und könnten andere potenziell wirksame Interventionen in Betracht ziehen, die ein geringeres Risiko von unerwünschten Ereignissen mit sich bringen. In Anbetracht der fehlenden Evidenz aus Vergleichen mit anderen Behandlungsmethoden, sollte die Entscheidung über eine vorbeugende Behandlung von saisonaler Depression und die Art der Behandlung stark von den Präferenzen des Patienten abhängen.
Künftige Forscher müssen die Wirksamkeit und das Risiko von Schäden von anderen Antidepressiva der 2. Generation als Bupropion zur Vorbeugung von Winterdepressionen untersuchen. Die Forscher sollten auch Nutzen und Schaden von pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Interventionen vergleichen.
Winterdepressionen sind jahreszeitenabhängig wiederkehrende Depressionen, die am häufigsten im Herbst oder Winter auftreten und im Frühjahr wieder vergehen. Die Häufigkeit von Winterdepressionen variiert je nach Breitengrad zwischen 1,5% und 9%. Aufgrund des saisonalen Verlaufs der Winter-Depression und der hohen Rate an wiederkehrenden depressiven Phasen, ist die Vorbeugung einer neuerlichen Winter-Depression besonders interessant. Dieser Review - einer von vier Reviews der Wirksamkeit und Sicherheit von Interventionen um Winterdepressionen vorzubeugen - fokussiert sich auf Antidepressiva der 2. Generation (SGA).
Dieser Review soll die Wirksamkeit und Sicherheit von SGA (im Vergleich zu anderen SGA, Placebo, Lichttherapie, Melatonin oder Agomelatin, psychologische Therapien oder Lebensstil-Interventionen) zur Vorbeugung von Winterdepressionen und Verbesserung der patientenrelevanten Endpunkte bei Erwachsenen mit Winterdepressionen in der Anamnese beurteilen.
Wir durchsuchten Ovid MEDLINE (1950-), Embase (1974-), PsycINFO (1967-) und das Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL) bis 19. Juni 2018. Eine frühere Suche dieser Datenbanken wurde über das Cochrane Common Mental Disorders Controlled Trial Register (CCMD-CTR) (bis 11. August 2015) durchgeführt. Darüber hinaus suchten wir im Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature, Web of Science, in der Cochrane Library, , in der Allied and Complementary Medicine Database und in internationalen Studienregistern (bis 19. Juni 2018). Wir haben zudem eine Suche nach sogenannter "grauer Literatur" durchgeführt und von Hand die Referenzlisten der eingeschlossenen Studien und relevanten Reviews durchsucht.
Im Sinne der Wirksamkeit, schlossen wir randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) ein, welche Erwachsene mit einer Winterdepression in der Vorgeschichte einschlossen, die zu Beginn der Studie symptomfrei gewesen sind. Bezüglich der unerwünschten Ereignisse, planten wir den Einschluss von nicht-randomisierten Studien. Studien, die SGA untereinander oder mit Placebo, Lichttherapie, Psychotherapie, Melantonin, Agomelatin oder Lebensstilveränderung verglichen, wurden eingeschlossen. Wir planten auch den Vergleich zwischen SGA in Kombination mit einer der Kontrollinterventionen versus Placebo oder der gleichen Kontrollintervention als Monotherapie.
Zwei Review-Autoren überprüften unabhängig voneinander Abstracts und Volltexte, extrahierten Daten und beurteilten das Risiko für Bias der eingeschlossenen Studien. Wenn die Daten ausreichend waren, führten wir mit dem Random-Effects Modell (Mantel-Haenszel) Meta-Analysen durch. Wir untersuchten die statistische Heterogenität mit Hilfe von Chi 2 und Cochran Q. Wir nutzen I2 um das Ausmaß der Heterogenität zu schätzen. Wir untersuchten Publikationsbias anhand von Funnel-Plots. Die Stärke der Evidenz wurde mit dem System, das von der GRADE Working Group entwickelt wurde, beurteilt.
Wir identifizierten 3745 Zitate nach De-Duplizierung von Suchergebnissen und schlossen 3619 im Titel- und Abstract-Screening aus. Wir untersuchten 126 Publikationen auf Einschluss in den Review, von denen vier Publikationen (zu drei RCTs) mit Daten von 1100 Personen die Einschlusskriterien für diesen Review erfüllten. Alle drei RCTs hatten methodische Einschränkungen aufgrund der hohen Abbruchraten.
Insgesamt deutet Evidenz von moderater Qualität darauf hin, dass Bupropion XL eine wirksame Intervention zur Vorbeugung erneuter depressiver Episoden bei Menschen mit Winterdepression in der Vorgeschichte ist (relatives Risiko (RR) 0,56, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,44 bis 0,72, 3 RCTs, 1100 Teilnehmer). Allerdings birgt Bupropion XL im Vergleich zu Placebo ein größeres Risiko für Kopfschmerzen (moderate Qualität der Evidenz), Schlaflosigkeit und Übelkeit (beide niedrige Qualität der Evidenz). Die Anzahl von Patienten, die für ein positives Ergebnis behandelt werden müssen („number needed to treat for benefit“, NNTB), variiert je nach Baseline-Risiko. Für eine Population mit jährlichen Rezidivraten von 30% beträgt die NNTB 8 (95% KI 6 bis 12). Für eine Population mit jährlichen Rezidivraten von 50% und 60%,beträgt die NNTBs 5 (95% KI 4 bis 7) bzw. 4 (95% KI 3 bis 6).
Wir konnten keine Studien zu anderen SGA finden und keine Studien, die SGA mit anderen Interventionen von Interesse, wie Lichttherapie, psychologischen Therapien, Melatonin oder Agomelatin verglichen.
M. Schmidt Haghiri, J. Ried, freigegeben durch Cochrane Deutschland.