Fragestellung
Wir begutachteten die Evidenz zur Wirkung von intravenös (über eine Vene) und oral (durch den Mund) verabreichtem Magnesium auf die Häufigkeit von schmerzhaften Krisen (Sichelzellkrisen mit schweren Schmerzen aufgrund von Unterbrechungen der Blutversorgung von Knochen, Gelenken, Lunge, Leber, Milz, Niere, Augen oder des zentralen Nervensystems), die Dauer von Krankenhausaufenthalten und die Lebensqualität bei Menschen mit unterschiedlichen Formen der Sichelzellanämie (auch Sichelzellkrankheit genannt).
Hintergrund
Die Sichelzellanämie ist eine relativ häufige, erbbedingte Bluterkrankung. Die Symptome umfassen rasch auftretende schmerzhafte Krisen, die zu einer erhöhten Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten führen. Die wahrscheinliche Ursache ist, dass sichelförmig verformte rote Blutkörperchen die Blutgefäße verstopfen und verschließen, was zu vaso-okklusiven (durch den Verschluss der Blutgefäße bedingten) Krisen führt. Die Gefäßfunktionen sind bei Menschen mit Sichelzellanämie beeinträchtigt. Es ist bekannt, dass Magnesium Blutgefäße erweitern kann, und dass es bei regelmäßiger Anwendung die Flüssigkeitsmenge in den roten Blutkörperchen erhöht und helfen kann, dass diese sich nicht weiter verformen. Intravenös verabreichtes Magnesium kann nach der Anwendung milde bis moderate Nebenwirkungen verursachen, wie z.B. Übelkeit, Erbrechen, Wärmegefühl, niedrigen Blutdruck, etc.. Oral eingenommenes Magnesium kann milde Nebenwirkungen verursachen, wie z.B. Durchfall und Bauchkrämpfe. Wir wollten herausfinden, ob die kurzzeitige Verabreichung von intravenösem Magnesium und die langfristige orale Einnahme von Magnesium besser ist als ein Placebo (Scheinmedikament ohne Magnesium) oder keine Behandlung mit Magnesium, um das Auftreten schmerzhafter Krisen zu reduzieren, die Dauer von Krankenhausaufenthalten zu verkürzen und die Lebensqualität zu verbessern. Darüber hinaus interessierten wir uns für Nebenwirkungen der Behandlung mit Magnesium und für einige Blutuntersuchungen. Dies ist eine aktualisierte Version des Reviews.
Recherchedatum
Die Evidenz ist auf dem Stand vom: 3. Februar 2019.
Studienmerkmale
Der Review umfasst fünf Studien mit insgesamt 386 Personen mit Sichelzellanämie im Alter von vier bis 53 Jahren ein. Zwei Studien (306 Personen) verglichen intravenös verabreichtes Magnesium mit einem Placebo (in dieser Studie einer Kochsalzlösung (salziges Wasser)) bei Personen, die als Notfall aufgrund von Schmerzen ins Krankenhaus eingewiesen wurden; die Behandlung wurde bis zu ihrer Entlassung (weniger als vier Wochen) durchgeführt. Zwei der drei über einen längeren Zeitraum laufenden Studien verglichen oral eingenommenes Magnesium Pidolate mit einem Placebo. Die dritte Studie verglich Hydroxyurea und Magnesium Pidolate miteinander und mit einem Placebo (wobei wir nur die Ergebnisse des Vergleichs von Magnesium Pidolate mit einem Placebo berücksichtigt haben).
Hauptergebnisse
Nicht alle Studien berichteten die für uns relevanten Endpunkte, und aus den meisten Studien konnten wir keine Daten in die Analyse einbeziehen. Wir ermittelten, dass bei den Personen, die als Notfall ins Krankenhaus eingewiesen wurden, intravenös verabreichtes Magnesium im Vergleich mit einem Placebo die Schmerzintensität nicht verringerte, die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus nicht verkürzen konnte und ihre Lebensqualität nicht verbesserte. Es empfanden mehr Personen Wärme an der Einstichstelle der Nadel als diejenigen Personen, die ein Placebo gespritzt bekamen.
Über einen längeren Zeitraum oral eingenommenes Magnesium Pidolate verringerte die Schwere der Schmerzphasen nicht und hatte keine messbare Wirkung auf die Eigenschaften der sichelförmigen roten Blutkörperchen (z.B. den Magnesiumspiegel im Blut). Oral eingenommenes Magnesium scheint sicher und gut verträglich zu sein, bei lediglich milden Nebenwirkungen (Durchfall und Kopfschmerzen). Weitere Forschung ist nötig, um den kurzfristigen und langfristigen Nutzen der Magnesiumbehandlung und ihre Nebenwirkungen zu vergleichen.
Qualität der Evidenz
Die Qualität der Evidenz für intravenöses und orales Magnesium zur Behandlung der Sichelzellanämie war moderat in Bezug auf Schmerzen bei kurzzeitiger Verabreichung von intravenösem Magnesium und in Bezug auf den Magnesiumspiegel im Blut bei längerfristiger oraler Einnahme von Magnesium. Für alle anderen von uns untersuchten Endpunkte war die Qualität der Evidenz niedrig. Alle eingeschlossenen Studien zu oral oder intravenös verabreichtem Magnesium zur Behandlung der Sichelzellanämie wiesen Aspekte auf, die die Verlässlichkeit der Ergebnisse einschränken könnten. Deshalb sind wir uns bezüglich dieser Ergebnisse nicht sicher, und weitere Forschung könnte Evidenz liefern, die unsere Schlussfolgerungen verändern könnte.
I. Nolle, freigegeben durch Cochrane Deutschland.