Transperitoneale versus retroperitoneale laparoskopische Adrenalektomie zur Behandlung von Nebennierentumoren bei Erwachsenen

Fragestellung des Reviews

Welche Auswirkungen hat die laparoskopische retroperitoneale Adrenalektomie im Vergleich zur laparoskopischen transperitonealen Adrenalektomie bei Erwachsenen?

Hintergrund

Die Nebennieren befinden sich oberhalb der Nieren und produzieren mehrere Hormone wie zum Beispiel Adrenalin, Aldosteron und Cortisol. Ein Tumor der Nebenniere kann gutartig oder krebsartig sein und wird oft bei Routineuntersuchungen, wie z.B. Ultraschalluntersuchung des Bauches (Abdomen), festgestellt. Wenn die Nebennierenmasse einen Durchmesser von mehr als 4 cm aufweist, sich während der Beobachtungszeit um 1 cm oder mehr vergrößert oder wenn Anzeichen einer autonomen Hormonsekretion vorliegen, wird in der Regel die operative Entfernung einer oder beider Nebennieren (Adrenalektomie) empfohlen.

Es gibt mehrere Techniken zur Entfernung einer Nebenniere. Heutzutage wird die Schlüssellochchirurgie (laparoskopische Chirurgie) von Chirurgen meist anstelle der offenen Chirurgie angewandt. Hierbei werden kleine Schnitte im Bauch gemacht, um spezielle chirurgische Instrumente und eine kleine Kamera (Laparoskop) mit Licht einzuführen. Bei der laparoskopischen transperitonealen Adrenalektomie wird die Nebenniere mittels eines Schnitts durch den Bauch freigelegt. Dabei wird eine spezielle Membran im Bauchinneren (Peritoneum) durchtrennt. Bei der laparoskopischen retroperitonealen Adrenalektomie nähert man sich der Nebenniere von hinten, ohne das Peritoneum zu durchschneiden. Von Befürwortern der letztgenannten Technik werden bessere Ergebnisse angeführt, wie kürzere Operationszeit, weniger Blutverlust, weniger postoperative Schmerzen und kürzerer Krankenhausaufenthalt.

Studienmerkmale

Wir fanden fünf randomisierte kontrollierte Studien (klinische Studien, bei denen die Personen zufällig auf eine von zwei oder mehreren Behandlungsgruppen aufgeteilt werden) mit insgesamt 244 Teilnehmern. Insgesamt 127 Teilnehmer wurden zufällig der retroperitonealen Adrenalektomie und 117 Teilnehmer der transperitonealen Adrenalektomie zugeteilt. Zwei Studien hatten einen postoperativen Beobachtungszeitraum von neun Monaten. Drei Studien beobachteten ihre Teilnehmer 31 bis 70 Monate lang. Die meisten Teilnehmer waren Frauen und das Durchschnittsalter lag bei etwa 40 Jahren.

Die Evidenz ist auf dem Stand von April 2018.

Hauptergebnisse

Es wurden für keine der beiden Adrenalektomietechniken in der unmittelbaren Zeit nach der Operation Todesfälle berichtet. Eine Studie mit sechsjährigem Beobachtungszeitraum berichtete, dass von 164 Teilnehmern vier Teilnehmer aus der Gruppe der retroperitonealen Adrenalektomie und ein Teilnehmer aus der Gruppe der transperitonealen Adrenalektomie starben. Wir verglichen die frühe Morbidität (verschlechterter Gesundheitszustand) nach 30 bis 60 Tagen mit der längsten, nach der Operation beobachteten Morbidität (später verschlechterter Gesundheitszustand). Zwischen den beiden Techniken war die frühe Morbidität zwar vergleichbar, aber die späte Morbidität könnte nach einer retroperitonealen Adrenalektomie (keiner von 78 Teilnehmern) geringer sein als nach einer transperitonealen Adrenalektomie (7 von 68 Teilnehmern). Keine der Studien berichtete über die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die Zeit bis zur Wiederaufnahme der normalen Aktivitäten, die Dauer des Krankenhausaufenthaltes, die Operationsdauer, der operative Blutverlust und der Wechsel zur offenen Operation waren zwischen den Techniken vergleichbar. Die Zeit bis zur oralen Flüssigkeits- oder Nahrungsaufnahme, dem Aufstehen aus dem Bett und der Ausübung von leichter Aktivität scheint nach der retroperitonealen Adrenalektomie um einige Stunden kürzer zu sein (durchschnittlich 8,6 Stunden kürzer),verglichen mit der transperitonealen Adrenalektomie (durchschnittlich 5,4 Stunden kürzer).

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Es ist unklar welche Adrenalektomietechnik die Beste ist. Dies liegt hauptsächlich darin begründet, dass eine geringen Anzahl von Studien, eine geringe Anzahl von Teilnehmern und einige systematische Fehler in den meisten der von uns analysierten Studien vorlagen. Neue Studien sollten insbesondere die gesundheitsbezogene Lebensqualität untersuchen. Die Ergebnisse könnten ebenso durch den Erfahrungsstand der Chirurgen und das Behandlungsvolumen der Operationszentren beeinflusst werden.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Evidenzlage (derzeitige Erkenntnis) über den Vergleich zwischen laparoskopischer retroperitonealen Adrenalektomie und laparoskopischer transperitonealen Adrenalektomie ist begrenzt. Die späte Morbidität (verschlechterter Gesundheitszustand) könnte nach einer laparoskopischen retroperitonealen Adrenalektomie reduziert sein, aber über diesen Effekt sind wir uns wegen der sehr niedrigen Qualität der Evidenz unsicher. Die Auswirkungen auf andere wichtige Endpunkte, wie z.B. Gesamtmortalität, frühe Morbidität, sozioökonomische Effekte sowie operative und postoperative Parameter, sind ungewiss. Mit LRPA könnte sich die Zeit bis zur oralen Aufnahme von Flüssigkeit oder Nahrung und die Zeit bis zum Gehen verkürzen, aber wir sind unsicher, ob dieses Ergebnis repliziert (erneut bestätigt) werden kann. Es sind neue Langzeit-RCTs erforderlich, die zusätzliche Daten, wie z.B. gesundheitsbezogene Lebensqualität, Erfahrungsstand der Chirurgen, Behandlungsvolumen der Operationszentren und Details zu den verwendeten Techniken, untersuchen.

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Hintergrund: 

Die laparoskopische Adrenalektomie ist eine weltweit anerkannte Behandlung für Nebennierenerkrankungen bei Erwachsenen. Die transperitoneale Technik wird häufiger angewendet. Um einen Eingriff in das Peritoneum zu vermeiden, könnte die retroperitoneale Technik vorgezogen werden. Ein klarer Vorteil konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden.

Zielsetzungen: 

Es sollten die Auswirkungen der laparoskopischen transperitonealen Adrenalektomie (LTPA) im Vergleich zur laparoskopischen retroperitonealen Adrenalektomie (LRPA) bei Nebennieren-Tumoren bei Erwachsenen untersucht werden.

Suchstrategie: 

Wir haben bis zum 3. April 2018 CENTRAL, MEDLINE, Embase, ICTRP Search Portal und ClinicalTrials.gov für die Recherche durchsucht. Wir haben keine Einschränkungen hinsichtlich der Sprache vorgenommen.

Auswahlkriterien: 

Zur Identifizierung randomisierter kontrollierter Studien (RCTs) zu laparoskopischer Adrenalektomie für präoperativ untersuchte Nebennierentumore wurde der Abstract, der Titel oder beide Abschnitte jeder Studie von zwei Review-Autoren unabhängig voneinander geprüft. Die Teilnehmer waren von gutartigen und bösartigen, funktionellen und stillen Tumoren oder Gewebsvermehrungen der Nebennierenrinde und des Nebennierenmarks betroffen, die sowohl im Labor als auch in bildgebenden Studien untersucht wurden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autoren extrahierten unabhängig voneinander Daten, bewerteten Studien auf Risiko für Bias und bewerteten die Gesamtqualität der Studien anhand von GRADE-Kriterien. Wir berechneten das Risiko-Verhältnis (RR) für dichotome Endpunkte oder die Mittelwertdifferenz (MD) für kontinuierliche Variablen sowie das entsprechende 95% Konfidenzintervall (KI). Für die Zusammenfassung der Daten haben wir hauptsächlich mit dem „Random-Effects“-Modell gearbeitet.

Hauptergebnisse: 

Wir untersuchten 1069 Publikationen,überprüften 42 Volltextpublikationen oder Registereinträge und schlossen fünf RCTs ein. Insgesamt nahmen an den fünf Studien 244 Teilnehmer teil; 127 Teilnehmer davon wurden zufällig der retroperitonealen Adrenalektomie und 117 Teilnehmer der transperitonealen Adrenalektomie zugeteilt. Zwei Studien hatten einen Nachbeobachtungszeitraum von neun Monaten und drei Studien einen Nachbeobachtungszeitraum von 31 bis 70 Monaten. Die meisten Teilnehmer waren Frauen und das Durchschnittsalter lag bei etwa 40 Jahren. Drei Studien berichteten über die Gesamtmortalität (Sterblichkeit). In zwei Studien gab es keine Todesfälle. In einer Studie mit sechsjähriger Nachbeobachtungszeit verstarben vier Teilnehmer aus der LRPA-Gruppe (retroperitoneale Adrenalektomie) und ein Teilnehmer aus der LTPA-Gruppe (transperitoneale Adrenalektomie) (164 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz). In den Studien wurde die Gesamtmortalität (Sterblichkeit) nicht berichtet. Daher haben wir die frühe und späte Morbidität (verschlechterter Gesundheitszustand) analysiert und spezifische unerwünschte Ereignisse in die Endpunkt-Auswertungen eingeschlossen. Die Ergebnisse zwischen LRPA und LTPA für frühe Morbidität waren nicht eindeutig (normalerweise innerhalb von 30 bis 60 Tagen nach der Operation berichtet; RR 0,56, 95% KI 0,27 bis 1,16; P = 0,12; 5 Studien, 244 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz). Neun von 127 Teilnehmern (7,1%) aus der LRPA-Gruppe, verglichen mit 16 von 117 Teilnehmern (13,7 %) aus der LTPA-Gruppe, erlitten ein unerwünschtes Ereignis. Teilnehmer der LRPA-Gruppe können ein geringeres Risiko für die Entwicklung einer späten Morbidität haben (berichtet als letzte verfügbare Nachbeobachtung; RR 0,12, 95% KI 0,01 bis 0,92; P = 0,04; 3 Studien, 146 Teilnehmer; sehr niedrige Qualität der Evidenz). Keiner der 78 Teilnehmer aus der LRPA-Gruppe, verglichen mit 7 der 68 Teilnehmer (10,3%) aus der LTPA-Gruppe, erlitten ein unerwünschtes Ereignis.

Keine der Studien berichtete über gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die Ergebnisse waren für die sozioökonomischen Effekte nicht eindeutig (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Diese wurden bemessen an der Zeit bis zur Rückkehr zu normalen Aktivitäten und der Dauer des Krankenhausaufenthaltes zwischen den Interventions- und den Vergleichsgruppen. Die Teilnehmer mit LRPA konnten möglicherweise früher mit der oralen Flüssigkeits- oder Nahrungsaufnahme (MD -8,6 h, 95% KI -13,5 bis -3,7; P = 0,0006; 2 Studien, 89 Teilnehmer) und dem Gehen beginnen (MD -5,4 h, 95% KI -6,8 bis -4,0 h; P < 0,0001; 2 Studien, 89 Teilnehmer) als diejenigen aus den LTPA-Gruppen. Postoperative und operative Parameter (Dauer der Operation, operativer Blutverlust, Umstellung auf offene Chirurgie) zeigten keine eindeutigen Unterschiede zwischen den Interventions- und den Vergleichsgruppen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Schneider, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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