Prostataobstruktions-assoziierte Symptome der unteren Harnwege: Behandlung mit Anticholinergika in Kombination mit Alpha-Blockern

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Basierend auf den Ergebnissen des Reviews ist eine Kombinationstherapie mit Anticholinergika und Alpha-Blockern im Vergleich zu Placebo, Alpha-Blockern oder Anticholinergika allein mit geringen oder unsicheren Wirkungen auf die urologischen Symptomwerte verbunden. Eine Kombinationstherapie kann möglicherweise jedoch zu einer Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zur Monotherapie mit Anticholinergika führen, aber zu einer ungewissen Wirkung im Vergleich zu einem Placebo oder Alpha-Blockern. Die Kombinationstherapie erhöht wahrscheinlich unerwünschte Ereignisse im Vergleich zu einem Placebo, jedoch nicht im Vergleich zu Alpha-Blockern oder Anticholinergika allein. Die Ergebnisse dieses Reviews sind durch methodische Einschränkungen der Studien, Inkonsistenz und eine unzureichende Präzision der Ergebnisse eingeschränkt. Wir konnten keine der vorab definierten Subgruppenanalysen durchführen.

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Hintergrund: 

Symptome der unteren Harnwege (engl. lower urinary tract symptoms, LUTS) aufgrund einer gutartigen Prostataobstruktion (engl. benign prostatic obstruction, BPO) sind eine der häufigsten klinischen Beschwerden bei Männern. Alpha-Blocker werden häufig als Erstlinientherapie bei Männern mit LUTS bei BPO eingesetzt, jedoch berichtet bis zu einem Drittel der Männer nach der Einnahme von Alpha-Blockern über keine Verbesserung ihrer LUTS. Anticholinergika, die zusätzlich zu Alpha-Blockern eingesetzt werden, helfen möglicherweise, die Symptome zu verbessern, es ist jedoch unklar, wie wirksam sie sind.

Zielsetzungen: 

Das Ziel des Reviews war es, die Wirkung einer Kombinationstherapie mit Anticholinergika und Alpha-Blockern bei Männern mit LUTS im Zusammenhang mit BPO zu bewerten.

Suchstrategie: 

Wir führten eine umfassende Suche in der medizinischen Literatur durch, einschließlich der Cochrane Library, MEDLINE, Embase und Studienregistern, ohne Einschränkungen hinsichtlich der Sprache oder des Status der Veröffentlichung. Das Datum der letzten Suche war der 7. August 2020.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien ein. Einschlusskriterien waren Männer mit LUTS nach BPO im Alter von 40 Jahren oder älter und einem „International Prostate Symptom Score“ von 8 oder mehr. Studien mit Männern mit bekannter neurogener Blase aufgrund von Rückenmarksverletzungen, Multipler Sklerose oder Erkrankungen des zentralen Nervensystems sowie Studien, in denen eine medizinische Therapie für Männer mit operativ behandelter BPO untersucht wurde, schlossen wir aus. Wir führten drei Vergleiche durch: Kombinationstherapie mit Placebo, Kombinationstherapie mit Alpha-Blocker-Monotherapie und Kombinationstherapie mit Anticholinergika-Monotherapie.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren überprüften unabhängig voneinander die Literatur, extrahierten die Daten und bewerteten das Risiko für Bias. Wir führten die statistische Analysen mit einem Random-Effects-Modell durch und interpretierten die Daten gemäß dem Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions. Wir bewerteten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz mit dem GRADE-Ansatz.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 23 Studien mit 6285 Männern ein, die in drei Vergleichen randomisiert wurden. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag zwischen 54,4 Jahren und 73,9 Jahren (Durchschnittsalter insgesamt 65,7 Jahre). Von den eingeschlossenen Studien wurden 12 in einem einzelnen Studienzentrum durchgeführt, während 11 ein multizentrisches Setting verwendeten. Basierend auf den verfügbaren Daten fanden wir nur eine kurzfristige Wirkung (12 Wochen bis 12 Monate) der Kombinationstherapie.

Kombinationstherapie versus Placebo: Basierend auf fünf Studien mit 2369 randomisierten Teilnehmern führt die Kombinationstherapie möglicherweise lediglich zu einem geringen oder keinem Unterschied in den urologischen Symptomwerten (mittlerer Unterschied (MD) –2,73, 95% -Konfidenzintervall (KI) –5,55 bis 0,08; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Wir sind sehr unsicher über die Wirkung der Kombinationstherapie auf die Lebensqualität (MD –0,97, 95% KI –2,11 bis 0,16; Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit). Die Kombinationstherapie erhöht wahrscheinlich das Auftreten unerwünschter Ereignisse (Risikoverhältnis (RR) 1,24, 95% KI 1,04 bis 1,47; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit); basierend auf 252 unerwünschten Ereignissen pro 1000 Teilnehmern in der Placebogruppe entspricht dies 61 zusätzlichen unerwünschten Ereignissen (95% KI 10 mehr bis 119 mehr) pro 1000 Teilnehmern, die mit einer Kombinationstherapie behandelt wurden.

Kombinationstherapie im Vergleich zu Alpha-Blockern allein: Basierend auf 22 Studien mit 4904 randomisierten Teilnehmern sind wir sehr unsicher über die Wirkung der Kombinationstherapie auf die urologischen Symptomwerte (MD –2,04, 95% KI –3,56 bis –0,52; Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit) und auf die Lebensqualität (MD –0,71, 95% KI –1,03 bis –0,38; Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit). Die Kombinationstherapie führt möglicherweise lediglich zu einem geringen oder keinem Unterschied in der Rate unerwünschter Ereignisse (RR 1,10, 95% KI 0,90 bis 1,34; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit); basierend auf 228 unerwünschten Ereignissen pro 1000 Teilnehmern in der Alpha-Blocker-Gruppe entspricht dies 23 zusätzlichen unerwünschten Ereignissen (95% KI 23 weniger bis 78 mehr) pro 1000 mit Kombinationstherapie behandelten Teilnehmern.

Kombinationstherapie im Vergleich zu Anticholinergika allein: Basierend auf drei Studien mit 1218 randomisierten Teilnehmern sind wir uns bezüglich der Wirkung der Kombinationstherapie auf die urologischen Symptomwerte sehr unsicher (MD –3,71, 95% KI –9,41 bis 1,98; Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit). Eine Kombinationstherapie führt möglicherweise zu einer Verbesserung der Lebensqualität (MD –1,49, 95% KI –1,88 bis –1,11; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Eine Kombinationstherapie führt wahrscheinlich lediglich zu einem geringen bis keinem Unterschied bei den unerwünschten Ereignissen (RR 1,26, 95% KI 0,81 bis 1,95; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit); basierend auf 115 unerwünschten Ereignissen pro 1000 Teilnehmern in der Gruppe der Anticholinergika allein entspricht dies 4 weniger unerwünschten Ereignissen (95% KI 7 weniger bis 13 mehr) pro 1000 mit einer Kombinationstherapie behandelten Teilnehmern.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Schönburg, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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