Mundpflege zur Vorbeugung von Lungenentzündungen in Pflegeeinrichtungen

Was ist eine im Pflegeheim erworbene Lungenentzündung?

Die in Pflegeheimen erworbene Lungenentzündung (nursing home-acquired pneumonia, NHAP) ist eine bakterielle Infektion der Lunge, die bei Bewohner*innen von Langzeitpflegeeinrichtungen und Pflegeheimen auftritt.

Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um eine NHAP zu verhindern?

Bei Menschen mit schlechter Mundhygiene ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion größer. Professionelle Mundpflege umfasst Zähneputzen, Zahnfleischreinigung, Reinigung von Zahnprothesen, Verwendung von Mundspülungen und zahnärztliche Kontrollen. Die übliche Mundpflege wird selbst durchgeführt oder vom Pflegeheimpersonal ohne spezielle Ausbildung in Mundhygiene geleistet.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob Mundpflege NHAP reduziert. Außerdem wollten wir herausfinden, ob Mundpflege die Zahl der Todesfälle (durch Lungenentzündung und aus anderen Gründen) bei Bewohner*innen von Pflegeheimen oder anderen Langzeitpflegeeinrichtungen verringert.

Wie gingen wir vor?

Wir durchsuchten wissenschaftliche Datenbanken und Studienregister nach randomisierten kontrollierten Studien zur Mundpflege von Heimbewohner*innen. Randomisierte kontrollierte Studien liefern die zuverlässigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse, da die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip den Behandlungsgruppen zugewiesen werden. Wir verglichen die Ergebnisse der Studien, fassten sie zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz anhand von Faktoren wie der Studienmethodik und der Größe der Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden sechs relevante Studien mit insgesamt 6244 Teilnehmenden, die nach dem Zufallsprinzip einer professionellen oder üblichen Zahnpflege zugewiesen wurden. Drei Studien wurden in Japan, zwei in den USA und eine in Frankreich durchgeführt. Die Teilnehmenden waren Pflegeheimbewohner*innen, die zu Beginn der Studien keine Lungenentzündung hatten. Einige Teilnehmende hatten Demenz oder systemische Erkrankungen wie chronische Lungenerkrankungen, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz. Die übliche Pflege variierte, war aber eine einfache, selbst durchgeführte Pflege ohne Unterstützung durch eine zahnärztliche Fachkraft oder eine speziell in der Mundpflege geschulte Pflegekraft. In keiner Studie wurde Mundpflege mit keiner Mundpflege verglichen.

Anhand der begrenzten Evidenz konnten wir nicht feststellen, ob die professionelle Mundpflege besser oder schlechter als die übliche Mundpflege hinsichtlich der Vorbeugung von Lungenentzündung, Tod durch Lungenentzündung oder Tod jeglicher Ursache ist. Zwei Studien deuten jedoch darauf hin, dass eine professionelle Mundpflege die Zahl der durch Lungenentzündung verursachten Todesfälle nach 24 Monaten Beobachtungszeit verringern kann.

Nur in einer Studie wurden unerwünschte Wirkungen der professionellen Mundpflege gemessen; dabei wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse berichtet. Die häufigsten nicht schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse waren Verletzungen im Mund und Zahnverfärbungen.

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir fanden nur eine kleine Anzahl von Studien, die unterschiedliche Methoden verwendeten, beispielsweise wie und wann die Ergebnisse gemessen wurden und welche Art von professioneller Mundpflege angeboten wurde. Daher sind die Ergebnisse unsicher und es sind weitere Untersuchungen erforderlich.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Es wurden Studien bis 30. Juni 2022 berücksichtigt.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Obwohl es Hinweise von niedriger Vertrauenswürdigkeit der Evidenz gibt, dass die professionelle Mundpflege die Sterblichkeit im Vergleich zur üblichen Pflege nach 24 Monaten senken kann, bleibt die Wirkung der professionellen Mundpflege auf die Prävention von NHAP weitgehend unklar. Die Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit war nicht schlüssig, was die Auswirkungen dieser Intervention auf die Häufigkeit und Anzahl der ersten Episoden von NHAP betrifft. Aufgrund von Unterschieden im Studiendesign, in den Effektmessungen, in der Nachbeobachtungsdauer und in der Art der Interventionen können wir anhand der derzeitigen Erkenntnisse nicht die optimale Mundpflege bestimmen.

Für künftige Studien sind größere Stichproben, robuste Methoden, die ein geringes Risiko für Bias gewährleisten, und praktikablere Maßnahmen für Pflegeheimbewohner*innen erforderlich.

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Hintergrund: 

Lungenentzündungen bei Bewohnern von Pflegeheimen werden als "nursing home-acquired pneumonia" (NHAP) bezeichnet. NHAP ist eine der häufigsten Infektionen bei Pflegeheimbewohner*innen und hat bei diesen die höchste Sterblichkeitsrate aller Infektionen. NHAP wird mit schlechter Mundhygiene in Verbindung gebracht und könnte durch Aspiration von oropharyngealer Flora in die Lunge verursacht werden. Mundpflegemaßnahmen zur Entfernung oder Beseitigung von Zahnbelag könnten das Risiko einer NHAP verringern. Dies ist die erste Aktualisierung eines Reviews von 2018.

Zielsetzungen: 

Bewertung der Auswirkungen von Mundpflegemaßnahmen zur Vorbeugung einer NHAP bei Bewohner*innen von Pflegeheimen und anderen Langzeitpflegeeinrichtungen.

Suchstrategie: 

Ein*e Informationsspezialist*in durchsuchte die Datenbanken CENTRAL, MEDLINE, Embase, eine weitere Datenbank und drei Studienregister bis einschließlich 12. Mai 2022. Wir wendeten zusätzliche Suchmethoden an, um veröffentlichte, unveröffentlichte und laufende Studien zu ermitteln.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) ein, die die Auswirkungen von Mundpflegemaßnahmen (Bürsten von Zähnen und Zahnfleisch, Zahnprothesenreinigung, Mundspülung oder eine Kombination davon) bei Bewohner*innen aller Altersgruppen in Pflegeheimen und anderen Langzeitpflegeeinrichtungen untersuchten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Mindestens zwei Autor*innen bewerteten unabhängig voneinander die Suchergebnisse, extrahierten die Daten und bewerteten das Risiko einer Verzerrung in den eingeschlossenen Studien. Wir haben die Studienautoren um zusätzliche Informationen gebeten. Wir führten Daten aus Studien mit ähnlichen Interventionen und Ergebnissen zusammen. Wir berichteten Risikoverhältnisse (risk ratios, RRs) für dichotome Ergebnisse, mittlere Differenzen (MDs) für kontinuierliche Ergebnisse und Hazard Ratios (HRs) oder Inzidenzratenverhältnisse (IRR) für Zeit-bis-Ereignis-Ergebnisse unter Verwendung von Random-Effects-Modellen.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen sechs RCTs (6244 Teilnehmende) ein, die alle ein hohes Risiko der Verzerrung aufwiesen. Drei Studien wurden in Japan, zwei in den USA und eine in Frankreich durchgeführt. Die Studien untersuchten folgenden Vergleich: professionelle Mundpflege gegenüber üblicher Mundpflege. Die Ergebnisse einer Studie mit 834 Teilnehmenden wurden nicht berücksichtigt, da sie bei der Zwischenanalyse abgebrochen wurde.

Konsistente Ergebnisse aus fünf Studien mit 5018 Teilnehmenden lieferten keine ausreichenden Belege für einen Unterschied zwischen professioneller Mundpflege und üblicher (einfacher, selbst durchgeführter) Mundpflege in Bezug auf die Häufigkeit von Lungenentzündungen. Drei Studien berichteten HRs, eine IRRs und eine RRs. Aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns und Nachbeobachtungszeiten fassten wir die Daten nicht mit statistischen Methoden zusammen. Wir stuften die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für dieses Ergebnis um zwei Stufen auf niedrig herab: eine Stufe aufgrund von methodischen Studieneinschränkungen (hohes Risiko für Performance Bias) und eine Stufe aufgrund von Ungenauigkeit der Effektschätzung.

Die Metaanalyse von zwei randomisierten Einzelstudien ergab Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass eine professionelle Mundpflege das Risiko einer Lungenentzündung-assoziierten Sterblichkeit im Vergleich zur üblichen Mundpflege nach 24 Monaten verringern kann (RR 0,43, 95% KI 0,25 bis 0,76, 454 Teilnehmende). In einer anderen Studie (2513 Teilnehmende) gab es keine ausreichenden Belege für einen Unterschied bei diesem Ergebnis nach 18 Monaten.

In drei Studien, in denen die Gesamtmortalität gemessen wurde, gab es keine ausreichenden Belege für einen Unterschied zwischen professioneller und üblicher Zahnpflege nach 12 bis 30 Monaten Nachbeobachtungszeit.

Nur in einer Studie (834 Teilnehmende) wurden die unerwünschten Wirkungen der Interventionen gemessen. In der Studie wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse und 64 nicht schwerwiegende Ereignisse festgestellt, von denen die häufigsten Beschwerden in der Mundhöhle (nicht definiert) und Zahnverfärbungen waren.

In keiner Studie wurde die Mundpflege im Vergleich zu keiner Mundpflege untersucht.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Haug, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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