Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes zur Verringerung der im Sitzen oder Liegen verbrachten Zeit

Hintergrund

Erwachsene verbringen die meiste Zeit außerhalb ihres Arbeitsplatzes sitzend oder liegend (auch sedentäres Verhalten genannt), z.B. beim Fernsehen oder am Computer, oder im Auto beim Pendeln. Längere Zeiten des Sitzens oder Liegens sind mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krankheiten und dem vorzeitigen Tod in Zusammenhang gebracht worden. Es ist bislang unklar, ob Interventionen außerhalb des Arbeitsplatze, deren Ziel die Verringerung der im Sitzen oder Liegen verbrachten Zeit ist, wirksam sind. Dieser Review zeigt, ob es Evidenz dafür gibt, dass diese Interventionen ein solches Verhalten verringern.

Hauptergebnisse

Wir suchten nach Studien, die bis zum 14. April 2020 veröffentlicht worden waren. Wir fanden 13 relevante Studien mit insgesamt 1770 Teilnehmern. Alle Studien wurden in einkommensstarken Ländern, an Universitäten, im häuslichen/kommunalen Umfeld, online oder innerhalb der Primärversorgung (beim Hausarzt) durchgeführt. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer in diesen Studien lag zwischen 20 und 41 Jahren. Die meisten Teilnehmenden waren Frauen. Sämtliche Interventionen waren auf das Individuum ausgerichtet: keine war auf die Umgebung oder Verfahrensweisen ausgerichtet. Zu den Interventionskomponenten zählten Geräte zur persönlichen Überwachung, Informations- oder Aufklärungsangebote, Beratung und Aufforderungen zur Veränderung von sitzendem oder liegendem Verhalten.

Wir untersuchten die folgenden primären Endpunkte: mit Geräten gemessene Zeit sedentären Verhaltens (z. B. Sitzen oder Liegen), selbstberichtete Zeit des Sitzens, selbstberichtete Zeit des Fernsehens und Pausen innerhalb der Zeit sedentären Verhaltens. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz war moderat bis sehr niedrig, hauptsächlich aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Risikos für Bias, nicht eindeutiger Befunde und ungenauer Ergebnisse. "Moderat" bedeutet in diesem Fall, dass zukünftige Forschung wahrscheinlich einen erheblichen Einfluss auf unser Vertrauen in die Effektschätzung haben wird und die Schätzung verändern könnte. "Sehr niedrig" bedeutet, dass jede Schätzung eines Effekts mit einer hohen Unsicherheit behaftet ist. Insgesamt gibt es keine ausreichende Evidenz, um Schlussfolgerungen darüber zu formulieren, ob Interventionen wirksam zu einer Verringerung von der im Sitzen oder Liegen verbrachten Zeit beitragen. Zusammengenommen lieferten die Studien keine Evidenz für eine Wirkung auf die mit Geräten gemessene Gesamtzeit des Sitzens und Liegens oder auf die Endpunktgruppen: selbstberichtete Zeit des Sitzens, selbstberichtete Zeit des Fernsehens oder Pausen innerhalb der Zeit Sitzens oder Liegens.

Wir untersuchten die folgenden sekundären Endpunkte: Körperzusammensetzung, Marker für Insulinresistenz, mit Geräten gemessene moderate bis starke körperliche Aktivität, selbstberichtete leichte körperliche Aktivität und Schrittanzahl. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für Body-Mass-Index und Glukose wurde als moderat bewertet; daher haben Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes wahrscheinlich nur einen geringe oder keine Wirkung auf diese Endpunkte. Interventionen könnten kurzfristig nur einen geringen oder keinen Unterschied in Bezug auf moderate bis starke körperliche Aktivität, Schrittanzahl und den Taillenumfang bewirken (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Es ist unklar, ob die Interventionen leichte körperliche Aktivität und mittelfristig moderate bis starke körperliche Aktivität verbessern (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die eingeschlossenen Studien berichteten keine Daten zu unerwünschten Ereignissen oder Symptomen.

Schlussfolgerungen

Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes zur Verringerung des Sitzens oder Liegens führen wahrscheinlich zu geringen oder keinen Unterschieden hinsichtlich der in dieser Verhaltensform verbrachten Zeit. Es ist unklar, ob Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes die Zeit, die im Sitzen verbracht wird, reduzieren. Interventionen bewirken möglicherweise nur geringe oder gar keine Unterschiede in der selbstberichteten Zeit des Fernsehens. Es ist mehr Forschung erforderlich, um die Wirksamkeit von Interventionen zu bewerten; des Weiteren sollten Studien Teilnehmende unterschiedlichen Alters sowie unterschiedlicher sozioökonomischer und ethnischer Gruppen einschließen.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes zur Verringerung sedentären Verhaltens bewirken kurzfristig wahrscheinlich nur einen geringen oder keinen Unterschied in der mittels Geräten gemessenen sedentären Zeit, und es ist unklar, ob sie die mit Geräten gemessene sedentäre Zeit mittelfristig verringern. Es ist unklar, ob Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes die Zeit, die im Sitzen verbracht wird, reduzieren. Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes könnten mittel- oder langfristig zu einem geringen oder keinem Unterschied in der selbstberichteten Zeit des Fernsehens führen. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist moderat bis sehr niedrig, hauptsächlich aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Risikos für Bias, inkonsistenter Befunde und unpräziser Ergebnisse. Künftige Studien sollten von längerer Dauer sein, Teilnehmer aus verschiedenen Altersgruppen, sozioökonomischen oder ethnischen Gruppen rekrutieren; und Daten zur Lebensqualität, Kostenwirksamkeit und zu unerwünschten Ereignissen erheben. Wir empfehlen dringend die Anwendung von Standardmethoden zur Datenaufbereitung und -analyse, um einen Vergleich der Wirksamkeit von Interventionen zur Verringerung sedentären Verhaltens zu ermöglichen.

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Hintergrund: 

Erwachsene verbringen einen Großteil ihrer Zeit außerhalb des Arbeitsplatzes sitzend oder liegend (sedentäres Verhalten). Sedentäres Verhaltens in großem Ausmaß erhöht das Risiko für Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sowohl die Gesamtmortalität als auch die Mortalität aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zielsetzungen: 

Primäres Ziel

• Bewertung der Auswirkungen von nicht-berufsbezogenen Interventionen zur Verringerung sedentären Verhaltens auf die sedentär verbrachte Zeit bei Erwachsenen unter 60 Jahren

Sekundäre Ziele

• Beschreibung anderer gesundheitlicher Wirkungen und unerwünschter Ereignisse oder unbeabsichtigter Folgen dieser Interventionen

• Untersuchung, ob bestimmte Interventionskomponenten mit Veränderungen des sedentären Verhaltens assoziiert sind

• Feststellung, ob es unterschiedliche Wirkungen der Interventionen gibt, die auf gesundheitlichen Ungleichheiten beruhen (z. B. Alter, Geschlecht, Einkommen, Beschäftigung)

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten CENTRAL, MEDLINE, Embase, die Cochrane Database of Systematic Reviews, CINAHL, PsycINFO, SportDiscus und ClinicalTrials.gov am 14. April 2020. Wir überprüften die Referenzen eingeschlossener Studien, suchten nach Zitaten und nahmen Kontakt mit Autoren innerhalb des Forschungsfeldes auf, um weitere Studien zu identifizieren.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und Cluster-RCTs von Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes, für Erwachsene im Alter von 18 bis 59 Jahren, ein. Wir schlossen Studien nur dann ein, wenn die Intervention das spezifische Ziel verfolgte (oder eine spezifische Komponente besaß), zu einer Änderung des sedentären Verhaltens beizutragen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren prüften unabhängig voneinander Titel/Abstracts und Volltexte von Studien auf Einschlussfähigkeit. Zwei Review-Autoren extrahierten unabhängig voneinander Daten und bewerteten das Risiko für Bias. Bei Bedarf nahmen wir Kontakt zu den Studienautoren auf, um die Bereitstellung zusätzlicher Informationen oder Daten zu erbeten. Wir untersuchten die folgenden primären Endpunkte: mit Geräten gemessene Zeit sedentären Verhaltens (z. B. Sitzen oder Liegen), selbstberichtete Zeit des Sitzens, selbstberichtete Zeit des Fernsehens und Pausen innerhalb der Zeit sedentären Verhaltens.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 13 Studien mit 1770 Teilnehmern ein, die alle in einkommensstarken Ländern durchgeführt wurden. Zehn waren RCTs und drei waren Cluster-RCTs. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag zwischen 20 und 41 Jahren. Der Großteil der Teilnehmer waren Frauen. Alle Interventionen wurden auf individueller Ebene durchgeführt. Zu den Interventionskomponenten zählten Geräte zur persönlichen Überwachung, Informations- oder Aufklärungsangebote, Beratung und Aufforderungen zur Veränderung von sitzendem oder liegendem Verhalten. Keine der Studien wies gemäß unserer Bewertung ein niedriges Risiko für Bias über alle Domänen hinweg auf. Aufgrund der Verwendung selbstberichteter Daten im Rahmen der Endpunkterhebung wiesen sieben Studien ein hohes Risiko für Bias bezüglich Verblindung der Endpunktmessung auf.

Primäre Endpunkte

Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes zeigen wahrscheinlich nur einen geringen oder keinen Unterschied in der mittels Geräten gemessenen sedentären Zeit bei kurzfristiger Betrachtung (Mittelwertdifferenz (MD) -8,36 Min./Tag, 95 % Konfidenzintervall (KI) -27,12 bis 10,40; 4 Studien; I² = 0 %; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Wir sind uns unklar darüber, ob Interventionen die mittels Geräten gemessene sedentäre Zeit bei mittelfristiger Betrachtung reduzieren (MD -51,37 Min./Tag, 95% KI -126,34 bis 23,59; 3 Studien; I² = 84 %; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Es ist unklar, ob Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes die selbstberichtete Zeit des Sitzens bei kurzfristiger Betrachtung reduzieren (MD -64,12 Min./Tag, 95 % KI -260,91 bis 132,67; I² = 86 %; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes bewirken möglicherweise bei mittelfristiger (MD -12,45 Min./Tag, 95 % KI -50,40 bis 25,49; 2 Studien; I² = 86 %; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) oder langfristiger Betrachtung (MD 0,30 Min./Tag, 95 % KI -0,63 bis 1,23; 2 Studien; I² = 0 %; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) nur geringe oder gar keine Unterschiede in der selbstberichteten Zeit des Fernsehens.

Es war nicht möglich, die fünf Studien, die bezüglich Pausen innerhalb der Zeit sedentären Verhaltens berichteten, statistisch zusammenzufassen, da die verwendeten Definitionen unterschiedlich waren.

Sekundäre Endpunkte

Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes bewirken bei mittelfristiger Betrachtung wahrscheinlich nur einen geringen oder keinem Unterschied im Body-Mass-Index (MD -0,25 kg/m², 95 % KI -0,48 bis -0,01; 3 Studien; I² = 0 %; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Interventionen bewirken möglicherweise bei mittelfristiger Betrachtung nur einen geringen oder keinen Unterschied im Taillenumfang (MD -2,04 cm, 95 % KI -9,06 bis 4,98; 2 Studien; I² = 65 %; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Die Interventionen bewirken bei kurzfristiger Betrachtung wahrscheinlich einen geringen oder gar keinen Unterschied bezüglich Glukose (MD -0,18 mmol/L, 95% KI -0,30 bis -0,06; 2 Studien; I² = 0 %; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), gleiches gilt bei mittelfristiger Betrachtung (MD -0,08 mmol/L, 95 % KI -0,21 bis 0,05; 2 Studien, I² = 0 %; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes bewirken möglicherweise bei kurzfristiger Betrachtung nur einen geringen oder keinen Unterschied im Endpunkt moderate bis starke körperliche Aktivität (MD 1,99 kg/m², 95 % KI -4,27 bis 8,25; 4 Studien; I² = 23 %; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Es ist unklar, ob Interventionen die mittels Geräten gemessene moderate bis starke körperliche Aktivität bei mittelfristiger Betrachtung verbessern (MD 6,59 Min./Tag, 95 % KI -7,35 bis 20,53; 3 Studien; I² = 70 %; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Es ist unklar, ob Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes leichte körperliche Aktivität bei kurzfristiger Betrachtung reduzieren (MD 156,32 Min./Tag, 95 % KI 34,34 bis 278,31; 2 Studien; I² = 79 %; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Interventionen bewirken möglicherweise bei kurzfristiger Betrachtung nur einen geringen oder keinen Unterschied in der Schrittanzahl (MD 226,90 Schritte/Tag, 95% KI -519,78 bis 973,59; 3 Studien; I² = 0 %; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Die eingeschlossenen Studien berichteten keine Daten zu unerwünschten Ereignissen oder Symptomen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Heise, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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