Kernaussagen
- Wir haben festgestellt, dass die Behandlung mit Alpha-Liponsäure nach sechsmonatiger Behandlung im Vergleich zu Placebo (Scheinbehandlung) wahrscheinlich nur eine geringe oder gar keine Wirkung auf die Symptome der Nervenschädigung und möglicherweise auch nur eine geringe oder gar keine Wirkung auf funktionelle Beeinträchtigungen hat.
- Bezüglich unerwünschter Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führen, gibt es wahrscheinlich nur einen geringen oder gar keinen Unterschied zwischen Alpha-Liponsäure und Placebo.
- Wir haben keine Studien gefunden, welche die Frage beantworten, ob eine Behandlung mit Alpha-Liponsäure die Lebensqualität verbessert oder die Risiken von Nervenschäden wie Geschwüre oder Amputationen bei Diabetikern verringert.
Was ist eine diabetische periphere Neuropathie?
Menschen mit Diabetes haben zu viel Zucker im Blut, weil ihre Bauchspeicheldrüse kein Insulin (Typ-1-Diabetes) oder nicht genug Insulin (Typ-2-Diabetes) produzieren kann. Diabetes ist eine der häufigsten Krankheiten, die nicht durch Ansteckung übertragen werden, und ihre Häufigkeit nimmt von Jahr zu Jahr zu. Sowohl bei Menschen mit Typ-1- als auch mit Typ-2-Diabetes können Komplikationen entstehen.
Ein erhöhter Blutzuckerspiegel kann die Durchblutung in den Blutgefäßen, die für die Versorgung der Nerven zuständig sind, einschränken, was Nervenschädigungen zur Folge haben kann (diabetische periphere Neuropathie). Das Hauptsymptom dieser Erkrankung sind Schmerzen. Weitere Symptome sind Kribbeln, Brennen, Taubheit, einschießende oder scharfe Schmerzen und auch eine extreme Empfindlichkeit gegenüber der Berührung der Haut durch Kleidung. Diese Symptome entstehen infolge einer direkten Schädigung der Nerven und weisen typischerweise Merkmale auf, die sich von den Schmerzen abheben, die durch Verletzungen oder Gewebeschäden bedingt sind. Daher sind übliche Schmerzmittel oft nicht wirksam bei der Linderung von Schmerzen, die durch periphere Neuropathie verursacht werden. Personen, die an peripherer Neuropathie leiden, können neben Schwäche und dem Verlust von Reflexen auch einen Verlust des Empfindungsvermögens erleiden. Diese Symptome können alltägliche Aktivitäten, wie das Gehen, beeinträchtigen und werden gemeinsam als funktionelle Beeinträchtigung bezeichnet.
Wie wird eine diabetische periphere Neuropathie behandelt?
Medikamente, die auch zur Behandlung von Depressionen oder Epilepsie eingesetzt werden, können die Symptome der diabetischen peripheren Neuropathie verbessern. Einige Studien legen nahe, dass das körpereigene Antioxidationsmittel Alpha-Liponsäure aufgrund seiner mutmaßlich entzündungshemmenden Wirkungen hilfreich sein könnte.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, ob mit Alpha-Liponsäure bei Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes hinsichtlich der Symptome der diabetischen peripheren Neuropathie, der Beeinträchtigung, der Lebensqualität und der Komplikationen (Bildung von Geschwüren, Amputation oder beides) eine Verbesserung erreicht werden kann verglichen mit keiner Behandlung oder Placebo (Scheinbehandlung). Wir wollten auch wissen, ob Alpha-Liponsäure unerwünschte Wirkungen hat.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, in denen die Behandlung mit Alpha-Liponsäure im Vergleich zu keiner Behandlung oder Placebo über mindestens sechs Monate untersucht wurde. Wir analysierten und fassten die Ergebnisse der Studien zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Ergebnisse.
Was fanden wir?
Wir fanden drei Studien, an denen 816 Erwachsene mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes teilnahmen. Die Teilnehmenden erhielten entweder Alpha-Liponsäure oder Placebo. Die Dosis der Alpha-Liponsäure reichte von 600 mg/Tag bis 1800 mg/Tag.
Alpha-Liponsäure hat nach sechsmonatiger Behandlung im Vergleich zu Placebo wahrscheinlich nur geringe oder gar keine Wirkung auf die Symptome der diabetischen peripheren Neuropathie und möglicherweise auch nur geringe oder gar keine Wirkung auf die funktionellen Beeinträchtigungen. Wenn man unerwünschte Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führen, betrachtet, gibt es wahrscheinlich nur einen geringen oder gar keinen Unterschied zwischen Alpha-Liponsäure und Placebo.
In keiner Studie wurde die Wirkung der Behandlung mit Alpha-Liponsäure auf die Lebensqualität oder die Komplikationen der peripheren Neuropathie gemessen.
Solange nicht bewiesen wurde, dass Alpha-Liponsäure überhaupt wirkt, ist ein Vergleich mit aktiven Behandlungen nicht sinnvoll.
Was schränkt die Evidenz ein?
Unser Vertrauen in die Evidenz zu Symptomen und unerwünschten Wirkungen ist moderat, da die Forschenden in allen drei Studien den Kontakt zu vielen Teilnehmenden vor dem Ende der Behandlung verloren (sog. „Loss to Follow-up“). Aus diesem Grund und weil das Ergebnis sehr ungenau war, haben wir auch wenig Vertrauen in die Evidenz zu funktionellen Beeinträchtigungen.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand vom 11. September 2022.
E. von Elm, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland