Hauptaussagen
Bei kariösen Milchzähnen ist es möglicherweise besser, eine handelsübliche Metallkrone auf den Zahn zu setzen oder die Karies vor der Füllung nur teilweise zu entfernen, als die Standardbehandlung durchzuführen, bei der die gesamte Karies vor der Füllung entfernt wird.
Bei kariösen bleibenden Zähnen ist es im Vergleich zur Standardbehandlung möglicherweise besser, vor der Füllung des Zahns die Karies teilweise zu entfernen oder diese Behandlung um einen zweiten Schritt zu ergänzen, bei dem nach einigen Monaten mehr Karies entfernt wird.
Um welches Beschwerdebild geht es?
Zahnkaries ist sehr häufig und kann Schmerzen, Schwierigkeiten beim Essen und Sprechen sowie Selbstunsicherheit verursachen. Zähne bestehen aus drei Schichten: dem Zahnschmelz (harte äußere Schicht), dem Dentin (harte innere Schicht) und dem Zahnmark (Nerven und Blutgefäße). Im Mundraum befinden sich Bakterien, die als klebriger Film, dem so genannten Zahnbelag (Plaque), auf unseren Zähnen wachsen. Diese Bakterien ernähren sich von dem Zucker aus unserer Ernährung und verwandeln ihn in Säure, die die Zähne beschädigt. Speichel kann diesen Prozess umkehren, aber wenn zu viel Zucker in der Ernährung enthalten ist oder die Bakterien nicht oft genug durch Zähneputzen entfernt werden, setzen die Säuren die Beschädigung der Zähne fort. Dies kann bis in das Dentin vordringen und schließlich ein Loch im Zahn verursachen (eine so genannte kavitierte kariöse Läsion). Wenn das Zahnmark erreicht wird, kann eine Infektion entstehen.
Wie werden die Läsionen behandelt?
Kavitierte kariöse (Dentin-)Läsionen können durch eine vollständige Entfernung der kariösen Teile des Zahns und das Einbringen einer Füllung behandelt werden. Zahnärzte bezeichnen dies als nicht-selektive Kariesentfernung und konventionelle Wiederherstellung. Dieses Vorgehen ist zwar wirksam, riskiert aber, dass der Zahn geschwächt wird oder, wenn das Zahnmark freigelegt wird, Probleme auftreten. Bei neueren Alternativen wird weniger oder gar kein kariöses Gewebe entfernt:
1. Selektive Entfernung von kariösem Gewebe (oder selektive Exkavation): Karies an den Rändern der Kavität wird vollständig entfernt, allerdings wird nahe am Zahnmark etwas erweichtes Dentin zurückgelassen. Anschließend wird eine Füllung eingebracht.
2. Schrittweises Entfernen von kariösem Gewebe: wie beim selektiven Entfernen wird ein Großteil der kariösen Teile entfernt, erweichtes Dentin jedoch in Bereichen nahe dem Zahnmark belassen und die Kavität mit Materialien wie Komposit befüllt. Nach einer mehrmonatigen Pause wird mehr von dem erweichten Dentin entfernt.
3. Versiegelung kariöser Läsionen mit Versiegelungsmaterialien: eine dünne Schicht aus Harz oder Glasionomer wird über den kariösen Zahn gestrichen, erhärtet innerhalb von wenigen Minuten und inaktiviert die Karies, da die Bakterien ihn nicht mehr erreichen können.
4. Versiegelung mit vorgefertigten Metallkronen (Hall-Technik): eine vorgefertigte Metallkrone (d.h. sie wird aus eine Auswahl an Größen ausgewählt, die gut auf den Zahn passen, aber nicht individuell für den Zahn gegossen wurden), wird auf den kariösen Zahn geschoben, um die kariöse Läsion zu versiegeln.
5. Nicht-restaurative Kariesbehandlung: die Kavitäten werden bearbeitet, um die Reinigung zu erleichtern, und die Patienten werden dabei unterstützt, gute Zahnpflege und Essgewohnheiten zu entwickeln, um das Risiko eines Fortschreitens der Karies zu senken.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten wissen, wie Zahnärzte am besten mit Karies umgehen, die in das Dentin vorgedrungen oder kavitiert ist.
Wie gingen wir vor?
Ein Informationsspezialist durchsuchte Datenbanken, um relevante Studien zu finden. Wir schlossen Studien ein, die als randomisierte klinische Studien bekannt sind, in denen eine Behandlung mit einer anderen Behandlung, einer Scheinbehandlung (Placebo) oder keiner Behandlung verglichen wird.
Wo möglich fassten wir die Studienergebnisse statistisch zusammen und führten eine statistische Methode namens Netzwerk-Metaanalyse durch, um die relative Wirksamkeit der Behandlungen zu bewerten.
Wir bewerteten, ob die Studien ein Risiko für Bias aufweisen und beurteilten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz anhand etablierter Kriterien.
Was fanden wir heraus?
Wir schlossen 27 Studien mit 3350 Teilnehmenden (4195 Zähne/Läsionen), meist Kindern, ein. Der Erfolg oder Misserfolg der Behandlung wurde in der Regel nach 12 bis 24 Monaten beurteilt.
Versiegelung mit Versiegelungsmaterialien im Vergleich zu anderen Interventionen für nicht-kavitierte oder kavitierte, aber nicht tiefe Läsionen
Die Evidenz ist sehr unsicher, daher wissen wir nicht, ob eine Versiegelung mit Versiegelungsmaterialien im Vergleich zur Standardbehandlung, der selektiven Entfernung oder keiner Behandlung besser, schlechter oder gleich gut ist.
Hall-Technik, konventionelle Wiederherstellung, selektive Entfernung, nicht-restaurative Kariesbehandlung für kavitierte, aber nicht tiefe Läsionen in Milchzähnen
Die Ergebnisse zeigten, dass die Hall-Technik möglicherweise eher erfolgreich ist als die Standardbehandlung oder eine nicht-restaurative Kariesbehandlung.
Die Evidenz ist sehr unsicher für selektive Entfernung im Vergleich zur Hall-Technik und für die konventionelle Wiederherstellung im Vergleich zur nicht-restaurativen Kariesbehandlung.
Konventionelle Wiederherstellung, selektive Entfernung, schrittweise Entfernung für tiefe Läsionen
Die schrittweise Entfernung ist für bleibende Zähne wahrscheinlich besser als die Standardbehandlung. Die Evidenz für Milchzähne ist sehr unsicher.
Die selektive Entfernung kann bei bleibenden Zähnen und möglicherweise bei Milchzähnen besser geeignet sein als die Standardbehandlung (allerdings ist die Evidenz sehr unsicher für Läsionen, die kavitiert aber nicht tief sind).
Die selektive Entfernung ist wahrscheinlich besser für bleibende Zähne als die schrittweise Entfernung. Die Evidenz für Milchzähne ist sehr unsicher.
Für tiefe Läsionen zeigte die Netzwerk-Metaanalyse, dass ein Fehlschlagen der Behandlung mit der Standardbehandlung im Vergleich zur selektiven Entfernung, schrittweisen Entfernung und der Hall-Technik am wahrscheinlichsten war.
Was sind die Einschränkungen der Evidenz?
Die meisten Studien schlossen nicht viele Personen ein und die meisten Personen hatten keine Probleme mit ihren Füllungen, unabhängig davon, welche Behandlung sie erhielten. Alle Studien hatten ein hohes Risiko für Bias. Momentan haben wir nur ein niedriges bis sehr niedriges Vertrauen in die meisten Ergebnisse. Das bedeutet, dass zukünftige Forschung zu anderen Schlussfolgerungen führen könnte.
Wie aktuell ist diese Evidenz?
Wir fanden Studien bis zum 21. Juli 2020.
A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland