Wie lässt sich eine Infektion mit dem BK-Virus bei Nierentransplantierten verhindern oder behandeln?

Kernaussagen

- Personen, die aufgrund eines Nierenversagens eine Nierentransplantation erhalten haben – ein Zustand, bei dem die Nieren nicht mehr ausreichend funktionieren, um das Überleben sicherzustellen – sind einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Das liegt daran, dass sie hochwirksame Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppressiva) einnehmen müssen, um zu verhindern, dass ihr Körper die neue Niere als fremd erkennt und abstößt. Dies birgt das Risiko einer Infektion, die die Funktion der transplantierten Niere beeinträchtigen könnte. Ein Virus namens BK-Virus, das ähnliche Symptome wie eine Erkältung hervorrufen kann, wird häufig bereits in frühen Lebensjahren aufgenommen und bleibt dann in einem inaktiven Zustand im Körper. Wenn das körpereigene Immunsystem unterdrückt wird, kann das Virus wieder aktiv werden.

- Ein intensives Screening auf eine BK-Virusinfektion im Blut oder Urin und eine frühzeitige Reduzierung der Dosis von Immunsuppressiva verhinderten den Verlust der transplantierten Niere und reduzierten die Menge des BK-Virus im Blut nach einem Jahr. Unser Vertrauen in die Wirkung anderer Maßnahmen ist gering, denn die meisten haben keinen oder nur einen geringen Einfluss auf den Verlust der transplantierten Niere, auf die Menge des BK-Virus im Blut und auf neue, mit dem BK-Virus verbundene Nierenerkrankungen. Über Nebenwirkungen wurde nur wenig berichtet.

Was ist das BK-Virus?

Das BK-Virus verursacht ähnliche Symptome wie eine Erkältung, und die meisten Menschen kommen bereits in der Kindheit mit ihm in Kontakt. Sobald sich eine Person mit dem BK-Virus infiziert hat, verbleibt das Virus in der Regel für den Rest des Lebens inaktiv im Körper. Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem – also dem natürlichen Abwehrmechanismus des Körpers gegen Eindringlinge – kann das Virus jedoch wieder aktiv werden. Menschen, die aufgrund eines Nierenversagens eine Nierentransplantation erhalten haben, müssen hochwirksame Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppressiva) einnehmen, um zu verhindern, dass ihr Körper die neue Niere als fremd erkennt und abstößt. Dadurch kann das BK-Virus wieder aktiv werden und die neue Niere befallen.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob Maßnahmen zur Vorbeugung oder Behandlung von BK-Virusinfektionen dazu beitragen, den Verlust der transplantierten Niere zu verhindern, die Menge des BK-Virus im Blut (Virämie) zu verringern und Nierenerkrankungen im Zusammenhang mit dem BK-Virus zu verhindern. Wir wollten auch herausfinden, ob diese Interventionen mit unerwünschten Wirkungen verbunden sind.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach allen Studien, die sich mit Nutzen und Risiken von Maßnahmen zur Vorbeugung oder Behandlung einer BK-Virusinfektion befassten. Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen, verglichen sie und bewerteten unser Vertrauen in die Informationen anhand von Faktoren wie Studienmethoden und Größe der Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden 12 Studien, an denen 2669 Menschen mit einer Nierentransplantation teilnahmen. Sechs Studien wurden in einzelnen Zentren durchgeführt, sechs waren multizentrische Studien; 2 davon waren internationale Studien. Die Altersspanne der Teilnehmenden reichte von 44 bis 57 Jahren. Die Dauer der Nachbeobachtung reichte von 3 Monaten bis zu 5 Jahren. Alle Studien schlossen Menschen mit einer Nierentransplantation ein, und 3 Studien schlossen Menschen mit Anzeichen einer BK-Virämie ein. Die Maßnahmen umfassten ein intensives Screening auf BK-Viren im Blut und Urin, um eine frühzeitige Anpassung der immunsuppressiven Therapie einzuleiten. Sobald das Virus nachgewiesen wurde, erfolgte entweder eine Anpassung der Dosis oder ein Wechsel der Immunsuppressiva. Zur Prävention und Behandlung der BK-Virämie wurden auch Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone eingesetzt.

Ein intensives Screening auf eine BK-Virusinfektion und eine frühzeitige Reduzierung der Dosis der Immunsuppressiva verhinderten den Verlust der transplantierten Niere und reduzierten die Menge des BK-Virus im Blut nach einem Jahr. Die Wirkung anderer Maßnahmen war unterschiedlich, wobei die meisten keinen oder nur einen geringen Einfluss auf den Verlust der transplantierten Niere, die BK-Virämie und eine mit dem BK-Virus assoziierte Nierenerkrankung zeigten. Über Nebenwirkungen wurde nur wenig berichtet.

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir sind sicher, dass ein intensives Screening auf das BK-Virus den Verlust der transplantierten Niere verhindert und dazu beiträgt, die Menge des BK-Virus im Blut zu verringern. Unser Vertrauen in die Ergebnisse der anderen Interventionen ist aufgrund der geringen Anzahl von Studien (pro Vergleich) und der geringen Größe der Studien niedrig bis sehr niedrig. Nicht alle Studien lieferten Daten für die Endpunkte, an denen wir interessiert waren, oder sie wurden in einer Weise berichtet, die wir nicht analysieren konnten.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 5. September 2024.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Eine intensive Überwachung auf BK-Virurie und BK-Virämie in der Frühphase nach der Transplantation ist für die Verbesserung der Ergebnisse bei BK-Virusinfektionen von großer Bedeutung. Sie ermöglicht eine frühzeitige Infektionserkennung und rechtzeitige Anpassung der Immunsuppression. Es gibt keine ausreichende Evidenz für andere Maßnahmen zur Behandlung der BK-Virusinfektion bei Nierentransplantatempfänger*innen.

Den gesamten wissenschaftlichen Abstract lesen...
Hintergrund: 

Die BK-Virus-assoziierte Nephropathie (BKVAN), die durch eine Infektion mit dem BK-Virus oder dessen Reaktivierung verursacht wird, ist nach wie vor eine Herausforderung bei der Nierentransplantation. Das Screening wird für alle Personen, die eine Niere transplantiert bekommen, empfohlen. Bei Patient*innnen mit klinisch signifikanter Infektion stellt die Verringerung der Immunsuppression den zentralen Ansatz der Behandlung dar. Es gibt keine spezifische antivirale oder immunmodulatorische Therapie, die ausreichend wirksam für den routinemäßigen Einsatz ist.

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews war es, Nutzen und Schaden von Maßnahmen zur Behandlung der BK-Virusinfektion bei Personen, die eine Niere transplantiert bekommen, zu untersuchen.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten das Cochrane Kidney and Transplant Register of Studies bis zum 5. September 2024 durch Kontakt mit Informationsspezialisten unter Verwendung von Suchbegriffen, die für diesen Review relevant sind. Die in das Register aufgenommenen Studien werden durch Recherchen in CENTRAL, MEDLINE und EMBASE, in Konferenzberichten, dem Suchportal der International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) und in ClinicalTrials.gov identifiziert.

Auswahlkriterien: 

Alle randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) und Kohortenstudien, die eine Intervention zur Behandlung oder Prävention von BKVAN bei Empfänger*innen von Nierentransplantaten untersuchten, wurden berücksichtigt.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autor*innen bewerteten unabhängig voneinander die Qualität der Studien und extrahierten die Daten. Zusammenfassende Schätzungen des Effekts wurden mithilfe eines Random-Effekts-Modells ermittelt, und die Ergebnisse wurden als Risikoverhältnisse (RR) und deren 95 %-Konfidenzintervalle (KI) für dichotome Ergebnisse und als mittlere Differenz (MD) und 95 %-KI für kontinuierliche Ergebnisse dargestellt. Das Vertrauen in die Evidenz wurde anhand des GRADE-Ansatzes (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation) bewertet.

Hauptergebnisse: 

Zwölf RCTs mit 2669 randomisierten Teilnehmenden wurden eingeschlossen. Sechs Studien wurden in einzelnen Zentren durchgeführt, sechs waren multizentrische Studien; zwei davon waren internationale Studien. Die Altersspanne der Teilnehmenden reichte von 44 bis 57 Jahren. Die Dauer der Nachbeobachtung reichte von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Alle Studien schlossen Menschen mit einer Nierentransplantation ein, drei Studien schlossen Menschen mit Anzeichen einer BK-Virämie ein. Die Studien waren in Bezug auf die Art der Maßnahmen und die bewerteten Endpunkte heterogen. Das allgemeine Risiko einer Verzerrung war niedrig oder unklar.

Ein intensives Screening zur frühzeitigen Erkennung von BK-Virämie oder BK-Virurie verhindert den Transplantat-Verlust (1 Studie, 908 Teilnehmende: RR 0,00, 95% KI 0,00 bis 0,05) und verringert das Vorhandensein von Decoy-Zellen und Virämie nach 12 Monaten (1 Studie, 908 Teilnehmende: RR 0,06, 95% KI 0,03 bis 0,11) im Vergleich zur Routineversorgung (Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit). Andere Ergebnisse wurden nicht berichtet.

Im Vergleich zu Placebo verringern Fluorchinolone möglicherweise das Risiko eines Transplantatverlustes geringfügig (3 Studien, 393 Teilnehmende): RR 0,37, KI 0,09 bis 1,57; I2 = 0 %; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit), beeinflussen wahrscheinlich nicht oder nur geringfügig spenderspezifische Antikörper (DSA), beeinflussen möglicherweise nicht oder nur geringfügig BK-Virämie und Tod. Im Vergleich zu Placebo ist die Wirkung von Fluorchinolonen auf BKVAN und Malignität ungewiss, möglicherweise erhöhen Fluorchinolone aber das Risiko einer Sehnenscheidenentzündung (2 Studien, 193 Teilnehmende: RR 5,66, KI 1,02 bis 31,32; I2 = 0%; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Im Vergleich zu Tacrolimus (TAC) beeinflusst Cyclosporin (CSA) wahrscheinlich nur geringfügig oder gar nicht Transplantatverlust und Tod, beeinflusst möglicherweise nur geringfügig oder gar nicht BKVAN und Malignität, verringert aber wahrscheinlich die BK-Virämie (2 Studien, 263 Teilnehmende): RR 0,61, 95% KI 0,26 bis 1,41; I2 = 38%) und reduziert wahrscheinlich das Risiko eines neu auftretenden Diabetes nach der Transplantation (1 Studie, 200 Teilnehmende: RR 0,41, 95% KI 0,12 bis 1,35) (für beide Endpunkte Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit).

Im Vergleich zu Azathioprin hat Mycophenolatmofetil (MMF) wahrscheinlich keinen oder nur einen geringen Einfluss auf den Transplantat-Verlust und die BK-Virämie, verringert aber wahrscheinlich das Risiko für Tod (1 Studie, 133 Teilnehmende): RR 0,43, 95% KI 0,16 bis 1,16) und Malignität (1 Studie, 199 Teilnehmende: RR 0,43, 95% KI 0,16 bis 1,16) (für beide Endpunkte Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit).

Im Vergleich zu Mycophenolat-Natrium (MPS) ist die Wirkung von CSA auf Transplantat-Verlust und Tod ungewiss, beeinflusst CSA möglicherweise die BK-Virämie nicht oder nur geringfügig, kann aber möglicherweise BKVAN reduzieren (1 Studie, 224 Teilnehmende): RR 0,06, 95% KI 0,00 bis 1,20; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Im Vergleich zu einer Dosisreduzierung der Immunsuppression beeinflusst die Umstellung von MMF oder TAC auf Everolimus oder Sirolimus möglicherweise Transplantat-Verlust, BK-Virämie oder BKVA nicht oder nur geringfügig (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Die Umstellung von TAC auf Sirolimus führt wahrscheinlich bei mehr Menschen zu einer reduzierten BK-Viruslast (< 600 Kopien/ml) als eine Reduzierung der Immunsuppression (1 Studie, 30 Teilnehmende): RR 1,31, 95% KI 0,90 bis 1,89; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit).

Im Vergleich zu MPS ist die Wirkung von Everolimus auf Transplantat-Verlust und die BK-Virämie ungewiss, möglicherweise verringert Everolimus aber BKVAN (1 Studie, 135 Teilnehmende): 0,06, 95% KI 0,00 bis 1,11) und erhöht möglicherweise das Sterberisiko (1 Studie, 135 Teilnehmende: RR 3,71, 95% KI 0,20 bis 67,35) (für beide Endpunkte Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Im Vergleich zu CSA beeinflusst Everolimus möglicherweise nur geringfügig oder gar nicht BK-Virämie, hat ungewisse Wirkungen auf den Transplantat-Verlust und BKVAN, erhöht aber möglicherweise das Sterberisiko (1 Studie, 185 Teilnehmende): RR 3,71, 95% KI 0,42 bis 32,55; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Das Leflunomid-Derivat FK778 hat im Vergleich zur Reduktion der Immunsuppression möglicherweise nur einen geringen oder gar keinen Einfluss auf den Transplantat-Verlust, führt wahrscheinlich zu einer stärkeren Senkung der BK-Viruslast im Plasma (1 Studie, 44 Teilnehmende: -0,60 Kopien/µl, 95% KI -1,22 bis 0,02; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit), hat aber ungewisse Wirkungen auf BKVAN und Malignität. Hoher Blutdruck kann durch KF778 verstärkt werden (1 Studie, 46 Teilnehmende: RR 8,23, 95% KI 0,50 bis 135,40; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). In beiden Gruppen gab es keine Todesfälle.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, DGU, freigegeben durch Cochrane Deutschland

Tools
Information

Cochrane Kompakt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Cochrane Schweiz, Cochrane Deutschland und Cochrane Österreich. Wir danken unseren Sponsoren und Unterstützern. Eine Übersicht finden Sie hier.