Nicht-medikamentöse Behandlung von Schmerzen bei Neugeborenen während des endotrachealen Absaugens

Kernaussagen

- Das behutsame Halten des Babys in einer gebeugten, fötalen Position – also das sanfte Anordnen der Arme und Beine des Babys nahe am Körper in einer leicht gebeugten Form, während das Baby entweder auf der Seite, auf dem Rücken mit dem Gesicht nach oben oder auf dem Bauch mit dem Kopf zur Seite liegt – kann wahrscheinlich dabei helfen, Schmerzen bei beatmeten Neugeborenen während des endotrachealen Absaugens zu reduzieren.

Was ist eine endotracheale Absaugung?

Ein Endotrachealtubus ist ein flexibler Kunststoffschlauch, der entweder durch die Nase oder den Mund in die Luftröhre eingeführt wird, um die Atemwege bei mechanisch beatmeten Neugeborenen offen zu halten. Der Schlauch ist an ein Beatmungsgerät angeschlossen, welches die Atmung des Babys unterstützt.

Die Spitze des Endotrachealtubus wird abgesaugt, um sicherzustellen, dass sie frei von Sekreten bleibt und offen ist. Dadurch kann das Baby problemlos Sauerstoff einatmen. Das endotracheale Absaugen ist ein Standardverfahren der Krankenpflege. Es ist schmerzhaft und unangenehm für den Säugling.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, wie man die Schmerzen von Säuglingen während des endotrachealen Absaugens ohne den Einsatz von Medikamenten verringern kann.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten in medizinischen Datenbanken nach klinischen Studien, die sich mit der Verringerung der Schmerzen von Säuglingen während der endotrachealen Absaugung befassen.

Was fanden wir?

Wir fanden acht Studien mit 386 Säuglingen.

Wir untersuchten sechs verschiedene Möglichkeiten, die Schmerzen von Säuglingen während des endotrachealen Absaugens ohne den Einsatz von Medikamenten zu lindern, z. B:

- den Säugling behutsam in einer gebeugten, fötale Position halten;

- vertrauter Geruch (Muttermilchgeruch);

- Verwendung einer Zuckerlösung (Saccharose);

- Verwendung von abgepumpter Muttermilch;

- Hintergrundrauschen;

- straffes Einwickeln.

Hauptergebnisse

Bei beatmeten Neugeborenen

Das sanfte Halten in einer entspannten, gekrümmten Position reduziert wahrscheinlich die Schmerzen beim endotrachealen Absaugen.

Vertrauter Geruch und Hintergrundrauschen haben während des endotrachealen Absaugens keine oder nur geringe Wirkungen. Bei der Verwendung von abgepumpter Muttermilch oder oraler Saccharose scheint es keinen wirklichen Vorteil einer Methode gegenüber der anderen zu geben, um Schmerzen während des endotrachealen Absaugens zu verringern.

Was schränkt die Evidenz ein?

Es gibt nicht genügend Studien, um in diesem Review verlässliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Zudem war dem medizinischen Personal bekannt, welche Methode zur Schmerzlinderung angewendet wurde. Weitere Studien sind erforderlich.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 21. Juni 2023.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Halten des Säuglings in einer gebeugten Haltung / vierhändige Pflege / sanfte menschliche Berührung verringert wahrscheinlich den PIPP-Wert. Die Evidenz einer einzelnen Studie deutet darauf hin, dass das Halten des Säuglings in einer gebeugten Haltung / vierhändige Pflege / sanfte menschliche Berührung die Selbstregulation und das Annäherungsverhalten während des endotrachealen Absaugens leicht verbessert.

Basierend auf den Ergebnissen einer einzelnen Studie haben vertrauter Geruch und Hintergrundrauschen nur geringe oder keine Wirkungen auf die untersuchten Endpunkte im Vergleich zu keiner Intervention. Die Verwendung von abgepumpter Muttermilch oder oraler Saccharose deutet darauf hin, dass es keinen erkennbaren Vorteil der einen gegenüber der anderen Methode gibt, um die Schmerzen beim endotrachealen Absaugen zu verringern. Keine der Studien berichtete über einen der vordefinierten sekundären Endpunkte (unerwünschte Ereignisse).

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Hintergrund: 

Unzureichend behandelte Schmerzen bergen für Frühgeborene ein erhöhtes Risiko, aufgrund ihres noch nicht voll entwickelten Schmerzsystems klinische und verhaltensbezogene Folgeerscheinungen zu entwickeln. Frühgeborene, die intensivmedizinische Betreuung benötigen, sind wiederkehrend und anhaltend schädlichen Einflüssen ausgesetzt. Dies geschieht während einer kritischen Phase ihrer Gehirnentwicklung, in der das Gehirnwachstum seinen Höhepunkt erreicht, eine intensive Bildung von Synapsen stattfindet und die Entwicklung sowie Regulation spezifischer Rezeptorgruppen erfolgt.

Fast zwei Drittel der Säuglinge, die vor der 29. Schwangerschaftswoche geboren werden, müssen für eine gewisse Zeit mechanisch beatmet werden. Diese Neugeborenen werden über einen Endotrachealtubus beatmet und müssen regelmäßig durch endotracheales Absaugen versorgt werden. Die endotracheale Absaugung gehört zu den häufigsten und schmerzhaftesten Eingriffen bei Frühgeborenen und kann mittlere bis starke Schmerzen verursachen. Trotz verbesserter Pflegestandards und Verfahren, die speziell auf die Bedürfnisse der Neugeborenen abgestimmt sind, bleibt das endotracheale Absaugen ein Vorgang, der leichte Schmerzen verursacht.

Zielsetzungen: 

Bewertung des Nutzens und Schadens von nicht-medikamentösen Interventionen zur Vorbeugung von Schmerzen während des endotrachealen Absaugens bei mechanisch beatmeten Neugeborenen. Nicht-medikamentöse Interventionen wurden mit keiner Intervention, der Standardversorgung oder einer anderen nicht-medikamentösen Intervention verglichen.

Suchstrategie: 

Wir haben im Juni 2023 im Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), in MEDLINE über PubMed, Embase, CINAHL und drei Studienregistern recherchiert. Wir durchsuchten die Referenzlisten der entsprechenden systematischen Übersichten und der für die Aufnahme ausgewählten Studien.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), Quasi-RCTs und Cluster-RCTs ein, die Neu- und Frühgeborene einschlossen, die über einen Endotrachealtubus oder einen Tracheostomietubus mechanisch beatmet wurden und bei denen eine endotracheale Absaugung durch Ärztinnen/Ärzte, Pflegefachkräfte, Physiotherapeutinnen/Physiotherapeuten oder anderes medizinisches Personal erforderlich war.

Datensammlung und ‐analyse: 

Unsere wichtigsten Endpunkte waren validierte zusammengesetzte Schmerz-Scores, die eine Kombination aus Verhaltenssignalen, physiologischen Reaktionen und kontextabhängigen Anzeichen einschließen. Zu den sekundären Endpunkten zählten einzelne physiologische und verhaltensbasierte Anzeichen von Schmerzen.

Wir verwendeten die standardisierte Cochrane-Methodik. Für kontinuierliche Endpunkte wurde ein Fixed-Effect-Modell verwendet und die mittleren Unterschiede (MD) mit 95 %-Konfidenzintervallen (KIs) angegeben. Für kategoriale Endpunkte wurden das übliche Risikoverhältnis (RR) und die Risikodifferenz (RD) sowie 95 %-KIs angegeben. Wir bewerteten das Bias-Risiko mit dem Cochrane RoB 1-Tool und bewerteten die Sicherheit der Evidenz nach GRADE.

Hauptergebnisse: 

Wir haben acht RCTs (neun Berichte) mit 386 Säuglingen in unsere Untersuchung einbezogen. Fünf der acht Studien wurden in eine Metaanalyse einbezogen. An allen Studien nahmen Frühgeborene teil.

Das sanfte Halten des Säuglings in einer gebeugten Haltung im Vergleich zur Standardversorgung (vier Studien)

Das sanfte Halten des Säuglings in einer gebeugten Haltung reduziert wahrscheinlich den PIPP-Score (Premature Infant Pain Profile) während des endotrachealen Absaugens (MD -2,76, 95%-KI 3,57 bis 1,96; I² = 82%; 4 Studien, 148 Säuglinge; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Das sanfte Halten des Säuglings in einer gebeugten Haltung während des endotrachealen Absaugens hat wahrscheinlich keine oder nur geringe Wirkungen auf die Herzfrequenz: (MD -3,06 Schläge pro Minute (bpm), 95%-KI -9,33 bis 3,21; I² = 0%; 2 Studien, 80 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz); Sauerstoffsättigung: (MD 0,87, 95%-KI -1,33 bis 3,08; I² = 0%; 2 Studien, 80 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz); Stress und defensives Verhalten (SDB): (MD -1,20, 95%-KI -3,47 bis 1,07; 1 Studie, 20 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Das sanfte Halten des Säuglings in einer gebeugten Haltung kann zu einer leichten Zunahme des selbstregulierenden Verhaltens (SRB) führen während der endotrachealen Absaugung (MD 0,90, 95%-KI 0,20 bis 1,60; 1 Studie, 20 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

In keiner Studie wurde über intraventrikuläre Blutungen (IVH) berichtet.

Vertrauter Geruch versus Standardversorgung (eine Studie)

Der vertraute Geruch während des endotrachealen Absaugens hat wahrscheinlich nur geringe oder gar keine Wirkungen: PIPP-Score (MD -0,30, 95%-KI -2,15 bis 1,55; 1 Studie, 40 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz); Herzfrequenz: (MD -6,30 bpm, 95%-KI -16,04 bis 3,44; 1 Studie, 40 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz); oder Sauerstoffsättigung während des endotrachealen Absaugens (MD -0,80, 95%-KI -4,82 bis 3,22; 1 Studie, 40 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

In keiner Studie wurde über SRB, SDB oder IVH berichtet.

Rauschen im Hintergrund (eine Studie)

Rauschen im Hintergrund während des endotrachealen Absaugens hat wahrscheinlich nur geringe oder gar keine Wirkungen auf PIPP (MD -0,65, 95%-KI -2,51 bis 1,21; 1 Studie, 40 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), Herzfrequenz (MD -1,85 bpm, 95%-KI -11,46 bis 7,76; 1 Studie, 40 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) oder Sauerstoffsättigung (MD 2,25, 95%-KI -2,03 bis 6,53; 1 Studie, 40 Säuglinge; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

In keiner Studie wurde über SRB, SDB oder IVH berichtet.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Vogt, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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