Sind Interventionen, die sich an Menschen mit Schizophrenie und ihre Familien richten, wirksamer als die Standardbehandlung?

Kernaussagen

- Familienbasierte Interventionen verringern möglicherweise Rückfälle bei Schizophreniepatient*innen.

- Familienbasierte Interventionen verringern wahrscheinlich die Belastung der Betreuungspersonen. Sie verbessern möglicherweise den emotionalen Ausdruck (d. h. ungünstige familiäre Bedingungen einschließlich familiärer Beziehungen und Interaktionsmuster) in Familien von Menschen mit Schizophrenie.

- Es sind weitere Studien erforderlich, um aussagekräftige Schlussfolgerungen über familienbasierte Interventionen für Menschen mit Schizophrenie und ihre Familien zu ziehen.

Was ist Schizophrenie und welche Auswirkungen hat sie auf Familien?

Schizophrenie ist eine schwere, langwierige psychische Erkrankung. Menschen mit Schizophrenie können an Wahnvorstellungen, Halluzinationen, desorganisiertem Sprachgebrauch, einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit und Selbstversorgung oder an einer Kombination dieser Symptome leiden. Viele Betroffene erholen sich zwischenzeitlich und erkranken dann erneut (Rückfall). Die Behandlung wird in der Regel über einen langen Zeitraum durchgeführt. Sie erfolgt medikamentös und durch „psychosoziale“ Maßnahmen, wie dem Training sozialer Fähigkeiten sowie Gesprächs- und Verhaltenstherapien, die den Patient*innen helfen, sich zu erholen und ihre Symptome zu kontrollieren. Die Familie spielt eine Schlüsselrolle bei der Pflege Schizophrenie-kranker Angehöriger. Dies trägt wiederum wahrscheinlich zu einem hohen Maß an Stress und Belastung für die Familie bei und erhöht das Risiko eines Rückfalls bei den Patient*innen. Familienbasierte Interventionen konzentrieren sich auf die Verbesserung des Wissens über die Erkrankung, der Emotionen, der Verhaltensweisen und des gesamten familiären Umfelds. Dadurch werden das Wohlbefinden der Familie und der Umgang mit den Symptome der Patient*innen gefördert. Obwohl Betroffene Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre und der Belastung ihrer Familien haben, stimmen die meisten dem Einbezug ihrer Familien in die Behandlung zu.

Was wollten wir herausfinden?

Mehrere Leitlinien empfehlen familienbasierte Interventionen, allerdings ist die Evidenz für ihre Wirksamkeit bei Menschen mit Schizophrenie und ihren Familien derzeit uneinheitlich und nicht eindeutig belegt. Wir wollten die Wirkungen familienbasierter Interventionen für Menschen mit Erkrankungen aus dem Schizophrenie-Spektrum und ihre Familien im Vergleich zur Standardbehandlung bewerten.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, die familienbasierte Interventionen für Menschen mit Schizophrenie und ihre Familien untersuchten. Wir verglichen die Ergebnisse der Studien, fassten sie mit statistischen Methoden zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz.

Was fanden wir?

Wir fanden 26 Studien mit 1985 Menschen mit Schizophrenie und 2056 Familienmitgliedern. Die einbezogenen Patient*innen waren vorwiegend zwischen 26 und 38 Jahre alt und litten seit 2,5 bis 13 Jahren an Schizophrenie. Das Alter der Familienmitglieder reichte von etwa 36 bis 56 Jahren. Die Studien wurden in 12 Ländern durchgeführt.

Im Vergleich zu Standardbehandlungen führen familienbasierte Interventionen:

- möglicherweise zu einer Verringerung des Rückfalls der Patient*innen bis zu einem Monat nach der Behandlung (4 Studien, 229 Personen);

- wahrscheinlich zu einer geringeren Belastung der Betreuungspersonen bis zu einem Monat nach der Behandlung (8 Studien, 563 Personen);

- möglicherweise dazu, dass mehr Familien bis zum Studienende von einem hohen zu einem niedrigen emotionalen Ausdruck (d. h. einem ungünstigen familiären Umfeld) übergehen (2 Studien, 72 Personen);

- möglicherweise zu einem geringen bis gar keinen Unterschied bei den Todesfällen der Patient*innen im Laufe der Studie (6 Studien, 304 Personen); und

- möglicherweise zu einem geringen bis gar keinen Unterschied bei der Krankenhausaufnahme der Patient*innen bis zu einem Monat nach der Behandlung (2 Studien, 153 Personen).

Wir wissen nicht genau, ob familienbasierte Interventionen den Patient*innen helfen, ihre Medikamente weiter einzunehmen oder ihre Lebensqualität zu verbessern.

Was schränkt die Evidenz ein?

Unser Vertrauen in die meisten Ergebnisse ist aus mehreren Gründen begrenzt. Die meisten Studien umfassten nur eine kleine Anzahl von Personen, die wahrscheinlich wussten zu welcher Behandlungsgruppe sie gehörten, was ihr Verhalten ändern könnte. Über viele der Studien fanden wir nur sehr wenige Informationen, und nur wenige Studien lieferten Informationen zu den Punkten, die uns hauptsächlich interessierten (einschließlich der von den familiären emotionalen Ausdruck, der vorschriftsmäßigen Einnahme der Medikation durch die Patient*innen und der Lebensqualität). In den Studien wurde eine Vielzahl von Interventionen eingesetzt, die jeweils unterschiedlich durchgeführt und gemessen wurden. Dies erschwerte uns den Vergleich der Ergebnisse.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Dieser Review ist eine Aktualisierung eines Cochrane Reviews aus dem Jahr 2011. Die Evidenz ist auf dem Stand von April 2023.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

F. Halter, L. Gorenflo, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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