Wie schneiden minimalinvasive Behandlungen im Vergleich zu herkömmlichen chirurgischen Eingriffen bei der Behandlung von Symptomen des unteren Harntrakts bei Männern ab?

Hintergrund

Ältere Männer leiden häufig unter Harnwegsbeschwerden wie häufigem Wasserlassen oder einem schwachen Harnstrahl. Wenn diese Symptome auf eine vergrößerte Prostata zurückzuführen sind und Lebensstiländerungen und Medikamente nicht ausreichend helfen, gibt es chirurgische Verfahren, die helfen können. Ein solches Verfahren ist die transurethrale Resektion der Prostata. Diese traditionell häufig durchgeführte Operation ist seit langem weit verbreitet und bekannt dafür, dass sie gut funktioniert. Sie erfordert allerdings eine Anästhesie und hat verschiedene unerwünschte Wirkungen. Inzwischen gibt es auch andere, „minimalinvasive“ chirurgische Verfahren. Diese Verfahren sollen ähnlich gut funktionieren, jedoch mit weniger unerwünschten Wirkungen. Bei den fünf hier untersuchten minimal-invasiven Verfahren handelt es sich um das „Prostata-Harnröhren-Lifting-Verfahren“, die „konvektive Radiofrequenz-Wasserdampf-Therapie“, die „transurethrale Mikrowellen-Thermotherapie“, die „Prostata-Arterien-Embolisation“ und die „temporär implantierbare Nitinol-Vorrichtung“.

Fragestellung des Reviews

In dieser Übersichtsarbeit haben wir fünf neuere Behandlungsformen für Männer mit Symptomen des unteren Harntrakts mit der traditionellen Operation oder einer „Scheinoperation“ verglichen. Bei der Scheinoperation dachten die Männer, sie würden operiert, was jedoch nicht der Fall war.

Methoden

Wir haben die empfohlenen Cochrane-Methoden und GRADE angewandt, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu bewerten. Eine spezielle statistische Methode, die so genannte Netzwerk-Metaanalyse, wurde verwendet, um verschiedene Behandlungen zu vergleichen.

Datum der Suche

Die Ergebnisse unserer Studie sind bis Februar 2021 aktuell.

Eingeschlossene Studien

Wir schlossen 27 randomisierte kontrollierte Studien ein. Bei dieser Art von Studie entschied der Zufall, ob die Männer einem der neueren chirurgischen Verfahren oder einer herkömmlichen Operation (oder Scheinoperation) zugewiesen wurden. Diese Methode der Zuweisung von Teilnehmern zu „Interventions-“ oder „Kontrollgruppen“ trägt dazu bei, Verzerrungen in klinischen Studien zu verringern.

Die Männer waren meist über 50 Jahre alt und hatten schwere Harnsymptome. In den meisten Studien (16 Studien) wurde die transurethrale Mikrowellen-Thermotherapie eingesetzt. In 11 Studien wurden Männer über einen Zeitraum von weniger als einem Jahr und in 9 Studien über einen Zeitraum von einem Jahr beobachtet. Nur 7 Studien haben Männer zwei Jahre oder länger beobachtet.

Finanzielle Förderung

Die meisten Studien gaben ihre Finanzierungsquellen nicht an, während andere berichteten, dass diejenigen, die die Studie bezahlten, zumindest etwas Geld von dem Unternehmen erhielten, das das verwendete Gerät herstellte.

Hauptergebnisse

Wir berichten nur über die Resultate für die drei unserer Meinung nach wichtigsten Ergebnisse: Harnsymptome, Lebensqualität und unerwünschte Wirkungen, wobei wir diese Behandlungen mit der herkömmlichen Operation vergleichen. Die Übersichtsarbeit enthält auch Informationen über verschiedene andere Ergebnisse und deren Vergleich mit einer Scheinoperation.

Die Prostata-Harnröhren-Lifting-Verfahren und die arterielle Embolisation bewirken bei Männern mit Symptomen kurzfristig (bis zu 12 Monate) kaum einen Unterschied im Vergleich zur herkömmlichen Operation. Die anderen minimalinvasiven Eingriffe führen möglicherweise bei der kurzfristigen Nachbeobachtung zu schlechteren Symptomen als die herkömmliche Operation, aber es kann auch sein, dass kein Unterschied besteht. Alle Behandlungen führen möglicherweise bei kurzfristiger Nachbeobachtung zu einem geringen bis gar keinem Unterschied in der Lebensqualität im Vergleich zur herkömmlichen Operation. Die transurethrale Mikrowellen-Thermotherapie sowie die anderen minimalinvasiven Behandlungen führen wahrscheinlich zu einer starken Verringerung der schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse im Vergleich zu herkömmlichen chirurgischen Eingriffen. Die transurethrale Mikrowellen-Thermotherapie kann zu höheren Rückfallquoten führen, worüber wir uns für die anderen minimalinvasiven Verfahren nicht sicher sind. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Erektions- und Ejakulationsfunktion sind ebenso ungewiss.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Der Grad der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz war für jedes der Ergebnisse unterschiedlich, jedoch meist niedrig oder sehr niedrig. Die Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit sind daher nicht gesichert. Ein häufiger Grund für die Herabstufung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz waren Mängel bei der Planung und Durchführung der Studien. Außerdem unterschieden sich die Ergebnisse der einzelnen Studien untereinander sehr und waren oft ungenau.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Minimalinvasive Behandlungen können im Vergleich zur TURP bei der kurzfristigen Nachbeobachtung ähnliche oder schlechtere Auswirkungen auf Harnsymptome und Lebensqualität haben. Sie können auch zu einer geringeren Zahl von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen führen. PUL und PAE schnitten in den Symptom-Scores besser ab und PUL führt möglicherweise zu weniger Wiederholungsbehandlungen, insbesondere im Vergleich zu TUMT, das die höchsten Raten von Wiederholungsbehandlungen aufwies. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Erektions- und Ejakulationsfunktion sind sehr ungewiss. Es gab nur wenige Langzeitdaten, insbesondere für CRFWVT und TIND. Künftige qualitativ hochwertige Studien mit einer längeren Nachbeobachtungszeit könnten mehr Informationen über die relative Wirksamkeit dieser Maßnahmen liefern. Sie sollten verschiedene aktive Behandlungsmodalitäten vergleichen und wichtige, für die Patienten relevante Ergebnisse, einschließlich solcher zur Sexualfunktion, angemessen erfassen.

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Hintergrund: 

Als Alternative zur transurethralen Resektion der Prostata (TURP) zur Behandlung von Symptomen des unteren Harntrakts (LUTS) bei Männern mit benigner Prostatahyperplasie (BPH) stehen verschiedene minimalinvasive Behandlungen zur Verfügung. Es ist jedoch unklar, welche Behandlungen bessere Ergebnisse liefern.

Zielsetzungen: 

Unser primäres Ziel war es, die relative Wirksamkeit von minimal-invasiven Behandlungen für Symptome des unteren Harntrakts bei Männern mit BPH durch eine Netzwerk-Metaanalyse zu bewerten. Unser sekundäres Ziel war es, eine Schätzung der relativen Rangfolge dieser minimalinvasiven Behandlungen auf Basis ihrer Wirkungen zu erhalten.

Suchstrategie: 

Wir haben eine umfassende Suche in mehreren Datenbanken (CENTRAL, MEDLINE, Embase, Scopus, Web of Science und LILACS), Studienregistern, anderen Quellen grauer Literatur und Konferenzberichten mit Stichtag 24. Februar 2021 durchgeführt. Es gab keine Einschränkungen hinsichtlich der Sprache der Veröffentlichung oder des Veröffentlichungsstatus.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte, kontrollierte Parallelgruppenstudien ein, die die Auswirkungen der folgenden minimal-invasiven Behandlungen im Vergleich zur TURP oder Scheinbehandlung bei Männern mit mittelschwerem bis schwerem LUTS aufgrund von BPH untersuchten: konvektive Radiofrequenz-Wasserdampf-Therapie (CRFWVT); arterielle Prostataembolisation (PAE); Prostata-Urethral-Lift (PUL); temporäres implantierbares Nitinol-Gerät (TIND); und transurethrale Mikrowellen-Thermotherapie (TUMT).

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autoren überprüften unabhängig voneinander die Literatur, extrahierten die Daten und bewerteten das Risiko für Bias. Die statistischen Analysen wurden mit einem random-effects-Modell für paarweise Vergleiche und einer frequentistischen Netzwerk-Metaanalyse für kombinierte Schätzungen durchgeführt. Wir haben sie nach der Cochrane-Methode interpretiert. Für den Internationalen Prostata-Symptom-Score [IPSS] wurde ein minimal bedeutsamer Unterschied von drei Punkten angenommen. Wir haben den GRADE-Ansatz verwendet, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu bewerten.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 27 Studien ein, an denen 3017 Männer, zumeist über 50 Jahre alt, mit schweren LUTS aufgrund von BPH teilnahmen. Die Gesamtvertrauenswürdigkeit der Evidenz war gering bis sehr gering aufgrund von Bedenken hinsichtlich Verzerrung (Bias), Ungenauigkeit, Inkonsistenz (Heterogenität) und Inkohärenz. Auf Grundlage der Netzwerk-Metaanalyse ergaben sich folgende Ergebnisse für unsere Hauptergebniskategorien.

Urologische Symptome (19 Studien, 1847 Teilnehmer): PUL und PAE führen möglicherweise im Vergleich zur TURP zu geringen bis keinen Unterschieden bei den urologischen Symptomen (3 bis 12 Monate; MD des IPSS im Bereich von 0 bis 35; höhere Werte bedeuten schlechtere Symptome; PUL: 1,47, 95% KI -4,00 bis 6,93; PAE: 1,55, 95% KI -1,23 bis 4,33; geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). CRFWVT, TUMT und TIND führen möglicherweise im Vergleich zur TURP bei der kurzfristigen Nachbeobachtung zu einer Verschlechterung der urologischen Symptomatik, aber die KI beinhalten wenig bis keinen Unterschied (CRFWVT: 3,6, 95% KI -4,25 bis 11,46; TUMT: 3,98, 95% KI 0,85 bis 7,10; TIND: 7,5, 95% KI -0,68 bis 15,69; geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Lebensqualität (QoL) (13 Studien, 1459 Teilnehmer): Alle Interventionen führen möglicherweise im Vergleich zur TURP zu geringen bis keinen Unterschieden in den QoL-Werten (3 bis 12 Monate; MD des IPSS-QoL-Scores; MD-Bereich 0 bis 6; höhere Werte bedeuten schlechtere Symptome; PUL: 0,06, 95% KI -1,17 bis 1,30; PAE: 0,09, 95% KI -0,57 bis 0,75; CRFWVT: 0,37, 95% KI -1,45 bis 2,20; TUMT: 0,65, 95% KI -0,48 bis 1,78; TIND: 0,87, 95% KI -1,04 bis 2,79; geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (15 Studien, 1573 Teilnehmer): Die TUMT führt im Vergleich zur TURP wahrscheinlich zu einer deutlichen Verringerung schwerwiegender unerwünschter Ereignisse (RR 0,20, 95% KI 0,09 bis 0,43; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). PUL, CRFWVT, TIND und PAE führen möglicherweise auch zu einer starken Verringerung der wichtigsten unerwünschten Ereignisse , aber die KI umfassen erhebliche Vorteile und Nachteile nach drei Monaten bis 36 Monaten; PUL: RR 0,30, 95% KI 0,04 bis 2,22; CRFWVT: RR 0,37, 95% KI 0,01 bis 18,62; TIND: RR 0,52, 95% KI 0,01 bis 24,46; PAE: RR 0,65, 95% KI 0,25 bis 1,68; geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Wiederholungsbehandlung (10 Studien, 799 Teilnehmer): Wir sind uns nicht sicher, wie sich PAE und PUL im Vergleich zur TURP auf Wiederholungsbehandlungen auswirken (12 bis 60 Monate; PUL: RR 2,39, 95% CI 0,51 to 11,1; PAE: RR 4,39, 95% CI 1,25 bis 15,44; sehr geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). TUMT kann zu höheren Wiederbehandlungsraten führen (RR 9,71, 95% KI 2,35 bis 40,13; Evidenz von geringer Vertrauenswürdigkeit). Es lagen nicht genügend Daten zu CRFWVT und TIND vor, um sie in diese Analyse einzubeziehen.

Erektile Funktion (6 Studien, 640 Teilnehmer): Die Auswirkungen minimalinvasiver Behandlungen auf die erektile Funktion (MD des International Index of Erectile Function [IIEF-5]; Bereich 5 bis 25; höhere Werte bedeuten eine bessere Funktion; CRFWVT) sind sehr unsicher: 6,49, 95% KI -8,13 bis 21,12; TIND: 5,19, 95% KI -9,36 bis 19,74; PUL: 3,00, 95% KI -5,45 bis 11,44; PAE: -0,03, 95% KI -6,38, 6,32; sehr geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Ejakulationsdysfunktion (8 Studien, 461 Teilnehmer): Wir sind unsicher, welche Auswirkungen PUL, PAE und TUMT im Vergleich zur TURP auf eine Ejakulationsdysfunktion haben (3 bis 12 Monate; PUL: RR 0,05, 95 % KI 0,00 bis 1,06; PAE: RR 0,35, 95% KI 0,13 bis 0,92; TUMT: RR 0,34, 95% KI 0,17 bis 0,68; geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Es lagen nicht genügend Daten zu CRFWVT und TIND vor, um sie in diese Analyse einzubeziehen.

Die TURP ist die Referenzbehandlung mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, die wirksamste in Bezug auf Harnsymptome, Lebensqualität und Nachbehandlung zu sein, aber die ungünstigste in Bezug auf schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, erektile Funktion und Ejakulationsfunktion. Von den minimal-invasiven Verfahren für die genügend Daten für eine Analyse vorliegen, haben PUL und PAE die höchste Wahrscheinlichkeit, bei Harnsymptomen und der Lebensqualität am wirksamsten zu sein, TUMT bei schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen, PUL bei Wiederholungsbehandlungen, CRFWVT und TIND bei der erektilen Funktion und PUL bei der Ejakulationsfunktion.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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