Sollte bei klinisch lokalisiertem Prostatakrebs eine RALP mit hinterer Rekonstruktion oder eine Standard-RALP durchgeführt werden?

Fragestellung des Reviews

Wie verhält es sich bei Männern mit Prostatakrebs, denen die Prostata mit Hilfe eines robotergestützten Eingriffs entfernt wird (sog. robotergestützte laparoskopische Prostatektomie, RALP), mit der Verbindung des Gewebes hinter der Harnröhre (sog. posteriore Rekonstruktion) im Vergleich zu einer Operation, bei der diese Verbindungen nicht hergestellt werden (Standard-RALP)?

Hintergrund

Urologen setzen bei Männern mit Prostatakrebs häufig einen Roboter zur Entfernung der Prostata ein. Nach einer Operation verlieren die meisten Männer für einige Zeit Urin. Dieses Problem wird als Inkontinenz bezeichnet und bessert sich bei den meisten Männern sechs bis 12 Monate nach dem Eingriff. Allerdings kann sie in dieser Zeit sehr lästig sein.

Studienmerkmale

Wir schlossen acht Studien ein, in denen der Zufall bestimmte, ob Männer eine RALP mit posteriorer Rekonstruktion oder eine Standard-RALP erhielten. An diesen Studien nahmen 1085 Männer mit einem Durchschnittsalter zwischen 60 und 67 Jahren teil. Der durchschnittliche Prostata-spezifische Antigen (PSA)-Wert lag bei den Männern bei 8,15 ng/ml. Höhere PSA-Werte können auf ein schlimmeres Prostatakarzinom hinweisen.

Hauptergebnisse

Wir haben festgestellt, dass die posteriore Rekonstruktions-RALP im Vergleich zur Standard-RALP eine Woche nach dem Entfernen des Katheters zu einer besseren Kontinenz führen kann (obwohl es auch möglich ist, dass sie nicht besser ist), dass sie aber drei oder 12 Monate nach der Operation wenig bis keinen Unterschied macht. Bei der RALP-Rekonstruktion im hinteren Bereich gibt es wahrscheinlich kaum einen Unterschied in Bezug auf schwerwiegende unerwünschte Wirkungen im Vergleich zur Standardmethode der Operation. Auch bei den positiven Operationsrändern, d. h. dem Risiko, dass sich unter dem Mikroskop Krebszellen direkt an der Schnittkante der Prostata befinden, gibt es möglicherweise nur geringe oder gar keine Unterschiede. Auch hinsichtlich des Risikos, dass der PSA-Wert innerhalb von 12 Monaten nach der Operation ansteigt, was oft ein Zeichen dafür ist, dass Krebs zurückgeblieben ist, gibt es möglicherweise keinen Unterschied zwischen den beiden Techniken. Wir wissen nicht genau, wie sich die posteriore Rekonstruktions-RALP im Vergleich zur Standard-RALP auf die Erektionsfähigkeit auswirkt.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz war je nach Endpunkt moderat bis sehr niedrig.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

In diesem Review wurde Evidenz dafür gefunden, dass die PR-RALP die frühzeitige Kontinenz eine Woche nach Entfernung des Katheters verbessern kann, nicht jedoch die Kontinenz zu späteren Zeitpunkten. Die Komplikationsraten und die Raten positiver Schnittränder sind wahrscheinlich vergleichbar. In diesem Review konnte nicht ermittelt werden, ob oder wie diese Ergebnisse möglicherweise durch das Alter der Patienten, den Status des Nervenerhalts oder das klinische Stadium beeinflusst wurden. Methodische Limitationen der eingeschlossenen Studien, die unzureichende Präzision der Ergebnisse und Inkonsistenz führten zur Herabstufung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für die begutachteten Endpunkte.

Den gesamten wissenschaftlichen Abstract lesen...
Hintergrund: 

Bei Männern, die sich einer operativen Therapie ihres Prostatakarzinoms mittels roboterassistierter laparoskopischer Prostatektomie (RALP) unterziehen, ist eine wesentliche unerwünschte Wirkung die verzögerte Erholung der Harnkontinenz. Aus diesem Grund sind verschiedene operative Techniken zur Rekonstruktion des hinteren Anteils des Rhabdosphinkters, der für die Harnkontinenz nach der Prostatektomie maßgeblich ist, entwickelt worden. Es ist jedoch unklar, wie erfolgreich diese Techniken sind.

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews war es, die Wirkungen der RALP mit posteriorer muskulofaszialer Rekonstruktion im Vergleich zur RALP ohne posteriore Rekonstruktion im Rahmen der Behandlung des klinisch lokalisierten Prostatakarzinoms zu ermitteln.

Suchstrategie: 

Wir führten bis zum 12. März 2021 eine umfassende Literatursuche in der Cochrane Library, in MEDLINE, Embase, drei weiteren Datenbanken, Studienregistern, anderen Quellen grauer Literatur und Tagungsbänden durch. Es wurden keine Einschränkungen bei der Publikationssprache oder dem Publikationsstatus vorgenommen.

Auswahlkriterien: 

Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien (randomised controlled trials, RCTs), in denen die Teilnehmenden zu Varianten der RALP mit posteriorer muskulofaszialer Rekonstruktion versus RALP ohne posteriore muskulofasziale Rekonstruktion bei klinisch lokalisiertem Prostatakarzinom randomisiert wurden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Die Klassifizierung der Studien und die Datenextraktion erfolgten unabhängig voneinander durch zwei der Review-Autoren. Die primären Endpunkte waren die Erholung der Harnkontinenz eine Woche nach Entfernung des Katheters und drei Monate nach der Operation sowie schwerwiegende unerwünschte Ereignisse. Sekundäre Endpunkte waren die Erholung der Harnkontinenz sechs und zwölf Monate nach der Operation, die Erholung der Potenz 12 Monate nach der Operation, die Schnittrandpositivität (positive surgical margins; PSM) und das biochemisch rezidivfreie Überleben (biochemical recurrence-free survival; BCRFS). Die statistischen Analysen wurden mittels Random-Effects-Modell durchgeführt. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde mit dem GRADE-Ansatz bewertet.

Hauptergebnisse: 

Über die Suche wurden 13 Einträge zu acht eigenständigen RCTs identifiziert, von denen sechs publizierte Studienberichte und zwei Tagungs-Abstracts waren. In den Review wurden 1085 randomisierte Teilnehmende eingeschlossen, von denen 963 (88,8 %) die Studien abgeschlossen hatten. Alle Teilnehmenden hatten ein Prostatakarzinom im Stadium cT1c, cT2 oder cT3a mit einem mittleren PSA-Wert von 8,15 ng/ml.

Primäre Endpunkte

Im Vergleich zur RALP ohne posteriore Rekonstruktion führt die RALP mit posteriorer Rekonstruktion (PR-RALP) möglicherweise eine Woche nach Katheterentfernung zu einer Verbesserung der Harnkontinenz (Risikoverhältnis (risk ratio, RR) 1,25; 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,90 - 1,73; I2 = 42 %; Studien = 5, Teilnehmende = 498; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Allerdings beinhaltet das KI auch die Möglichkeit keines Effekts (RR=1). Unter der Annahme, dass 335 von 1000 Männern, die sich einer Standard-RALP unterziehen, zu diesem Zeitpunkt kontinent sind, entspricht dies 84 von 1000 mehr Männern (33 weniger bis 244 mehr), die eine Erholung ihrer Harnkontinenz angeben.

Im Vergleich zur RALP ohne posteriore Rekonstruktion hat die RALP mit posteriorer Rekonstruktion möglicherweise kaum einen bis keinen Effekt auf die Harnkontinenz drei Monate nach der Operation (RR 0,98; 95 % KI 0,84 bis 1,14; I2 = 67 %; Studien = 6, Teilnehmende = 842; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 701 von 1000 Männern, die sich einer standardmäßigen RALP unterziehen, zu diesem Zeitpunkt kontinent sind, entspricht dies 14 von 1000 weniger Männern (112 weniger bis 98 mehr), die nach drei Monaten eine Harnkontinenz angeben.

Im Vergleich zur RALP ohne posteriore Rekonstruktion führt die PR-RALP wahrscheinlich zu kaum einem bis keinem Unterschied im Auftreten schwerwiegender Komplikationen (RR 0,75, 95 % KI 0,29 bis 1,92; I2 = 0 %, Studien = 6, Teilnehmende = 835; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 25 von 1000 Männern, die sich einer Standard-RALP unterziehen, schwerwiegende Komplikationen erleiden, entspricht dies 6 pro 1000 Männern weniger (17 weniger bis 23 mehr) mit schwerwiegenden Komplikationen.

Sekundäre Endpunkte

Im Vergleich zur RALP ohne posteriore Rekonstruktion führt die PR-RALP möglicherweise 12 Monate nach der Operation zu kaum einem bis keinem Unterschied in der Erholung der Kontinenz (RR 1,02; 95 % KI 0,98 bis 1,07; I2 = 25 %; 3 Studien, 602 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 918 von 1000 Männern, die sich einer Standard-RALP unterziehen, zu diesem Zeitpunkt kontinent sind, entspricht dies 18 je 1000 mehr Männern (18 weniger bis 64 mehr), die eine Erholung ihrer Kontinenz angeben.

Die Evidenz für die Effekte der PR-RALP verglichen mit keiner posterioren Rekonstruktion während der RALP auf die Erholung der Potenz 12 Monate nach der Operation ist sehr unsicher (RR 1,02; 95 % KI 0,82 bis 1,26; I2 = 3 %; 2 Studien, 308 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 433 von 1000 Männern, die sich einer Standard-RALP unterziehen, zu diesem Zeitpunkt potent sind, entspricht dies 9 von 1000 mehr Männern (78 weniger bis 113 mehr), die eine Erholung ihrer Potenz angeben.

Im Vergleich zur RALP ohne posteriore Rekonstruktion führt die PR-RALP möglicherweise zu kaum einem bis keinem Unterschied in der Rate der Männer mit Schnittrandpositivität (RR 1,24; 95 %KI 0,65 bis 2,33; I2 = 50 %; Studien = 3, Teilnehmende = 517; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 130 von 1000 Männern, die sich einer Standard-RALP unterziehen, einen positiven R-Status haben, dann entspricht dies 31 von 1000 mehr Männern (46 weniger bis 173 mehr) mit Schnittrandpositivität.

Im Vergleich zur RALP ohne posteriore Rekonstruktion führt die PR-RALP möglicherweise zu kaum einem bis keinem Unterschied in der biochemischen Rezidivrate (RR 1,36; 95 %KI 0,74 bis 2,52; I2 = 0 %; Studien = 2, Teilnehmende = 468; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 70 von 1000 Männern, die sich der Standard-RALP unterziehen, zu diesem Zeitpunkt ein biochemisches Rezidiv haben, entspricht dies 25 von 1000 mehr Männern (18 weniger bis 107 mehr) mit biochemischem Rezidiv.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Urologen, freigegeben durch Cochrane Deutschland .

Tools
Information

Cochrane Kompakt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Cochrane Schweiz, Cochrane Deutschland und Cochrane Österreich. Wir danken unseren Sponsoren und Unterstützern. Eine Übersicht finden Sie hier.