Ist Remdesivir (ein antivirales Medikament) eine wirksame Behandlung für COVID-19?
Kernaussagen
- Bei Erwachsenen, die mit COVID-19 hospitalisiert sind, hat Remdesivir im Vergleich zu Placebo (Scheinbehandlung) oder der üblichen Behandlung wahrscheinlich nur einen geringen oder keinen Effekt auf die Sterblichkeit im Zeitraum bis 150 Tage nach der Behandlung.
- Remdesivir erhöht wahrscheinlich geringfügig die Chance, dass sich die COVID-19-Erkrankung bei hospitalisierten Personen verbessert und sie entlassen werden (das Krankenhaus verlassen oder nach Hause gehen). Remdesivir verringert möglicherweise das Risiko, dass sich die Situation verschlimmert (invasive Beatmung über einen Beatmungsschlauch oder Tod).
- In der Regel haben Patient*innen mit leichten Symptomen, die nicht hospitalisiert sind, ein geringeres Sterberisiko. Remdesivir verringert bei diesen Personen wahrscheinlich das Risiko einer Verschlimmerung und eines Krankenhausaufenthalts, aber wir können nicht sagen, ob es sich auf die Genesung auswirkt (z. B. Linderung der Symptome).
- Künftige Studien sollten die Auswirkungen von Remdesivir auf den Verlauf von COVID-19 in verschiedenen Untergruppen (z. B. weniger oder schwerer erkrankte Personen) untersuchen.
Was ist Remdesivir?
Remdesivir ist ein Medikament, das Viren bekämpft. Es hat sich gezeigt, dass es die Vermehrung des Virus, das COVID-19 auslöst (SARS-CoV-2), hemmt. Arzneimittelbehörden haben Remdesivir für die Behandlung von Menschen mit COVID-19 zugelassen. Häufig berichtete Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen sowie Veränderungen bei Bluttests.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten wissen, ob Remdesivir eine wirksame Behandlung für Menschen mit COVID-19 ist und ob es im Vergleich zu Placebo oder der üblichen Behandlung unerwünschte Wirkungen verursacht. Die Wirkung könnte davon abhängen, wie weit die Erkrankung zu Beginn der Behandlung bereits fortgeschritten ist. Wir unterschieden daher zwischen hospitalisierten Patient*innen mit moderater bis schwerer Erkrankung (z. B. mit Beatmung) und nicht hospitalisierten Personen, die positiv auf COVID-19 getestet wurden, aber keine oder nur leichte Symptome hatten.
Wir interessierten uns bei hospitalisierten Patient*innen für folgende Endpunkte:
- Todesfälle innerhalb von 28 Tagen nach der Behandlung oder nach mehr als 28 Tagen, falls verfügbar;
- Todesfälle, die während des Krankenhausaufenthalts eintraten;
- ob es den Patient*innen nach der Behandlung besser ging und sie entlassen werden konnten;
- ob sich der Zustand der Patient*innen so sehr verschlechterte, dass sie über einen Beatmungsschlauch mechanisch beatmet werden mussten oder starben;
- jegliche unerwünschte Wirkungen; und
- schwere unerwünschte Wirkungen.
Wir interessierten uns bei nicht hospitalisierten Patient*innen für folgende Endpunkte:
- Todesfälle innerhalb von 28 Tagen nach der Behandlung oder nach mehr als 28 Tagen, falls verfügbar;
- ob es den Patient*innen nach der Behandlung besser ging, so dass sie frei von Symptomen waren;
- ob sich der Zustand der Patient*innen so sehr verschlechtert hat, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten oder gestorben sind;
• die Lebensqualität;
- jegliche unerwünschte Wirkungen; und
- schwere unerwünschte Wirkungen.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, in denen Remdesivir zur Behandlung von Erwachsenen mit COVID-19 im Vergleich zu Placebo oder der Standardbehandlung untersucht wurde. Die Patient*innen konnten jedem Geschlecht und jeder ethnischen Zugehörigkeit angehören.
Wir fassten die Ergebnisse der Studien mit statistischen Methoden zusammen, verglichen sie und bewerteten die Vertrauenswürdigkeit in die Evidenz anhand von Faktoren wie der Studienmethodik und der Größe der Studien.
Was fanden wir heraus?
Wir fanden acht Studien mit 10 656 Personen, die mit moderater bis schwerer COVID-19-Erkrankung hospitalisiert waren, und eine Studie mit 562 Personen mit leichter COVID-19-Erkrankung. Von diesen wurden 5982 Personen mit Remdesivir behandelt. In keiner Studie wurden Personen mit symptomloser COVID-19-Infektion untersucht. Das Durchschnittsalter der Patient*innen betrug 59 Jahre.
Hauptergebnisse
Die eingeschlossenen Studien verglichen Remdesivir (zusätzlich zur üblichen Behandlung) mit der üblichen Behandlung (mit oder ohne Placebo) bei Menschen mit COVID-19-Erkrankung.
Hospitalisierte Patient*innen mit moderater bis schwerer COVID-19-Erkrankung
Remdesivir hat wahrscheinlich keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Todesfälle nach 28 Tagen, nach 60 Tagen oder auf die Todesfälle im Krankenhaus im Zeitraum bis 150 Tage. Es erhöht wahrscheinlich die Chance, dass es den Patient*innen etwas besser geht, und es senkt wahrscheinlich das Risiko, dass es ihnen schlechter geht. Die Raten unerwünschter Wirkungen jeglichen Schweregrads waren in den verglichenen Gruppen ähnlich.
Nicht hospitalisierte Personen mit leichter COVID-19-Erkrankung
In der Studie mit ambulanten Patient*innen starb im Studienzeitraum von 28 Tagen niemand. Nach der Behandlung mit Remdesivir verringerte sich die Wahrscheinlichkeit, dass es den Personen schlechter ging und dass Personen hospitalisiert werden mussten. Wir wissen nicht, ob Remdesivir die Chancen der Patient*innen auf Besserung erhöht oder verringert. Patient*innen leiden unter Remdesivir möglicherweise unter weniger schweren unerwünschten Wirkungen als unter Placebo oder der Standardbehandlung. Die Raten unerwünschter Wirkungen jeglichen Schweregrads waren in den verglichenen Gruppen ähnlich.
Was schränkt die Evidenz ein?
Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz hinsichtlich Todesfällen und Krankheitsverläufen bei hospitalisierten Patient*innen ist moderat. Für alle anderen Ergebnisse in dieser Gruppe ist aufgrund von Unterschieden zwischen den Studien und einem möglichen Einfluss ihrer Methoden die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz begrenzt. Bei ambulant behandelten Patient*innen mit leichter COVID-19-Erkrankung ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz moderat, was die Belege für eine Verschlechterung des Zustands der Patient*innen und unerwünschte Wirkungen angeht. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz aller anderen Ergebnisse ist begrenzt, insbesondere was die Verbesserung des Zustands der Patienten betrifft. Dies hat methodische Gründe, z. B. waren die Ergebnismessungen unzureichend oder sind nicht vergleichbar oder beides. Zudem kamen die Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Studien wurden zu einer Zeit durchgeführt, als es noch keine Impfprogramme gab und sich das Virus von späteren Stämmen unterschied. Die meisten Studienteilnehmenden lebten zudem in Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen. Dies könnte die Anwendbarkeit der Ergebnisse auf geimpfte Personen und auf Länder mit niedrigem Einkommen und schlechter medizinischer Versorgung einschränken.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Es handelt sich um eine Aktualisierung des ersten Reviews. Es wurden Studien bis zum 31. Mai 2022 eingeschlossen.
B. Schindler, C. Iannizzi, freigegeben durch Cochrane Deutschland