Sind Antibiotika eine wirksame Behandlung gegen COVID-19 und haben sie unerwünschte Wirkungen?

Kernaussagen

• Das Antibiotikum Azithromycin ist keine wirksame Behandlung gegen COVID-19.

• Wir wissen nicht, ob andere Antibiotika als Azithromycin eine wirksame Behandlung für COVID-19 darstellen, da es nicht genügend Forschungsergebnisse gibt.

• Wir haben 19 laufende Studien gefunden, in denen Antibiotika gegen COVID-19 untersucht werden. Wir werden diesen Review aktualisieren, wenn die Studienergebnisse unsere Schlussfolgerungen ändern.

Was sind Antibiotika?

Antibiotika sind preiswerte und weit verbreitete Medikamente, die zur Behandlung bakterieller Infektionen eingesetzt werden. Jüngste Laborstudien haben jedoch ergeben, dass einige Antibiotika die Vermehrung einiger Viren verlangsamen, darunter SARS-CoV-2, das Virus, das COVID-19 verursacht. Ein Antibiotikum, Azithromycin, reduzierte in Labortests die virale Aktivität und die Entzündung und wurde daher als potenzielle Behandlung gegen COVID-19 untersucht. Vor der Verabreichung von Antibiotika zur Behandlung von COVID-19 brauchen wir gute Evidenz, denn ein übermäßiger oder missbräuchlicher Einsatz von Antibiotika kann zu einer "antimikrobiellen Resistenz" führen, bei der sich die Organismen, die eine Infektion verursachen, so verändern, dass Antibiotika nicht mehr wirken.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten wissen, ob Antibiotika den Tod, die Schwere der Erkrankung und die Dauer der Infektion bei Menschen mit COVID-19 verringern, ob sie sich auf die Lebensqualität auswirken oder unerwünschte Wirkungen verursachen können. Wir schlossen Studien ein, in denen das Medikament mit einer Placebobehandlung (Scheinbehandlung), keiner Behandlung, der üblichen Behandlung, einem anderen Antibiotikum oder Behandlungen für COVID-19, von denen bekannt ist, dass sie in gewissem Maße wirksam sind, wie beispielsweise Remdesivir oder Dexamethason, verglichen wurde. Wir schlossen Behandlungen aus, von denen wir wissen, dass sie bei COVID-19 nicht wirken, wie z. B. Hydroxychloroquin, oder die einen unbekannten Einfluss auf die Erkrankung haben.

Wir untersuchten die Auswirkungen von Antibiotika auf Menschen mit COVID-19 bezüglich:
• Todesfälle;
• ob sich die Symptome der mit COVID-19 Infizierten verbessern oder verschlechtern;
• unerwünschten Nebenwirkungen;
• Herzrhythmusstörungen;
• Lebensqualität.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, die Antibiotika zur Behandlung von Menschen mit COVID-19 im Krankenhaus oder in der ambulanten Behandlung untersuchten.

Wir verglichen die Ergebnisse der Studien, fassten sie zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz, basierend auf bekannten Faktoren wie den Methoden und Teilnehmendenzahlen der Studien.

Was fanden wir heraus?

Wir fanden 11 Studien mit 11.281 Personen, die Antibiotika zur Behandlung von COVID-19 untersuchten. Alle 11 Studien untersuchten Azithromycin. In neun Studien (10.807 Personen) wurde Azithromycin mit keiner Behandlung, Placebo oder der üblichen Behandlung allein verglichen. In zwei Studien wurde Azithromycin mit einem anderen Antibiotikum verglichen: Lincomycin (eine Studie, 24 Personen) und Clarithromycin (eine Studie, 450 Personen). Sie lieferten jedoch keine Daten, die wir in diesem Review verwenden konnten. Darum beziehen sich unsere Ergebnisse allein auf die Behandlung mit Azithromycin.

In sieben Studien wurden Personen mit mittelschwerer bis schwerer COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus eingeschlossen und in vier Studien wurden ambulante Patient*innen mit leichter COVID-19-Erkrankung untersucht. Die Studien unterschieden sich hinsichtlich der Dosierung von Azithromycin und der Behandlungsdauer.

Wir fanden 19 laufende Studien. Außerdem klassifizierten wir 15 abgeschlossene Studien nicht, weil wir auf weitere Informationen von den Autor*innen warten oder weil sie noch nicht veröffentlicht wurden.

Hauptergebnisse

Moderates bis schweres COVID-19

Azithromycin führt im Vergleich zur üblichen Behandlung allein nicht zu mehr oder weniger Todesfällen in den 28 Tagen nach der Behandlung (vier Studien, 8600 Personen).

Im Vergleich zur üblichen Behandlung allein oder zu Placebo, wirkt sich Azithromycin wahrscheinlich folgendermaßen aus:
• verschlechtert (eine Studie, 7311 Personen) oder
• verbessert den Zustand der Patienten (drei Studien, 8172 Personen);
• erhöht oder verringert schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (vier Studien, 794 Personen) und Herzrhythmusstörungen (vier Studien, 7865 Personen).

Verglichen mit der üblichen Behandlung allein (drei Studien, 355 Personen), kann Azithromycin möglicherweise nicht schwerwiegende unerwünschte Wirkungen leicht verstärken.

In keiner Studie wurde die Lebensqualität untersucht.

Ambulante Patienten mit leichter COVID-19

Im Vergleich zur üblichen Behandlung allein oder zu Placebo macht Azithromycin möglicherweise nur einen geringen oder gar keinen Unterschied in Bezug auf:
• Menschen, die innerhalb von 28 Tagen nach der Behandlung sterben (drei Studien, 876 Menschen);

• ob sich die Krankheit der Personen in den 28 Tagen nach der Behandlung verschlimmerte (drei Studien, 876 Personen) oder
• ob sich die COVID-19-Symptome in den 14 Tagen nach der Behandlung verbesserten (eine Studie, 138 Personen).

Wir wissen nicht, ob Azithromycin im Vergleich zur üblichen Behandlung allein oder zu Placebo schwerwiegende unerwünschte Wirkungen verstärkt oder vermindert (zwei Studien, 454 Teilnehmende).

In keiner Studie wurde über nicht schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, Herzrhythmusstörungen oder die Lebensqualität berichtet.

Was sind die Einschränkungen der Evidenz?

Wir sind sehr sicher, was die Evidenz für Azithromycin bei stationären COVID-19-Patient*innen angeht. Wir sind jedoch weniger sicher, was die Evidenz für Azithromycin bei ambulanten Patient*innen angeht, vor allem weil es nur wenige Studien gab, die zudem einige Mängel aufwiesen, so dass wir keine zuverlässigen Schlussfolgerungen ziehen konnten. Wir fanden nur für ein Antibiotikum, Azithromycin, relevante Belege, so dass wir die Wirkung anderer Antibiotika zur Behandlung von COVID-19 nicht kennen. Wir werden weiterhin nach neuen Studien suchen, um diese Lücke der Evidenz zu schließen. Unsere Erkenntnisse deuten nicht darauf hin, dass Azithromycin eine wirksame Behandlung für COVID-19 darstellt, insbesondere angesichts der Gefahr einer antimikrobiellen Resistenz. Azithromycin oder ein anderes Antibiotikum sollte nicht zur Behandlung von COVID-19 außerhalb von gut konzipierten Studien eingesetzt werden.

Wie aktuell ist diese Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 14. Juni 2021.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, C. Iannizzi, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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