Sind Gehörschutzpassformtests und Schulungen zur Anwendung von Gehörschützern eine Hilfe für Menschen, die in lärmbelasteten Umgebungen arbeiten?

Kernbotschaften

• Passformtests für Ohrstöpsel in Kombination mit einfachen Anleitungen für den richtigen Sitz der Ohrstöpsel verbessern die Lärmdämmung wahrscheinlich nicht.

• Passformtests für Ohrstöpsel in Kombination mit umfangreichen Anleitungen verbessern wahrscheinlich den Lärmschutz im Vergleich zu keinen oder einfachen Anleitungen.

Warum ist die Lärmbelastung bei der Arbeit ein Problem?

Lärmbelastung bei der Arbeit kann mit schwerwiegenden Gesundheitsschäden verbunden sein, von Hörverlust und Tinnitus (Klingeln oder Summen in den Ohren ohne äußere Quelle) bis hin zu Verletzungen und Herz- oder Blutgefäßproblemen. Gehörschutzmaßnahmen wie Ohrstöpsel und Ohrenschützer werden häufig verwendet, um die Lärmbelastung bei der Arbeit zu reduzieren. Vor allem bei Ohrstöpseln haben viele Arbeitnehmende Schwierigkeiten, diese richtig in den Gehörgang einzuführen. Schlecht sitzende Ohrstöpsel schützen das Gehör nicht ausreichend.

Was sind Gehörschutz-Passform-Testsysteme?

Gehörschutz-Passform-Testsysteme sind Technologien, die messen, in welchem Ausmaß der Lärm am Ohr einer Person, die Ohrstöpsel oder einen anderen Gehörschutz trägt, reduziert (gedämpft) wird.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob die Passformtests für Gehörschutz sowie Schulungen zum richtigen Tragen von Ohrstöpseln (oder anderem Gehörschutz) zu einer Lärmreduktion bei Arbeiter*innen beitragen und ob diese den Gehörschutz durchgehend tragen. Wir wollten auch herausfinden, ob Alter, Geschlecht, die Art des Gehörschutzes und die Erfahrung mit der Anwendung von Gehörschutz einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Passformtests und Schulungen haben.

Was fanden wir?

Wir fanden 3 Studien mit 756 Teilnehmenden. Diese untersuchten die Auswirkungen von einfachen bzw. umfassenden Anleitungen zur Anpassung des Gehörschutzes (alle Studien mit Schaumstoff- oder vorgeformten Ohrstöpseln) in Verbindung mit Passformtests, bei denen das Ausmaß der Lärmreduktion gemessen wurde. Wir fanden keine Studien, die untersuchten, ob Passformtests und Schulungen die dauerhafte Anwendung von Gehörschutz fördern. Wir fanden auch keine Studien, die untersuchten, ob Alter, Geschlecht oder Erfahrung mit Gehörschutz die Lärmdämmung beeinflussten.

Hauptergebnisse

• Passformtests, begleitet von einfachen Anleitungen, verbessern wahrscheinlich nicht die Lärmdämmung durch vorgeformte und Schaumstoffohrstöpsel.

• Ein Passformtest mit umfangreicher Anleitung verbessert wahrscheinlich den Schutz der Arbeiter*innen vor Lärm, gemessen unmittelbar nach dem Test und der Schulung, im Vergleich zu keiner oder einer einfachen Anleitung. Eine Erhöhung des Schutzes um rund 3 dB (d.h. eine Verringerung des Geräuschpegels am Ohr um 3 dB) halbiert die Lärmintensität am Ohr und erhöht somit die Schutzwirkung von Ohrstöpseln.

• Die Effekte der Passformtests können von der Art des Gehörschutzes und den Schulungsmethoden abhängen.

• In keiner der eingeschlossenen Studien wurden schädliche Auswirkungen von Passformtests und Schulungen gemessen oder berichtet. Wir hielten es für unwahrscheinlich, dass wir solche Daten finden würden.

Was sind die Einschränkungen der Evidenz?

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist moderat bis niedrig. Unser Vertrauen war reduziert, weil die Studien klein waren.Wir hatten auch Bedenken bezüglich der Methode, mit der die Teilnehmenden den Gruppen zugeteilt wurden.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von Februar 2024.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Gehörschutzpassformtests begleitet von einfachen Anleitungen, verbessern wahrscheinlich nicht die Geräuschdämmung durch Schaumstoff- und vorgeformte Ohrstöpsel. Der Passformtest von Schaumstoff- und vorgeformten Ohrstöpseln mit umfangreichen Anleitungen verbessert wahrscheinlich die Dämm- und PAR-Erfolgsrate unmittelbar nach dem Test. Die Auswirkungen von Passformtests im Zusammenhang mit Schulungen für eine bessere Dämmung können je nach Gehörschutzart und Schulungsmethode variieren. Besser konzipierte Studien mit größeren Stichproben sind erforderlich, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu erhöhen.

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Hintergrund: 

Studien zur globalen Krankheitslast stufen Hörverlust als dritthäufigste Ursache für die Anzahl mit Behinderung gelebter Jahre ein. Diese Schätzungen deuten auf große gesellschaftliche und individuelle Kosten aufgrund von unbehandelten Hörschwierigkeiten hin. Die Geräuschbelastung am Arbeitsplatz ist ein wichtiger beeinflussbarer Risikofaktor. Maßnahmen könnten die dadurch entstandene globale Krankheitslast deutlich reduzieren.

In der Praxis ist der Gehörschutz die am häufigsten angewandte Maßnahme, um die Geräuschbelastung am Arbeitsplatz zu reduzieren. Eine unsachgemäße Anwendung von Gehörschutz, insbesondere von Ohrstöpseln, kann die Wirksamkeit jedoch stark beeinträchtigen. Dies kann bei bis zu 40% der Anwender*innen der Fall sein. Passformtests und entsprechende Anleitungen könnten die Geräuschdämmung verbessern. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden in diesem Bereich Systeme zur Eignungsprüfung des Gehörschutzes entwickelt und evaluiert. Sie werden als Abschwächungssysteme bezeichnet. Diese Systeme messen die Geräuschdämmung bei individuellen Arbeiter*innen, die Gehörschutz tragen. Bei schlecht sitzendem Gehörschutz können Anleitungen zur Passform dabei helfen, eine bessere Geräuschdämmung zu erreichen.

Zielsetzungen: 

Die Beurteilung: (1) der Auswirkungen von Systemen zur Abschätzung der Gehörschutzfelddämpfung und entsprechender Schulungen auf die durch einen Gehörschutz erzielte Geräuschdämmung im Vergleich zu keiner oder wenig Anleitung für geräuschexponierte Arbeiter*innen, und (2) ob diese Maßnahmen die Anwendung eines Gehörschutzes verbessern.

Suchstrategie: 

Zur Identifizierung der Studien wurden CENTRAL, MEDLINE, fünf weitere Datenbanken und zwei Studienregister durchsucht sowie Referenzlisten überprüft, Zitatrecherchen durchgeführt und Studienautor*innen kontaktiert. Es gab keine Einschränkungen bezüglich Sprache oder Zeitraum. Die letzte Suche fand im Februar 2024 statt.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studie (RCTs), cluster-RCTs, kontrollierte Vorher-Nachher-Studien (Controlled Before-After studies, CBAs) und Interrupted Time-Series Studien (ITS) ein, die Gehörschutz-Passformtests bei Arbeiter*innen untersuchten, die einem Schallpegel von über 80-A-bewerteten Dezibel, dB(A) ausgesetzt waren und einen Gehörschutz trugen. Die Einheit dB(A) bezieht sich auf die Verwendung eines Frequenzgewichtungsfilters zur Anpassung der Schallmessergebnisse, um die Geräuschverarbeitung des menschlichen Gehörs besser widerzuspiegeln. Die Geräuschdämmung musste entweder als persönliche Abschwächungsbewertung (Personal Attenuation Rating, PAR), als PAR-Erfolgsrate oder als beides gemessen werden. Die PAR-Erfolgsrate gibt den prozentualen Anteil der Arbeiter*innen an, die eine zuvor festgelegte Stufe einer ausreichenden Gehörschutzdämmung bestanden haben. Diese wurde auf der Grundlage ihrer individuellen Geräuschbelastung bestimmt.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autor*innen beurteilten unabhängig voneinander die Eignung der Studien, das Verzerrungsrisiko und extrahierten die Daten. Wir kategorisierten die Interventionen als Passformtests des Gehörschutzes mit Anleitungen auf verschiedenen Ebenen (keine, einfache und umfassende Anleitungen).

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen drei RCTs ein (756 Teilnehmende). Wir fanden keine Studien, in denen untersucht wurde, ob Passformtests und Schulungen zur Verwendung von Gehörschutz beitragen. Wir fanden auch keine Studien, in denen untersucht wurde, ob Alter, Geschlecht oder die Erfahrung mit Gehörschutz Auswirkungen auf die Geräuschdämmung haben. Wir hätten alle von den Studienautor*innen erwähnten unerwünschten Wirkungen einbezogen, allerdings wurden keine berichtet. Keine der eingeschlossenen Studien verblindete die Teilnehmenden; zwei Studien verblindeten die Personen, die die Intervention durchführten.

Auswirkungen von Passformtests bei Gehörschutz mit Anleitungen (einfach oder umfassend) im Vergleich zu Passformtests ohne Anleitungen

Die Untersuchung der Passform von vorgeformten und Schaumstoffohrstöpseln in Verbindung mit einer einfachen Anleitung verbessert die Lärmdämmung kurzfristig nach dem Test wahrscheinlich nicht (einmonatige Nachbeobachtung: mittlere Abweichung (engl. mean difference, MD) 1,62 Dezibel (dB), 95% Konfidenzintervall (KI) -0,93 bis 4,17; 1 Studie, 209 Teilnehmende; viermonatige Nachbeobachtung: MD 0,40 dB, 95%-KI -2,28 bis 3,08; 1 Studie, 197 Teilnehmende; beide Zeitpunkte mit moderater Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Die Intervention verbessert die Geräuschdämmung wahrscheinlich nicht langfristig (MD 0,15 dB, 95%-KI -3,44 bis 3,74; 1 Studie, 103 Teilnehmende; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Im Vergleich zu Passformtests ohne Anleitungen kann der Passformtest von vorgeformten Ohrstöpseln mit ausführlichen Anleitungen die Geräuschdämmung bei einer unmittelbaren Wiederholung des Tests möglicherweise verbessern (MD 8,34 dB, 95 % KI 7,32 bis 9,36; 1 Studie, 100 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Auswirkungen von Passformtests bei Gehörschutz mit umfangreichen Anleitungen gegenüber Passformtests mit einfachen Anleitungen

Der Passformtest von Schaumstoffohrstöpseln mit umfangreichen Anleitungen verbessert wahrscheinlich deren Geräuschdämmung (MD 8,62 dB, 95 %-KI 6,31 bis 10,93; 1 Studie, 321 Teilnehmende; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und auch die Erfolgsrate einer ausreichenden Dämmung (Risk Ratio (RR) 1,75, 95%-KI 1,44 bis 2,11; 1 Studie, 321 Teilnehmende; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) im Vergleich zu Passformtests mit einfachen Anleitungen unmittelbar nach dem Test. Dies ist von Bedeutung, da jede Verringerung des Geräuschpegels um 3 dB, die Schallenergie, die in das Ohr eintritt, halbiert.

Es gab keine RCT, die die langfristige Wirksamkeit von Passformtests bei Gehörschutz mit ausführlichen Anleitungen untersuchte.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Centers for Disease Control and Prevention (CDC); F. Halter, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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