Kernaussagen
Im Vergleich zur üblichen Versorgung führen alternative Versorgungsmodelle wahrscheinlich zu keiner nennenswerten Verbesserung der Versorgungsqualität von Menschen mit Kreuzschmerzen, wenn man die Überweisung zu oder die Verwendung von Bildgebungsverfahren der Lendenwirbelsäule sowie die Verschreibung oder Verwendung von Opioiden betrachtet.
- Alternative Versorgungsmodelle bewirken keinen nennenswerten Unterschied in Bezug auf das Schmerzniveau oder die rückenbezogene körperliche Funktion.
- Weniger sicher sind die Wirkungen auf Operationen an der Lendenwirbelsäule, auf Krankenhausaufenthalte und auf unerwünschte oder schädliche Ereignisse.
Was sind unspezifische Kreuzschmerzen, und wie werden sie behandelt?
Kreuzschmerzen bezeichnen Schmerzen im unteren Rückenbereich, zwischen dem unteren Ende der Rippen und dem oberen Ende des Gesäßes. Sie sind ein häufiges Problem und können zu Beeinträchtigungen führen. Bei den meisten Menschen ist es nicht möglich, eine spezifische Ursache für das Problem zu finden.
Ein Großteil der Versorgung von Menschen mit Kreuzschmerzen folgt nicht in vollem Umfang evidenzbasierten Leitlinien. Wenn dies der Fall ist, profitieren die Patient*innen möglicherweise nicht davon, und Gesundheitsressourcen werden verschwendet. Alternative Versorgungsmodelle bieten die gleichen Behandlungen, ändern aber die Art und Weise, wie sie erbracht oder koordiniert werden. So soll die Einhaltung evidenzbasierter Leitlinien und die Gesundheit von Betroffenen verbessert werden. Beispiele sind die Telemedizin im Vergleich zur persönlichen Betreuung oder die Betreuung von Gruppen im Vergleich zu Einzelpersonen.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, ob die Bereitstellung der gleichen Behandlungen auf eine andere Weise die Versorgungsqualität und die gesundheitlichen Endpunkte bei Menschen mit unspezifischen Kreuzschmerzen verbessert.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, die alternative Versorgungsmodelle im Vergleich zur üblichen Versorgung bei Menschen mit unspezifischen Kreuzschmerzen untersuchten. Wir verglichen und fassten die Ergebnisse zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz basierend auf Faktoren wie Studienmethoden und Studiengröße.
Was fanden wir?
Wir haben 57 Studien mit insgesamt 29.578 Personen einbezogen. Die meisten wurden in der Primärversorgung, entweder in der Allgemeinmedizin oder in der Physiotherapie, in einkommensstarken Ländern durchgeführt.
Hauptergebnisse
Im Vergleich zur üblichen Versorgung gab es bei alternativen Versorgungsmodellen pro 1000 Personen 19 weniger Überweisungen zu oder Verwendung von bildgebenden Verfahren der Lendenwirbelsäule (z. B. Röntgen, Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT); moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
- 213 von 1000 Personen wurden bei alternativen Versorgungsmodellen zur Bildgebung der Lendenwirbelsäule überwiesen bzw. erhielten eine Bildgebung.
- 232 von 1000 Personen wurden im Rahmen der üblichen Versorgung zur Bildgebung der Lendenwirbelsäule überwiesen bzw. erhielten eine Bildgebung.
Im Vergleich zur üblichen Versorgung wurden bei alternativen Versorgungsmodellen 17 Personen weniger pro 1000 Personen Opioid-Medikamente (z. B. Morphin, Codein) verschrieben oder von ihnen verwendet (moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
- 332 von 1000 Personen wurden opioide Schmerzmittel im Rahmen alternativer Versorgungsmodelle verschrieben bzw. von ihnen verwendet.
- 349 von 1000 Personen wurden opioide Schmerzmittel im Rahmen der üblichen Versorgung verschrieben bzw. von ihnen verwendet.
Im Vergleich zur üblichen Versorgung gab es bei alternativen Versorgungsmodellen 2 von 1000 Personen mehr, die zu einer Lendenwirbelsäulenoperation überwiesen wurden oder sich einer Lendenwirbelsäulenoperation unterzogen. (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)
- 76 von 1000 Personen wurden an die Chirurgie überwiesen oder unterzogen sich einer Lendenwirbelsäulenoperation mit alternativen Versorgungsmodellen.
- 74 von 1000 Personen wurden an die Chirurgie überwiesen oder unterzogen sich einer Lendenwirbelsäulenoperation im Rahmen der üblichen Versorgung.
Im Vergleich zur üblichen Versorgung wurden bei alternativen Versorgungsmodellen 23 pro 1000 Personen weniger ins Krankenhaus eingeliefert. (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)
- 176 von 1000 Personen wurden bei alternativen Versorgungsmodellen ins Krankenhaus eingeliefert.
- 199 von 1000 Personen wurden bei üblicher Versorgung ins Krankenhaus eingeliefert.
Die Schmerzen wurden auf einer Skala von 0 bis 10 Punkten gemessen, auf der niedrigere Werte weniger Schmerzen bedeuten. Sie waren bei den alternativen Versorgungsmodellen um 0,24 Punkte besser (hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
- Personen, die alternative Versorgungsmodelle erhielten, bewerteten ihre Schmerzen mit 2,2 Punkten.
- Personen, die die übliche Versorgung erhielten, bewerteten ihre Schmerzen mit 2,4 Punkten.
Die körperliche Funktion, bezogen auf den Rücken, wurde auf einer Skala von 0 bis 24 Punkten gemessen, wobei ein niedrigerer Wert eine geringere Beeinträchtigung bedeutet. Sie war bei den alternativen Versorgungsmodellen um 0,7 Punkte besser als bei der üblichen Versorgung (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
- Personen, die alternative Versorgungsmodelle erhielten, bewerteten ihre rückenbezogene Funktion mit 5,7 Punkten.
- Personen, die die übliche Versorgung erhielten, bewerteten ihre rückenbezogene Funktion mit 6,4 Punkten.
Im Vergleich zur üblichen Versorgung berichteten bei alternativen Versorgungsmodellen 10 von 1000 Personen weniger über unerwünschte Ereignisse (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
- 45 von 1000 Personen berichteten über ein unerwünschtes Ereignis bei alternativen Versorgungsmodellen.
- 55 von 1000 Personen berichteten über ein unerwünschtes Ereignis bei der üblichen Behandlung.
Was schränkt die Evidenz ein?
Wir sind zuversichtlich, dass alternative Versorgungsmodelle im Vergleich zur üblichen Versorgung:
- keinen klinisch relevanten Einfluss auf das Ausmaß der Schmerzen haben;
- keinen klinisch relevanten Unterschied auf die Funktion des Rückens machen.
Im Vergleich zur üblichen Versorgung sind wir mäßig zuversichtlich, dass alternative Versorgungsmodelle:
- keinen nennenswerten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, zu einer Bildgebung der Lendenwirbelsäule überwiesen zu werden oder diese zu erhalten, haben;
- keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Verschreibung oder des Konsums von Opioiden haben.
Wir sind nicht sicher, ob alternative Versorgungsmodelle Im Vergleich zur üblichen Versorgung:
- die Wahrscheinlichkeit einer Überweisung an einen Chirurgen oder einer Operation an der Lendenwirbelsäule verändern;
- die Wahrscheinlichkeit, wegen Kreuzschmerzen ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, verändern;
- die Wahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ereignisses verändern.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von Juni 2024.
M. Zeitler, F. Halter, freigegeben durch Cochrane Deutschland