Wie wirksam sind Medikamente zur Vorbeugung von vestibulären Migräneanfällen?

Kernaussagen

Es ist nicht klar, ob Medikamente wirksam sind, um vestibuläre Migräneanfälle zu verhindern.

Es gibt nur sehr wenige Studien, die den möglichen Nutzen und Schaden der Einnahme von Medikamenten zur Vorbeugung von Anfällen untersucht haben. Die verfügbaren Studien sind klein, und die Ergebnisse sind nicht konsistent.

Weitere Forschungsanstrengungen sind erforderlich, um herauszufinden, ob es wirksame Behandlungen der vestibulären Migräne gibt.

Was ist vestibuläre Migräne?

Migräne (manchmal auch als "Kopfschmerz-Migräne" bezeichnet) ist eine häufige Erkrankung, die wiederkehrende Kopfschmerzen verursacht. Bei der vestibulären Migräne handelt es sich um eine verwandte Erkrankung, deren Hauptsymptome wiederkehrende Episoden von Drehschwindel oder anderem starkem Schwindel sind. Diese Episoden sind häufig mit Kopfschmerzen oder anderen migränetypischen Symptomen (wie Licht- oder Geräuschempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen) verbunden. Es handelt sich um eine relativ häufige Erkrankung, von der bis zu eine von 100 Personen betroffen ist und die schwerwiegende Auswirkungen auf das tägliche Leben haben kann.

Wie wird vestibuläre Migräne behandelt?

Zu den üblichen Behandlungen gehören Medikamente, die einen Schwindelanfall stoppen sollen, sobald er begonnen hat, oder die Symptome lindern. Darüber hinaus können die Betroffenen Medikamente vorbeugend anwenden, um zu verhindern, dass es zu einem Anfall kommt (prophylaktische Behandlung). Es gibt keine allgemein empfohlenen Behandlungen zur Vorbeugung oder Behandlung vestibulärer Migräneattacken. Manchmal wird den Betroffenen empfohlen, Medikamente anzuwenden, die zur Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne eingesetzt werden. Man nimmt an, dass diese Medikamente auch bei vestibulärer Migräne wirken könnten.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden:

- ob es Evidenz dafür gibt, dass Medikamente Anfälle von vestibulärer Migräne verhindern oder die Symptome bei einem Anfall lindern können;

- ob die Behandlungen auch schaden können.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien mit Erwachsenen, in denen verschiedene Medikamente mit keiner Behandlung oder einer Placebo-Behandlung (Scheinbehandlung) verglichen wurden. Wir verwendeten Standardmethoden, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu bewerten. Dazu berücksichtigten wir Faktoren wie Studienmethoden, Anzahl der Teilnehmenden und Konsistenz der Ergebnisse zwischen den Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden drei Studien mit insgesamt 209 Personen (65 % Frauen). In diesen Studien wurden zwei verschiedene Arten von Medikamenten zur Vermeidung und Behandlung von vestibulären Migräneanfällen untersucht.

Betablocker

Die erste Studie untersuchte die Verwendung eines Medikaments namens Metoprolol, das einmal täglich als Tablette eingenommen wird. Metoprolol gehört zur Medikamentengruppe der Betablocker. Sie werden häufig zur Behandlung von Bluthochdruck, aber auch zur Vorbeugung von Migräneanfällen eingesetzt. Es blieb unklar, ob diese Behandlung einen Einfluss auf die Häufigkeit der Schwindelanfälle hat oder ob sie mit schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen verbunden ist.

Kalziumkanalblocker

Zwei kleinere Studien untersuchten den Einsatz von Flunarizin, einer einmal täglich einzunehmenden Tablette. Flunarizin gehört zur Medikamentengruppe der Kalziumkanalblocker. Auch Kalziumkanalblocker werden in der Regel zur Kontrolle von Bluthochdruck, aber auch bei Kopfschmerzen und Migräne eingesetzt. Es blieb sehr unklar, ob die Betroffenen durch die Behandlung ihre Symptome als verbessert empfanden und ob sich die Häufigkeit ihrer Schwindelanfälle veränderte. In den Studien wurde nicht über schwerwiegende unerwünschte Wirkungen der Behandlung berichtet, so dass wir nicht wissen, ob mit der Einnahme des Medikaments Risiken verbunden sind.

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir haben sehr wenig Vertrauen in die Evidenz, da die drei durchgeführten Studien klein waren. Es gab auch methodische Probleme bei der Durchführung der Studien, d. h.die Ergebnisse könnten unzuverlässig sein. Die untersuchten Medikamente werden häufig bei anderen Erkrankungen eingesetzt, bei denen sie bekanntermaßen einige Nebenwirkungen haben. Wir fanden jedoch keine ausreichenden Informationen dazu, ob diese Nebenwirkungen ein Problem darstellen, wenn diese Medikamente bei vestibulärer Migräne eingesetzt werden.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von September 2022.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Es gibt nur sehr begrenzte Erkenntnisse aus placebokontrollierten randomisierten Studien über die Wirksamkeit und die potenziellen Schäden pharmakologischer Maßnahmen zur Prophylaxe der vestibulären Migräne. Wir haben nur für zwei der von uns untersuchten Maßnahmen (Betablocker und Kalziumkanalblocker) Belege gefunden, und alle Belege waren von niedriger oder sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit Weitere Forschungsarbeiten sind erforderlich, um festzustellen, ob diese Behandlungen die Symptome wirksam verbessern und ob ihre Anwendung mit Schäden verbunden ist.

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Hintergrund: 

Vestibuläre Migräne ist eine Form der Migräne, bei der eines der Hauptmerkmale wiederkehrende Schwindelanfälle sind. Diese Episoden sind häufig mit anderen Merkmalen der Migräne verbunden, wie Kopfschmerzen und Licht- oder Geräuschempfindlichkeit. Diese unvorhersehbaren und schweren Schwindelanfälle können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Es wird geschätzt, dass knapp 1 % der Bevölkerung von dieser Krankheit betroffen ist, obwohl viele Menschen nicht diagnostiziert werden. Es gibt zahlreiche Medikamente, die zur Prophylaxe dieser Erkrankung eingesetzt oder vorgeschlagen wurden, um die Häufigkeit der Anfälle zu verringern. Dabei handelt es sich in erster Linie um Wirkstoffe, die bei Kopfschmerzen und Migräne eingesetzt werden, da man davon ausgeht, dass die zugrunde liegende Pathophysiologie dieser Erkrankungen ähnlich ist.

Zielsetzungen: 

Bewertung von Nutzen und Schaden pharmakologischer Behandlungen zur Prophylaxe der vestibulären Migräne.

Suchstrategie: 

Der Cochrane Datenbankexperte für HNO-Studien durchsuchte das Cochrane HNO-Register, das Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), Ovid MEDLINE, Ovid Embase, Web of Science, ClinicalTrials.gov, ICTRP und weitere Quellen nach veröffentlichten und unveröffentlichten Studien. Die Datenbankrecherche fand am 23. September 2022 statt.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und Quasi-RCTs bei Erwachsenen mit definitiver oder wahrscheinlicher vestibulärer Migräne ein, in denen Betablocker, Kalziumkanalblocker, Antiepileptika, Antidepressiva, Diuretika, monoklonale Antikörper gegen Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) oder dessen Rezeptor, Botulinumtoxin oder hormonelle Behandlungen mit Placebo oder keiner Behandlung verglichen wurden. Wir schlossen Studien mit einem Cross-over-Design aus, es sei denn, es konnten Daten aus der ersten Phase der Studie ermittelt werden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Wir verwendeten die standardisierten Methoden von Cochrane. Unsere primären Ergebnisse waren: 1) Verbesserung des Schwindels (bewertet als dichotomes Ergebnis - verbessert oder nicht verbessert), 2) Veränderung des Schwindels (bewertet als kontinuierliches Ergebnis mit einer Punktzahl auf einer numerischen Skala) und 3) ernste unerwünschte Ereignisse. Unsere sekundären Endpunkte waren: 4) krankheitsspezifische gesundheitsbezogene Lebensqualität, 5) Verbesserung der Kopfschmerzen, 6) Verbesserung anderer Migränesymptome und 7) andere unerwünschte Wirkungen. Wir berücksichtigten Ergebnisse, die zu drei Zeitpunkten berichtet wurden: < 3 Monate, 3 bis < 6 Monate, > 6 bis 12 Monate. Der GRADE-Ansatz wurde genutzt, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu beurteilen.

Hauptergebnisse: 

Wir bezogen drei Studien mit insgesamt 209 Teilnehmenden ein. In einem Fall wurden Betablocker und in den beiden anderen Fällen Kalziumkanalblocker untersucht. Für die übrigen genannten Interventionen konnten wir keine Belege finden.

Betablocker versus Placebo

In einer Studie (mit 130 Teilnehmenden, 61 % Frauen) wurde die Anwendung von 95 mg Metoprolol einmal täglich über sechs Monate im Vergleich zu Placebo untersucht. Der Anteil der Personen, die über eine Verbesserung des Schwindels berichteten, wurde in dieser Studie nicht untersucht. Es wurden einige Daten über die Häufigkeit von Schwindelanfällen nach sechs Monaten und über das Auftreten schwerwiegender unerwünschter Wirkungen berichtet. Es handelt sich jedoch um eine einzelne, kleine Studie und für alle Ergebnisse war die Beweissicherheit niedrig oder sehr niedrig. Wir sind nicht in der Lage, aussagekräftige Schlussfolgerungen aus den numerischen Ergebnissen zu ziehen.

Kalziumkanalblocker versus keine Behandlung

In zwei Studien mit insgesamt 79 Teilnehmenden (72 % Frauen) wurde die Einnahme von 10 mg Flunarizin einmal täglich über einen Zeitraum von drei Monaten im Vergleich zu keiner Behandlung untersucht. Die Evidenz für diesen Vergleich war insgesamt von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit. Die meisten unserer Ergebnisse wurden nur von einer einzelnen Studie berichtet, so dass wir keine Metaanalyse durchführen konnten. Es wurden einige Daten zur Verbesserung des Schwindels und zur Veränderung des Schwindels geliefert, aber es lagen keine Informationen über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse vor. Aus den numerischen Ergebnissen können wir keine aussagekräftigen Schlussfolgerungen ziehen, da diese Daten aus einzelnen, kleinen Studien stammen und die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr gering niedrig.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Lempert, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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