Fragestellung des Reviews
Ist Fluvoxamin eine wirksame Behandlung von COVID-19 und führt es zu unerwünschten Wirkungen?
Kernaussagen
Es ist unklar, ob Fluvoxamin eine wirksame Behandlung bei einer leichten bis mittelschweren COVID-19-Erkrankung ist. Dies liegt daran, dass derzeit nicht genügend Forschungsergebnisse vorliegen, um eine eindeutige Entscheidung zu treffen.
Wir identifizierten zwei abgeschlossene Studien, in denen Fluvoxamin als mögliche Behandlung von COVID-19 untersucht wurde. Darüber hinaus fanden wir fünf laufende Studien und zwei Studien, für die wir weitere Informationen benötigen. Wir werden diesen Review aktualisieren, sobald neue Studienergebnisse unsere Schlussfolgerungen ändern sollten.
Was ist Fluvoxamin?
Fluvoxamin ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (selective serotonin reuptake inhibitor, SSRI), der in Tablettenform erhältlich ist. Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dass Fluvoxamin eine Wirkung auf den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung haben könnte. Eine COVID-19-Infektion kann zu Entzündungen der Atemwege oder bei schwerem Verlauf zu einer Infektion der Lunge führen, was zu Atembeschwerden oder sogar Atemnot führen kann. Fluvoxamin könnte dazu beitragen, die Entzündungen, die mit einer COVID-19-Erkrankung einhergehen, zu verringern. Durch die mögliche entzündungshemmende und antivirale Wirkung von Fluvoxamin könnte sich das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs verringern. Wird Fluvoxamin als Antidepressivum eingesetzt, treten in der Regel keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen auf. Bei manchen Menschen können jedoch insbesondere zu Beginn der Einnahme, Übelkeit, Angst oder Unruhe, Schlaflosigkeit und Durchfall auftreten. In seltenen Fällen können Selbstmordgedanken auftreten.
Was wollten wir herausfinden?
Wir sind daran interessiert herauszufinden, ob Fluvoxamin die Sterblichkeit, den Schweregrad der Erkrankung und die Infektionsdauer von COVID-19 verringert und ob sich die Einnahme von Fluvoxamin auf die Lebensqualität auswirkt und ob mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden muss. Wir schlossen Studien ein, in denen Fluvoxamin mit einer Placebobehandlung (Scheinbehandlung), keiner Behandlung, der Standardbehandlung oder einer anderen Behandlung verglichen wurde, von der bekannt ist, dass sie bei COVID-19 eine Wirkung zeigt, wie Remdesivir oder Dexamethason. Wir schlossen medikamentöse Behandlungen als Vergleichstherapie aus, von denen wir wissen, dass sie bei COVID-19 nicht wirken, wie z. B. Hydroxychloroquin, oder bei denen die Wirkung bei COVID-19 nicht bekannt ist.
Unser Ziel war es, die Wirksamkeit und Sicherheit von Fluvoxamin bei Erwachsenen mit COVID-19 zu untersuchen. Dabei interessierte uns insbesondere:
• die Sterberate;
• ob die Betroffenen in einem Krankenhaus behandelt werden müssen;
• ob sich die COVID-19-Symptome der Betroffenen verbessern oder verschlechtern;
• unerwünschte Wirkungen;
• die Lebensqualität;
• Selbstmord oder Selbstmordversuche.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, die Fluvoxamin als Behandlung einer COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus oder ambulant einsetzten. Wir fassten die Ergebnisse der Studien mit statistischen Methoden zusammen und bewerteten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz auf der Grundlage etablierter Kriterien wie Studienqualität und Studiengröße.
Was fanden wir?
Wir identifizierten zwei Studien, die Fluvoxamin als frühzeitige Behandlung einer leichten COVID-19-Erkrankung bei 1649 Personen, die sich zu Hause selbst isolierten (ambulante Patienten), untersuchten. In beiden Studien wurde Fluvoxamin (zusätzlich zur Standardbehandlung) mit einer Placebobehandlung (zusätzlich zur Standardbehandlung) verglichen. Die Behandlungsdauer in den Studien war unterschiedlich (10 oder 15 Tage).
Zudem fanden wir fünf laufende Studien und zwei Studien, von denen aufgrund fehlender Informationen keine Ergebnisse abgeleitet werden konnten. Bisher sind keine Ergebnisse aus Studien vorhanden, die die Wirkung von Fluvoxamin bei Menschen, die wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, untersuchten.
Hauptergebnisse
- Im Vergleich zu einer Placeboehandlung kann Fluvoxamin die Zahl der Betroffenen, die innerhalb von 28 Tagen nach Behandlungsbeginn sterben, leicht verringern (2 Studien, 1649 Personen).
- Im Vergleich zu einer Placebobehandlung kann Fluvoxamin wahrscheinlich die Zahl der Betroffenen verringern, die in ein Krankenhaus eingewiesen werden oder die vor der Einlieferung in ein Krankenhaus sterben (2 Studien, 1649 Personen).
-Das Auftreten von unerwünschten (schwerwiegenden) Ereignissen unterschied sich nicht eindeutig zwischen der Behandlung mit Fluvoxamin und einer Placebobehandlung (2 Studien, 1649 Personen).
-Keine der Studien berichtete über die Lebensqualität, die Zeit, die bis zum Abklingen der Frühsymptome vergeht, oder über Selbstmordversuche.
Welche Faktoren schränken die vorliegende Evidenz ein?
Die vorliegende Evidenz für Fluvoxamin zur Behandlung einer COVID-19-Erkrankung ist derzeit nicht ausreichend. Das liegt vor allem daran, dass zu wenige Studien vorliegen und die vorliegenden Studien nur eine geringe Aussagekraft aufweisen. Sobald weitere Studienergebnisse vorhanden sind, werden wir diese berücksichtigen.
Zukünftige Studien sollten zudem die Auswirkungen von Medikamenten wie Fluvoxamin auf Long-Covid untersuchen. Wir warten derzeit darauf, dass in naher Zukunft Forschungsergebnisse zu diesem Thema zur Verfügung stehen.
Die verfügbaren Studien setzen bisher auch keinen Schwerpunkt auf junge Erwachsene, ältere Menschen oder Menschen mit einem geschwächten Immunsystem (immungeschwächte Betroffene). Bisher liegen auch keine Informationen darüber vor, ob Frauen oder Männer gegebenenfalls mehr von Fluvoxamin profitieren würden.
Datum der Suche
Der Evidenz ist bis Februar 2022 abgedeckt.
C. Schmucker, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland.