Aspirin und andere nicht-steroidale Entzündungshemmer zur Vorbeugung von Demenz

Fragestellung

In diesem Review sollte untersucht werden, ob Aspirin und andere nicht-steroidale Entzündungshemmer (nichtsteroidale Antirheumatika, NSAR) zur Vorbeugung von Demenzerkrankungen beitragen können.

Hintergrund

Demenz ist ein weltweites Gesundheitsproblem. Derzeit gibt es kein Medikament, das nachweislich den Krankheitsbeginn verzögern oder verhindern kann. Die Ursache der Demenz ist noch immer nicht ausreichend erforscht. Es gibt jedoch Gründe für die Annahme, dass Entzündungen für einige der bei Demenz auftretenden Gehirnveränderungen mitverantwortlich sein könnten. Es gibt viele Medikamente mit entzündungshemmenden Eigenschaften, darunter Aspirin und NSAR, die oft als Schmerzmittel verkauft werden. Die Autoren wollten herausfinden, ob diese Medikamente einen Einfluss auf die Entstehung von Demenzerkrankungen haben. Diese Medikamente haben einige mögliche Nebenwirkungen, darunter Herzinfarkt und Blutungen. Daher haben wir auch die schädlichen Auswirkungen der Medikamente untersucht.

Studienmerkmale

Die Autoren suchten nach relevanten Studien, die bis Januar 2020 veröffentlicht wurden. Die Autoren fanden vier Studien, welche die Einschlusskriterien für diese Übersichtsarbeit erfüllten (23.187 Personen). Eine Studie wurde in den USA und Australien durchgeführt, drei weitere nur in den USA. Die Studien umfassten unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Eine davon untersuchte Aspirin bei gesunden Menschen, die gesundheitlich nicht mit einer Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder anderen körperlichen Beeinträchtigungen vorbelastet waren. Die anderen drei Studien befassten sich mit anderen NSARs und wurden bei gesunden Menschen mit einer Veranlagung oder familiären Vorbelastung von Alzheimer, bei Menschen mit selbstberichteten Gedächtnisverlusten und solchen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (leichte, aber spür- und messbare Abnahme der kognitiven Fähigkeiten, einschließlich Gedächtnis und Denkvermögen) durchgeführt. Alle eingeschlossenen Studien wiesen Einschränkungen auf. Die Studie mit Aspirin wurde wegen Wirkungslosigkeit vorzeitig abgebrochen. Die drei Studien zu anderen NSARs (Celecoxib, Naproxen und Rofecoxib) wurden aufgrund von Sicherheitsbedenken vorzeitig abgebrochen.

Hauptergebnisse und Qualität der Evidenz

Die Aspirin-Studie ergab, dass niedrig dosiertes Aspirin (100 mg täglich) bei gesunden älteren Menschen Demenz nicht verhinderte, sondern im Vergleich zu Placebo (Scheinmedikament) zu höheren Raten von Todesfällen und schweren Blutungen führte. Dieses Ergebnis war für uns sehr vertrauenswürdig. Die NSAR-Studien zeigten keine Evidenz für einen Unterschied zwischen NSAR und Placebo in Bezug auf eine Senkung der Personenanzahl mit einer neuen Demenzerkrankung. Tatsächlich entwickelten in einer der Studien mehr Menschen in der NSAR-Gruppe eine Demenz. Eine der NSAR-Studien berichtete über mehr Magenblutungen, eine weitere über andere Magenprobleme wie Schmerzen, Übelkeit und Gastritis. Andere Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen ähnlich. Die Ergebnisse zu NSAR waren für uns von moderater Vertrauenswürdigkeit.

Schlussfolgerungen

In diesem Review wurde keine Evidenz gefunden, die den Einsatz von Aspirin oder anderen NSARs zur Vorbeugung von Demenz befürworten. Es gab sogar einige Hinweise darauf, dass sie Schaden anrichten könnten. Die Studien wiesen zwar Einschränkungen auf, aber angesichts der Sicherheitsbedenken scheinen weitere Studien mit niedrig dosiertem Aspirin zur Vorbeugung von Demenz unwahrscheinlich. Wenn künftige Studien über NSARs zur Vorbeugung von Demenz geplant sind, so müssen diese die Sicherheitsbedenken berücksichtigen, welche in den eingeschlossenen Studien und anderen zu denselben Arzneimitteln geäußert werden.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Es besteht keine Evidenz, um den Einsatz von niedrig dosiertem Aspirin oder anderen NSAR irgendeiner Klasse (Celecoxib, Rofecoxib oder Naproxen) zur Vorbeugung von Demenz zu unterstützen, aber es gibt Evidenz zu Schäden. Obwohl es Einschränkungen in der verfügbaren Evidenz gibt, scheint es unwahrscheinlich, dass ein Bedarf an weiteren Studien zu niedrig dosiertem Aspirin zur Vorbeugung von Demenz besteht. Falls zukünftige Studien zu NSAR zur Vorbeugung von Demenz geplant sind, müssen sie sich der Sicherheitsbedenken, die sich aus den bestehenden Studien ergeben, bewusst sein.

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Hintergrund: 

Demenz ist ein weltweites Problem. Ihre globale Prävalenz nimmt zu. Gegenwärtig gibt es kein zugelassenes Medikament, um den Ausbruch von Demenz zu verhindern oder zu verzögern. Entzündungen wurden als Schlüsselfaktor in der Pathogenese von Demenz vorgeschlagen. Daher könnten Medikamente mit entzündungshemmenden Eigenschaften nutzbringend für die Vorbeugung von Demenz sein.

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews war die Bewertung der Wirksamkeit und unerwünschten Wirkungen von Aspirin und anderen nicht-steroidalen Entzündungshemmern (nichtsteroidale Antirheumatika, NSAR) zur Primär- oder Sekundärprävention von Demenz.

Suchstrategie: 

Die Autoren durchsuchten ALOIS, das Spezialregister der Cochrane Dementia and Cognitive Improvement Group, bis zum 9. Januar 2020. ALOIS beinhaltet Aufzeichnungen klinischer Studien, die durch monatliche Suchen in mehreren großen Gesundheitsdatenbanken, Studienregistern und Quellen grauer Literatur identifiziert werden. Sie führten zusätzliche Suchen auf MEDLINE (OvidSP), Embase (OvidSP) und sechs anderen Datenbanken durch, um sicherzustellen, dass die Suchen so umfassend und aktuell wie möglich waren. Außerdem prüften sie Zitate der Referenzlisten eingeschlossener Studien.

Auswahlkriterien: 

Die Autoren suchten nach randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) und kontrollierten klinischen Studien (CCTs), die Aspirin und andere NSAR mit Placebo zur Primär- und Sekundärprävention von Demenz verglichen. Die Autoren schlossen Studien mit kognitiv gesunden Teilnehmenden (Primärprävention) oder Teilnehmenden mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (mild cognitive impairment, MCI) oder kognitiven Beschwerden (Sekundärprävention) ein.

Datensammlung und ‐analyse: 

Die Autoren verwendeten standardisierte methodische Verfahren gemäß dem Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions. Die Autoren bewerteten die Stärke der Evidenz für jeden Endpunkt anhand des GRADE Ansatzes.

Hauptergebnisse: 

Sie schlossen vier RCTs mit 23.187 Teilnehmenden ein. Aufgrund der Diversität dieser Studien fassten die Autoren die Daten nicht statistisch zusammen, um zusammenfassende Schätzungen abzugeben, sondern präsentierten eine narrative Beschreibung der Evidenz.

Die Autoren identifizierten eine Studie (19.114 Teilnehmer), in der niedrig dosiertes Aspirin (100 mg einmal täglich) mit Placebo verglichen wurde. Die Teilnehmer waren 70 Jahre alt oder älter, ohne Vorgeschichte mit Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder körperlicher Behinderung. Eine Zwischenanalyse zeigte keine signifikante Wirksamkeit der Behandlung und die Studie wurde etwas vorzeitig abgebrochen, nach einem Median von 4,7 Jahren der Nachbeobachtung. Es gab keine Evidenz für einen Unterschied in der Inzidenz von Demenz zwischen Aspirin- und Placebo-Gruppen (relatives Risiko (RR) 0,98, 95 % KI 0,83 bis 1,15; Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit). Teilnehmer, denen Aspirin verabreicht wurde, hatten höhere Raten schwerer Blutungen (RR 1,37, 95 % KI 1,17 bis 1,60; Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit) und eine etwas höhere Sterblichkeit (RR 1,14, 95 % KI 1,01 bis 1,28; Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit). Es bestand keine Evidenz für einen Unterschied bei Alltagsaktivitäten zwischen den Gruppen (RR 0,84, 95 % KI 0,70 bis 1,02; Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit).

Die Autoren identifizierten drei Studien zum Vergleich von NSAR ohne Aspirin mit Placebo. Alle drei Studien wurden aufgrund unerwünschter Ereignisse im Zusammenhang mit NSAR, die in anderen Studien berichtet wurden, vorzeitig beendet.

Eine Studie (2528 Teilnehmende) untersuchte den Cyclooxygenase-2 (COX-2) Inhibitor Celecoxib (200 mg zweimal täglich) und den nicht-selektiven NSAR Naproxen (220 mg zweimal täglich) zur Vorbeugung von Demenz bei kognitiv gesunden, älteren Erwachsenen, bei denen eine familiäre Veranlagung zu Alzheimer bestand. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 734 Tage. Die statistische Zusammenfassung der beiden NSAR-Behandlungsarme ergab keine Evidenz für einen Unterschied in der Inzidenz der Alzheimer Krankheit zwischen Teilnehmenden, die NSAR erhielten und jenen, die Placebo erhielten (RR 1,91, 95 % KI 0,89 bis 4,10; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Es gab auch keine Evidenz für einen Unterschied in Raten an Myokardinfarkt (RR 1,21, 95 % KI 0,61 bis 2,40), Schlaganfall (RR 1,82, 95 % KI 0,76 bis 4,37) oder Sterblichkeit (RR 1,37, 95 % KI 0,78 bis 2,43) zwischen den Behandlungsgruppen (Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit für alle).

Eine Studie (88 Teilnehmende) untersuchte die Wirksamkeit von Celecoxib (200 mg oder 400 mg täglich) zur Verzögerung kognitiven Rückgangs bei Teilnehmenden im Alter von 40 bis 81 Jahren mit leichtem, altersbedingtem Gedächtnisverlust aber normalen Gedächtnisleistungswerten. Die durchschnittliche Nachbeobachtungsdauer betrug 17,6 Monate in der Celecoxib-Gruppe und 18,1 Monate in der Placebo-Gruppe. Es gab keine Evidenz für einen Unterschied zwischen den Gruppen bei den Testwerten in einem von sechs kognitiven Bereichen. Teilnehmende, die Celecoxib erhielten, erlebten mehr gastrointestinale unerwünschte Ereignisse als jene, die Placebo erhielten (RR 2,66, 95 % KI 1,05 bis 6.75; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Eine Studie (1457 Teilnehmende) untersuchte die Wirksamkeit des COX-2-Inhibitors Rofecoxib (25 mg einmal täglich) zur Verzögerung oder Verhinderung einer Alzheimer Diagnose bei Teilnehmern mit MCI. Der Median der Teilnahmedauer betrug 115 Wochen in der Rofecoxib-Gruppe und 130 Wochen in der Placebo-Gruppe. In der Rofecoxib-Gruppe bestand eine höhere Inzidenz von Alzheimer Krankheit als in der Placebo-Gruppe (RR 1,32, 95 % KI 1,01 bis 1,72; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Es gab keine Evidenz für einen Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich kardiovaskulärer unerwünschter Ereignisse (RR 1,07, 95 % KI 0,68 bis 1,66; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit) oder Sterblichkeit (RR 1,62, 95 % KI 0,85 bis 3,05; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Teilnehmende, die Rofecoxib erhielten, erlebten mehr unerwünschte Ereignisse im oberen Magen-Darm-Trakt (RR 3,53, 95 % KI 1,17 bis 10,68; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Die berichteten jährlichen Mittelwertdifferenz-Werte zeigten keine Evidenz für einen Unterschied zwischen Gruppen bei der Bewältigung von Aufgaben des täglichen Lebens (1. Jahr: keine Daten verfügbar; 2. Jahr: 0,0, 95 % KI -0,1 bis 0,2; 3. Jahr: 0,1, 95 % KI -0,1 bis 0,3; 4. Jahr: 0,1, 95 % KI -0,1 bis 0,4; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Wenzel, C. Barth, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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