Kernaussagen
- Wir fanden 51 Studien zur Beantwortung unserer Frage, sind uns aber nach wie vor unsicher über die Auswirkungen von Interventionen in Bildungseinrichtungen zur Verringerung von Selbstverletzungen.
- Es gibt einige ermutigende Ergebnisse, jedoch werden große Studien benötigt, um diese zu bestätigen. Es bedarf auch Studien, die die Kombination verschiedener Interventionsansätze untersuchen. Diese Ansätze sollten in enger Zusammenarbeit mit jungen Menschen entwickelt, in einem sicheren Umfeld umgesetzt und über einen längeren Zeitraum angewendet werden.
Wie können Selbstverletzungen und Suizid verhindert werden?
Selbstverletzendes Verhalten und Suizid bei jungen Menschen stellen schwerwiegende Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit dar. Sie verursachen nicht nur großes Leid für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Freunde, Angehörigen und ganze Gemeinschaften. Maßnahmen zur Prävention von Suizid und Selbstverletzung konzentrieren sich auf beeinflussbare Faktoren und fördern gezielt den Aufbau von Stärken, die jungen Menschen Schutz und Resilienz bieten. Es gibt drei Hauptarten von Maßnahmen.
„Universelle Interventionen" zielen in der Regel darauf ab, Wissen und Fähigkeiten in Bezug auf die Prävention von Selbstverletzungen und Suizid zu verbessern, beispielsweise durch Programme zur Aufklärung über psychische Gesundheit oder Suizid. Dazu zählt auch die Förderung spezifischer Fähigkeiten, die als Schutzfaktoren wirken, wie beispielsweise Problemlösungsfähigkeiten. Dies hilft, negative Einstellungen und Schamgefühle abzubauen, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Menschen mit Suizidgedanken oder selbstverletzendem Verhalten Unterstützung in Anspruch nehmen.
„Selektive Interventionen" zielen darauf ab, dass Personen, die Suizidgedanken haben oder sich selbst verletzen, erkannt werden und Unterstützung erhalten. Dies umfasst häufig auch die Schulung von Gleichaltrigen und Erwachsenen, um durch gezielte Fragen psychisches Leid bei anderen zu erkennen und sie dazu zu ermutigen, angemessene Unterstützung anzubieten.
„Gezielte Interventionen“ richten sich in der Regel an Einzelpersonen, beispielsweise in Form von Gesprächstherapien. Sie werden in der Regel in klinischen Einrichtungen angeboten. Die Art und Weise hängt vom Ansatz der jeweiligen Intervention ab. Zu den häufigsten Ansätzen gehören die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und die dialektische Verhaltenstherapie (DVT). Die KVT unterstützt Betroffene dabei, schädliche Denkmuster zu identifizieren und kritisch zu hinterfragen, um belastende Gefühle sowie Gedanken an Suizid oder Selbstverletzung zu reduzieren. Die DBT hingegen fokussiert darauf, lebensbedrohliche Verhaltensweisen zu minimieren, indem sie die Fähigkeit fördert, schmerzhafte Emotionen zu akzeptieren und gezielt Veränderungen herbeizuführen.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, ob universelle, selektive und gezielte Maßnahmen, die in Bildungseinrichtungen durchgeführt werden, die folgenden Ereignisse verringern:
- Selbstverletzungen;
- Suizidgedanken; und
- Hoffnungslosigkeit.
Wir wollten auch wissen, ob diese Maßnahmen von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen akzeptiert werden. Wir beurteilten dies anhand der Anzahl der Personen, die die Studie vorzeitig verließen und nicht abschlossen.
Wir prüften, ob die Studien Endpunkte berücksichtigten, die für Jugendliche von Bedeutung sind, wie etwa Bewältigungsstrategien und Aspekte ihrer Umgebung, die ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Wir untersuchten sämtliche Formen der Messung von Bewältigungsstrategien sowie von sicheren Umgebungen.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, die universelle, selektive und gezielte Maßnahmen zur Verringerung von Selbstverletzungen oder zur Suizidprävention in einem beliebigen Bildungsumfeld untersucht haben. Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen, verglichen sie und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz auf der Grundlage von Faktoren wie Studienmethoden, Stichprobengröße und anderen Faktoren, die zu Verzerrungen führen können.
Was fanden wir?
Wir fanden 51 Studien mit 36.414 jungen Menschen. Siebenundzwanzig Studien wurden an weiterführenden Schulen durchgeführt, eine an einer Sekundarstufe I-Schule, eine an einer Grundschule, 19 an Universitäten, eine an einer medizinischen Fakultät und eine sowohl in Bildungseinrichtungen als auch in Gemeinschaftseinrichtungen. Keines dieser Projekte wurde in alternativen Bildungseinrichtungen oder technischen Ausbildungsstätten durchgeführt. In den Studien wurden die Maßnahmen verglichen mit keiner Maßnahme, der Aufnahme auf eine Warteliste oder anderen Ansätzen wie Bewegung oder gesunder Ernährung.
Insgesamt gab es nur wenig Ergebnisse zu den Auswirkungen von universellen, selektiven oder gezielten Maßnahmen. Keine der Studien über universelle Ansätze lieferte Daten zu Selbstverletzungen. Möglicherweise reduzieren selektive und gezielte Maßnahmen Selbstverletzungen im Vergleich zu Vergleichsgruppen geringfügig. Gezielte Maßnahmen verringern möglicherweise die Häufigkeit nicht-suizidaler Selbstverletzungen (d. h. Selbstverletzungen ohne Todesabsicht) im Vergleich zur Kontrollgruppe geringfügig. Die Evidenz zur Akzeptanz der Interventionen ist unsicher. Sie deutet jedoch darauf hin, dass Teilnehmende gezielter Maßnahmen im Vergleich zu den Kontrollgruppen möglicherweise etwas häufiger abbrechen. Bei universellen und selektiven Interventionen scheint hingegen im Vergleich zu den Kontrollinterventionen kein signifikanter Unterschied zu bestehen. Personen, die gezielte Maßnahmen erhalten, erfahren möglicherweise im Vergleich zur Kontrollgruppe einen leichten Rückgang von Suizidgedanken und Hoffnungslosigkeit. Universelle und selektive Maßnahmen zeigen dagegen möglicherweise nur geringe oder gar keine Wirkung in diesen Bereichen. Es gab ein breites Spektrum an Messungen von Bewältigungsstrategien und sicherem Umfeld, aber nur wenige Informationen zu etwaigen Verbesserungen durch diese.
Was schränkt die Evidenz ein?
Die jungen Menschen in den Studien wussten wahrscheinlich, welche Maßnahmen sie erhielten, und nicht alle Studien lieferten Daten zu Selbstverletzungen und anderen Ergebnissen, an denen wir interessiert waren. Es gab nur wenige wirklich große Studien, obwohl diese entscheidend sind, um die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Prävention zu verstehen.
Das Erfassen von Studienabbrüchen im Kontext von Bildungseinrichtungen erwies sich als wenig sinnvoll, da oft unklar war, ob die Jugendlichen tatsächlich die Studie abgebrochen hatten oder lediglich an dem betreffenden Tag nicht in der Schule waren.
Wie aktuell ist die Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von April 2023.
M. Zeitler, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland