Es gibt viele Cochrane Reviews, die für die Diagnose und Behandlung von Tuberkulose relevant sind. Diese wurden im Juni 2024 durch ein neues systematisches Review mit einer prognostischen Fragestellung ergänzt, das sich mit den Auswirkungen von Unterernährung befasst. Darüber berichten uns zwei der Autor*innen, Juan Franco und Maria-Inti Metzendorf, vom Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Deutschland.
Franziska: Es gibt viele Cochrane Reviews, die für die Diagnose und Behandlung von Tuberkulose relevant sind. Diese wurden im Juni 2024 durch ein neues systematisches Review mit einer prognostischen Fragestellung ergänzt, das sich mit den Auswirkungen von Unterernährung befasst. Darüber berichten uns zwei der Autor*innen, Juan Franco und Maria-Inti Metzendorf, vom Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Deutschland.
Juan: Weltweit verursachte die Tuberkulose im Jahr 2022 schätzungsweise 1,6 Millionen Todesfälle, wobei in diesem Jahr etwa 10,6 Millionen neue Fälle diagnostiziert wurden.
Unterernährung ist einer der wichtigsten Risikofaktoren und jedes Jahr stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Statistik namens „Populationsattributables Risiko“ oder bevölkerungsbezogener Anteil zur Verfügung. Damit wird geschätzt, welcher Anteil der an Tuberkulose Erkrankten auf Unterernährung zurückzuführen ist. Diese Statistik ist Teil des WHO-TB-Berichts, der einen globalen und aktuellen Überblick über Tuberkulose und Fortschritte bei Strategien zur Ausrottung der Krankheit bietet.
Der bevölkerungsbezogene Anteil hilft uns zu verstehen, wie viel Prozent der Fälle einer Erkrankung, in diesem Fall Tuberkulose, auf einen bestimmten Risikofaktor, in diesem Fall Unterernährung, zurückzuführen sind. Er zeigt uns, welcher Anteil an Tuberkulose vermieden werden könnte, wenn Unterernährung beseitigt würde. Er basiert auf den neuesten Daten zur Tuberkuloseprävalenz und Schätzungen des Risikos durch Unterernährung. Und hier kommt unsere Arbeit ins Spiel. Deshalb überlasse ich es Maria-Inti, zusammenzufassen, was wir in unserem Cochrane Review gemacht haben.
Maria-Inti: Danke Juan. In unserem Review wollten wir den prognostischen Wert von Unterernährung für die Vorhersage von Tuberkulose bei Kindern und Erwachsenen in jedem Setting ermitteln.
Wir haben sowohl nach retrospektiven als auch nach prospektiven Kohortenstudien gesucht, in denen Erwachsene, Jugendliche und Kinder aus unterschiedlichen Gegenden und mit verschiedenen Merkmalen, einschließlich Unterernährung, eingeschlossen wurden. Unterernährung wird als Kraftverlust, Wachstumsverzögerung oder Untergewicht definiert. Unser primärer Endpunkt war die Inzidenz (also das Neuauftreten) von TB-Erkrankungen.
Juan: Zum Vergleich: Menschen können mit Tuberkulose infiziert sein (und keine Symptome haben) oder sie können Symptome zeigen. Zu den Symptomen, die einen Arzt oder eine Ärztin auf den Verdacht auf Tuberkulose hinweisen, gehören anhaltender Husten, der blutig sein kann, Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß. Nach der Diagnose spricht man von einer TB-Erkrankung. Wir interessierten uns für den Zusammenhang zwischen diesem Ergebnis und Unterernährung.
Maria-Inti: Hierzu wurden Daten aus insgesamt 51 Kohortenstudien mit über 27 Millionen Teilnehmer*innen herangezogen. Wir verwendeten Standardmethodik von Cochrane und ein Instrumentnamens QUIPS, um das Risiko einer Verzerrung der Studien zu bewerten, bevor wir die Metaanalysen durchführten.
Unsere Hauptanalyse ergab, dass Untergewicht das Risiko einer Tuberkuloseerkrankung verdoppelt. Genauer gesagt war das Hazard Ratio für die Entwicklung einer TB-Erkrankung bei untergewichtigen Personen 2,23-mal höher als bei nicht untergewichtigen Personen, basierend auf Daten aus etwa der Hälfte der eingeschlossenen Studien.
Einige der Studien in unserem Review präsentierten ihre Daten auf andere Weise und verwendeten das Odds Ratio oder Risikoverhältnis für die Entwicklung von Tuberkulose. Wir haben diese Studien separat zusammengefasst und auch sie zeigten ähnliche Ergebnisse wie die Hazard Ratios, mit einem gepoolten Odds Ratio von 1,56 und einem gepoolten Risikoverhältnis von 1,95.
Es ist wichtig hinzuzufügen, dass die meisten der eingeschlossenen Studien eine Nachbeobachtungszeit von weniger als zehn Jahren hatten. Die wenigen Studien, die eine längere Nachbeobachtungszeit hatten, deuten jedoch auf ein noch höheres Risiko für eine Tuberkulose-Erkrankung hin. Die Ergebnisse sind jedoch unsicher.
Juan: Danke, dass du die Zahlen so klar zusammengefasst hast, Maria-Inti. Diese Schätzungen werden in die zukünftigen globalen TB-Berichte der WHO einfließen, die jährliche Aktualisierungen zur Tuberkuloseepidemie und Fortschritte bei der Tuberkuloseprävention, -diagnose und -behandlung weltweit liefern.
Die Berichte aktualisieren auch die Meilensteine, die durch die World End TB Strategy erreicht wurden. Dieses globale Rahmenwerk, das 2014 ins Leben gerufen wurde, zielt darauf ab, TB-bedingte Todesfälle, Tuberkuloseinzidenz und katastrophale Kosten für von Tuberkulose betroffene Familien zu vermeiden. Alles in allem ist der Global TB Report also ein wichtiges Instrument zur Informationslage der Epidemie, zur Steuerung politischer Maßnahmen und zur Förderung von Forschung und Innovation.
Maria-Inti, würdest du vor diesem Hintergrund abschließend noch erklären, wie systematische Reviews wie unseres zu Unterernährung als Risikofaktor für Tuberkulose der End-Tuberkulose-Strategie behilflich sind?
Maria-Inti: Generell sind systematische Reviews für politische Entscheidungsträger*innen von entscheidender Bedeutung. Sie liefern wertvolle Einblicke in Prognose, Diagnose, Behandlung und sogar Präventionsstrategien. Was die End-Tuberkulose-Strategie betrifft, können systematische Reviews die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Tuberkulose-Kontrollprogramme erleichtern und dadurch die enorme Kranheitslast der Tuberkulose lindern.
Im Falle unseres Cochrane Reviews ermöglichen die von uns bereitgestellten prognostischen Informationen die Vorhersage des Anteils der Tuberkulose-Fälle, die auf Unterernährung zurückzuführen sind. Dies wiederum kann das allgemeine Bewusstsein für die Bedeutung der Ernährung bei der Tuberkuloseprävention schärfen. Es kann Gesundheitssystemen helfen, gezielte Interventionen für Bevölkerungsgruppen zu entwickeln, die einem hohen Risiko für Tuberkulose und Unterernährung ausgesetzt sind, wie zum Beispiel Kinder und Menschen mit HIV. Und es könnte die sorgfältige Planung und Priorisierung von Ressourcen zur Tuberkulosebekämpfung unterstützen.
Abschließend, Juan, wenn die Leute unser Review lesen möchten, wie können sie darauf zugreifen?
Juan: Es ist kostenlos online unter Cochrane Library Punkt com verfügbar. Wenn Sie nach „Unterernährung und Tuberkulose“ suchen, wird es ganz oben in der Liste angezeigt.