Hintergrund
Venöse Beingeschwüre (UCV, lat.: Ulcus cruris venosum), auch als „offenes Bein“ bezeichnet, sind die häufigste Art von Beinwunden und werden durch eine mangelnde Durchblutung der Beinvenen verursacht (chronische Veneninsuffizienz). Die chronische Veneninsuffizienz führt zu einem Bluthochdruck in den Venen (venöse Hypertonie), wodurch verschiedene Hautveränderungen am Bein verursacht werden. Die Beingeschwüre sind das Endstadium dieser Hautveränderungen. UCV können spontan oder in Folge leichter Verletzungen auftreten, sie sind oft schmerzhaft und es kommt zu einer starken entzündlichen Flüssigkeitsabsonderung (Exsudation). UCV stellen ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem dar, da sie häufig vorkommen und dazu tendieren, chronisch (lang anhaltend) zu werden und nach Abheilung erneut aufzutreten. Ältere Menschen sind häufiger von UCV betroffen, die Behandlung ist kostspielig und die Erkrankung stellt eine hohe individuelle und soziale Belastung dar.
Die Kompressionstherapie, bei der das Bein zur Steigerung der Fließgeschwindigkeit des Blutes mit Kompressionsbinden bandagiert wird, ist eine etablierte Behandlungsmethode bei UCV. Aus Studien geht jedoch hervor, dass Kompression nur eine mäßige Wirkung auf die Heilung hat: bis zu 50% der Beingeschwüre zeigen nach zwei Jahren Kompressionsbehandlung noch keine Heilung, möglicherweise bedingt durch einen anhaltenden Entzündungsprozess. Ein besseres Verständnis der degenerativen Veränderungen der Beinhaut bei Menschen mit UCV und des dabei auftretenden chronischen Entzündungsprozesses hat Forscher dazu veranlasst, verschiedene Medikamente zu testen, die die Behandlung dieser Erkrankung verbessern könnten. Aspirin wirkt bekanntlich schmerzlindernd (als Analgetikum), entzündungshemmend, fiebersenkend und verhindert die Verklumpung von Blutzellen und somit die Bildung von Blutgerinnseln. Durch die Behandlung mit Aspirin könnte die Zeit bis zur Abheilung verkürzt und die Anzahl wiederkehrender UCV-Episoden verringert werden. Bei erwiesener Wirkung könnte die Behandlung mit Aspirin durch die geringen Kosten in Kombination mit der Kompressionstherapie zu einer kostengünstigen Präventionsmaßnahme für UCV-Patienten weltweit werden.
Fragestellung
Welchen Nutzen und welche negativen Auswirkungen hat Aspirin auf die Heilung und das Wiederauftreten venöser Beingeschwüre?
Unsere Ergebnisse
Unsere Suche ergab nur zwei randomisierte kontrollierte Studien, in denen die orale Einnahme von Aspirin (300 mg pro Tag) in Kombination mit Kompression mit der Kompressionstherapie und einem Placebo oder der Kompressionsbehandlung alleine verglichen wurde. Eine der Studien wurde im Vereinigten Königreich durchgeführt und umfasste 20 Teilnehmer (zehn in der Aspirin-Gruppe und zehn in der Kontrollgruppe). Die Teilnehmer wurden vier Monate lang beobachtet. Diese Studie ergab, dass der Geschwürbereich in der Aspirin-Gruppe kleiner wurde (Verkleinerung um 6,5 cm², d.h. 39,4%) im Vergleich zu keiner Geschwürverkleinerung in der Kontrollgruppe. Zudem zeigte ein größerer Teil der Geschwüre (38%) in der Aspirin-Gruppe eine vollständige Ausheilung im Vergleich zu keiner Heilung in der Kontrollgruppe. In dieser Studie wurde das Wiederauftreten nicht untersucht. Die zweite Studie wurde in Spanien durchgeführt und umfasste 51 Teilnehmer (23 in der Aspirin-Gruppe und 28 in der Kontrollgruppe). Die Teilnehmer wurden so lange beobachtet, bis ihr Beingeschwür ausgeheilt war. Aus der Studie ging hervor, dass die durchschnittliche Zeit bis zur Ausheilung der Geschwüre in der Aspirin-Gruppe 12 Wochen und in der Kontrollgruppe 22 Wochen betrug. Es gab keine maßgeblichen Unterschiede zwischen dem Anteil der Teilnehmer mit ausgeheiltem Geschwür in den beiden Gruppen (17 von 23 Teilnehmern (74%) in der Aspirin-Gruppe und 21 von 28 (75%) in der Kontrollgruppe). Die durchschnittliche Zeit bis zu einem Wiederauftreten der Geschwüre war in der Aspirin-Gruppe (39 Tage) im Vergleich zur Kompressionstherapie-Gruppe (16,3 Tage) länger. In keiner der beiden Studien fanden sich Angaben zu unerwünschten Ereignissen.
Wir erachteten diese beiden Studien als zu klein und von zu niedriger Qualität, um endgültige Schlussfolgerungen zu nutzenbringenden oder nachteiligen Wirkungen von oralem Aspirin auf die Heilung und das Wiederauftreten venöser Beingeschwüre ziehen zu können. Die Studie aus dem Vereinigten Königreich liefert durch die niedrige Probandenzahl (20 Studienteilnehmer) und die kurze Beobachtungsdauer nur begrenzte Daten zum potentiellen Nutzen der täglichen oralen Aspirin-Einnahme in Kombination mit Kompressionstherapie. Aus der spanischen Studie mit 51 Teilnehmern können begrenzte Daten zum Vergleich von Aspirin in Kombination mit Kompressionstherapie mit einer Kontrollgruppe entnommen werden. Die Tatsache, dass keine Informationen zu dem der Kontrollgruppe verabreichten Placebo angegeben waren, lässt auf eine unsichere Effektschätzung schließen. In diesem Bereich sind weitere Studien von hoher Qualität notwendig.
Diese laienverständliche Zusammenfassung ist auf dem Stand vom 27. Mai 2015.
I. Noack, freigegeben durch Cochrane Schweiz.