Worum geht es?
Das Fortschreiten der frühen Wehenphase kann langsam vonstatten gehen. Die Frauen erkennen den Beginn der Wehenphase an verschiedenen Anzeichen wie schmerzhaften Kontraktionen und blutigem Ausfluss und suchen möglicherweise Beratung durch eine Gesundheitsfachperson. Frauen wird unter Umständen empfohlen, in der frühen Wehenphase so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, oder die Frauen werden aus der Entbindungsstation wieder nach Hause geschickt, weil ihre Wehen noch nicht regelmäßig genug auftreten, die aktive Eröffnungsphase also noch nicht eingesetzt hat. Falls die Wehenphase jedoch schneller voranschreitet als erwartet, kann die Praxis der verspäteten Aufnahme zu einer ungeplanten Hausgeburt führen.
Warum ist das wichtig?
In der frühen Wehenphase können die Schwangeren sich einsam, verängstigt oder gestresst fühlen und an Selbstvertrauen verlieren, was den Wehenfortschritt verlangsamen und eine spontane vaginale Entbindung unwahrscheinlicher machen kann. In diesem Cochrane-Review bewerteten wir, ob die Einschätzung von Schwangeren und unterstützende Maßnahmen in der frühen Wehenphase sich auf die Dauer der Wehenphase, den Bedarf an Maßnahmen und andere Endpunkte auswirkten.
Welche Evidenz haben wir gefunden?
Wir durchsuchten die medizinische Literatur (31. Oktober 2016). Wir schlossen fünf randomisierte kontrollierte Studien mit 10.421 Schwangeren aus Kanada, den USA und Großbritannien ein. Darüber hinaus schlossen wir eine Studie ein, in der Geburtsstationen mit 2183 Frauen in Schottland und Großbritannien randomisiert wurden. Die Qualität der Evidenz in den eingeschlossenen Studien reichte von sehr niedrig bis hoch bei verschiedenen Endpunkten.
Eine Studie (209 Frauen) verglich die Einschätzung mit der sofortigen Aufnahme bei Frauen, die in der frühen Wehenphase im Krankenhaus eintrafen. Frauen in der früh beurteilten Gruppe verbrachten eine kürzere Zeit mit Wehen im Krankenhaus (Evidenz von niedriger Qualität). Von schwerwiegenden Problemen bei den Müttern (Morbidität) wurde nicht berichtet. Für die Frauen in der Beurteilungsgruppe bestand eine etwas geringere Wahrscheinlichkeit einer Epiduralanästhesie (Evidenz von niedriger Qualität) oder einer Gabe von Oxytocin zur Wehenförderung und sie waren im Vergleich mit den Frauen aus der direkt aufgenommenen Gruppe zufriedener mit ihrer Versorgung. Es kamen keine Babies vor der Aufnahme ins Krankenhaus auf die Welt. Über die Aufnahme in die Neugeborenenintensivstation wurde nicht berichtet.
Drei Studien untersuchten die Beurteilung zu Hause und die Unterstützung durch eine Hebamme im Vergleich mit einer Ersteinschätzung per Telefon. Eine Studie berichtete über Geburten vor dem Eintreffen im Krankenhaus oder ungeplante Hausgeburten; weder für diesen Endpunkt noch für eine schwere Morbidität bei den Müttern wurde ein eindeutiger Unterschied festgestellt (Evidenz von niedriger Qualität), ebenso wenig für den Einsatz von Epiduralanästhesien (drei Studien, Evidenz von niedriger Qualität). Es gab keine eindeutigen Unterschiede bei der Aufnahme in die Neugeborenenintensivstation (Evidenz von sehr niedriger Qualität) oder bei Apgar-Werten unter sieben fünf Minuten nach der Geburt (Evidenz von niedriger Qualität).
Eine strukturierte persönliche Versorgung in der frühen Wehenphase wurde in einer Studie mit 5002 Schwangeren mit der Standardversorgung verglichen. Über die Dauer der Geburt wurde nicht berichtet. Es bestanden keine eindeutigen Unterschiede zwischen den Gruppen, was die Raten für Kaiserschnitt, instrumentelle vaginale Entbindung (Evidenz von hoher Qualität) oder schwerwiegende Morbidität der Mütter (Evidenz von moderater Qualität) anging. Der Einsatz der Epiduralanästhesie war in beiden Gruppen ähnlich (Evidenz von hoher Qualität). Bei den Endpunkten für die Säuglinge gab es keine eindeutigen Unterschiede zwischen den Gruppen im Hinblick auf die Aufnahme in die Neugeborenenintensivstation (Evidenz von hoher Qualität) oder niedrige Apgar-Werte (Evidenz von moderater Qualität).
Eine Studie mit 2183 Frauen legte in randomisierten Geburtsstationen sehr strenge Kriterien für die Untersuchung der Wehen an und verglich diese mit der Untersuchung durch Hebammen. Für die meisten Endpunkte gab es keine klaren Unterschiede zwischen Frauen und Kindern in den zwei Studiengruppen. Die Maßnahmen während der Wehen (Wehenförderung durch Oxytocin, Periduralanästhesie, instrumentelle oder vaginale Geburt) waren unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den Geburtsstationen zu Beginn der Studie ähnlich. Frauen in der Interventionsgruppe wurden mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit bei ihrem ersten Krankenhausbesuch mit Wehen ins Krankenhaus aufgenommen. Es gab keine klaren Unterschiede zwischen den Gruppen für die Endpunkte, die sich auf die Kinder bezogen.
Was bedeutet das?
Eine Beurteilung und Unterstützung in der frühen Wehenphase hat keinen eindeutigen Einfluss auf die Rate von Kaiserschnitten oder instrumentellen vaginalen Entbindungen oder darauf, ob die Babys vor der Ankunft im Krankenhaus geboren werden. Die Evidenz zeigte jedoch, dass diese Maßnahmen den Einsatz der Epiduralanästhesie verringern, die Erfordernis einer Wehenförderung durch Oxytocin reduzieren und die mütterliche Zufriedenheit erhöhen können. Die Evidenz zur Alltagswirksamkeit einer Beurteilung in der frühen Wehenphase im Vergleich zur sofortigen Aufnahme ins Krankenhaus war sehr beschränkt; auf diesem Gebiet müssen weitere Forschungsarbeiten durchgeführt werden.
Diagnostikverfahren und Betreuung in der Latenzphase haben keinen klaren Einfluss auf die Kaiserschnitterate, vaginal-operative Entbindungen oder Geburt vor Erreichen des Krankenhauses. Allerdings legt die Evidenz nahe, daß diese Interventionen einen Einfluss darauf haben könnten, den Einsatz von Epiduralanästhesie zu reduzieren und die mütterliche Zufriedenheit mit der Betreuung zu steigern. Die Evidenz für die Verwendung von Oxytocin zur Wehensteigerung war uneinheitlich. Für die Wirksamkeit einer Diagnostik in der Latenzphase gegenüber einer direkten stationären Aufnahme war die Evidenz sehr eingeschränkt. Auf diesem Gebiet wird weitere Forschung benötigt.
Der Geburtsfortschritt in der Latenzphase ist normalerweise langsam und kann mit schmerzhaften Kontraktionen der Gebärmutter einhergehen. Frauen können sich verunsichert fühlen und das Zutrauen in sich selbst in dieser Phase verlieren. Betreuungs- und Diagnostikmaßnahmen wurden in zwei bereits veröffentlichten Cochrane Reviews untersucht. Dieser Review aktualisiert und ersetzt diese zwei vorausgegangenen Reviews.
Das Ziel ist, die Auswirkung von Diagnostik- und Betreuungsmaßnahmen für Frauen in der Latenzphase auf die Geburtsdauer, die Rate der geburtshilflichen Interventionen und auf andere Endpunkte für Mutter und Neugeborenes zu untersuchen.
Wir durchsuchten das Cochrane Pregnancy and Childbirth Group's Trials Register, ClinicalTrials.gov, die World Health Organization (WHO) International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) (31. Oktober 2016) und die Referenzlisten der gefundenen Studien.
Randomisiert kontrollierte und cluster-randomisierte Studien über jegliche Diagnostik- oder Betreuungsmaßnahmen in der Latenzphase der Geburt.
Zwei Review-Autoren untersuchten unabhängig voneinander die Studien auf Einschlussfähigkeit, das Risiko für Bias und extrahierten die Daten. Unterschiedliche Einschätzungen wurden durch Diskussion oder durch Hinzuziehen eines dritten Experten geklärt. Die Qualität der Evidenz wurde mithilfe des GRADE Ansatzes beurteilt.
Wir schlossen fünf Studien mit 10.421 schwangeren Frauen und eine cluster-randomisierte Studie mit 2183 Frauen ein. Die Studien wurden in Großbritannien, Kanada und Amerika durchgeführt und verglichen Interventionen in der Latenzphase mit der Standardbetreuung. Wir untersuchten vier Vergleiche: Diagnostik der Latenzphase versus sofortige Krankenhausaufnahme, Hausbesuche durch Hebammen versus einer Standardbetreuung (Telefonische Beratung); Eins-zu-Eins Hebammenbetreuung versus Standardbetreuung, sowie Aufnahmediagnose anhand eines Algorithmus um den Geburtsbeginn zu beurteilen versus der üblichen Diagnostik im Krankenhaus. Da die Verblindung der Frauen und des Gesundheitsfachpersonals generell nicht möglich ist, haben die Studien ein moderates Risiko für Bias. Für wichtige Endpunkte bewerteten wir die Evidenz mit dem GRADE Ansatz; wir stuften die Evidenz herunter aufgrund von Einschränkungen im Studiendesign, unzureichende Präzision und in den Fällen, in denen wir Metaanalysen durchführten aufgrund von Inkonsistenz.
Eine Studie mit 209 Frauen verglich Diagnostik der Latenzphase mit der direkten Aufnahme in das Krankenhaus. Die Dauer der Geburt von der Krankenhausaufnahme an war für Frauen in der Diagnostikgruppe verkürzt ((mittlere Differenz (MD) -5,20 Stunden, 95% Konfidenzintervall (KI) -7,06 bis -3,34; 209 Frauen, niedrige Qualität der Evidenz). Es gab keine klaren Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen hinsichtlich der Anzahl der Kaiserschnitte oder vaginal-operativen Entbindungen (Risiko-Verhältnis (RR) 0,72, 95% KI 0,30 bis 1,72, sehr niedrige Qualität der Evidenz; bzw. RR 0,86, 95% KI 0,58 bis 1,26, sehr niedrige Qualität der Evidenz). Über schwerwiegende mütterliche Morbidität wurde nicht berichtet. Frauen in der Gruppe mit einer Diagnostik der Latenzphase hatten etwas seltener eine Epiduralanästhesie oder Oxytocin zur Wehensteigerung (RR 0,87, 95% KI 0,78 bis 0,98, niedrige Qualität der Evidenz; bzw. RR 0,57, 95% KI 0,37 bis 0,86) und eine größere Zufriedenheit mit der Betreuung (MD 16,00, 95% KI 7,53 bis 24,47). Kein Kind wurde vor der Krankenhausaufnahme geboren und nur ein Neugeborenes hatte einen niedrigen Apgarwert fünf Minuten nach der Geburt (sehr niedrige Qualität der Evidenz). Über die Aufnahme auf eine neonatale Intensivstation wurde nicht berichtet.
Drei Studien untersuchten die Diagnostik und Hebammenbetreuung zuhause versus einer telefonischen Beratung. Eine Studie berichtete über die Geburtsdauer; Hausbesuche hatten gegenüber einer Standardbetreuung keinen klaren Einfluss (MD 0,29 Stunden, 95% KI -0,14 bis 0,72; 1 Studie, 3474 Frauen, niedrige Qualität der Evidenz). Es gab keinen klaren Unterschied bei der Kaiserschnittrate (RR 1,05; 95% KI 0,95 bis 1,17; 3 Studien, 5170 Frauen; I² = 0%; moderate Qualität der Evidenz) oder bei der vaginal-operativen Geburt (mittleres RR 0,95, 95% KI 0,79 bis 1,15; 2 Studien, 4933 Frauen; I² = 69%; niedrige Qualität der Evidenz). Eine Studie berichtete über eine Geburt vor der Ankunft im Krankenhaus; es gab keinen klaren Unterschied zwischen den beiden Gruppen (RR 1,33, 95% KI 0,30 bis 5,95; 1 Studie, 3474 Frauen). Für schwere mütterliche Morbidität wurde kein klarer Unterschied festgestellt (RR 0,93, 95% KI 0,6,1 bis 1,42; 1 Studie, 3474 Frauen; niedrige Qualität der Evidenz), und auch bei der Epiduralanästhesier-rate (mittleres RR 0,95, 95% KI 0.87 bis 1,05; 3 Studien, 5168 Frauen; I² = 60%; niedrige Qualität der Evidenz). Es gab keinen klaren Unterschied bei der Aufnahme auf eine neonatale Intensivstation (mittleres RR 0,84, 95% KI 0,50 bis 1,42; 3 Studien, 5170 Neugeborene; I² = 71%;sehr niedrige Qualität der Evidenz), oder bei niedrigen Apgarwerten fünf Minuten nach der Geburt (RR 1,19, 95% KI 0,71 bis 1,99; 3 Studien, 5170 Neugeborene; I² = 0%; niedrige Qualität der Evidenz).
Eine Studie (5002 Frauen) untersuchte die Eins-zu-Eins Betreuung in der Latenzphase gegenüber einer Standardbetreuung. Über die Dauer der Geburt wurde nicht berichtet. Es gab keinen klaren Unterschied zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der Kaiserschnittrate (RR 0,93, 95% KI 0,84 bis 1,02; 4996 Frauen, hohe Qualität der Evidenz) bei der vaginal-operativen Geburt (RR 0,94, 95% KI 0,82 bis 1,08; 4996 Frauen, hohe Qualität der Evidenz), oder schwerer mütterlicher Morbidität (RR 1,13, 95% KI 0,84 bis 1,52; 4996 Frauen, moderate Qualität der Evidenz). Die Epiduralanästhesie-Rate war in beiden Gruppen ähnlich (RR 1,00, 95% KI 0,99 bis 1,01; 4996 Frauen, hohe Qualität der Evidenz). Bezüglich der Ergebnisse bei Neugeborenen gab es keinen klaren Unterschied zwischen den beiden Gruppen (Aufnahme auf eine Neugeborenenintensivstation: RR 0,98, 95% KI 0,80 bis 1,21; 4989 Neugeborene, hohe Qualität der Evidenz; niedriger Apgarwert nach fünf Minuten: RR 1,07, 95% KI 0,64 bis 1,79; 4989 Neugeborene, moderate Qualität der Evidenz).
Eine cluster-randomisierte Studie mit 2183 Frauen untersuchte ein Verfahren zur Diagnostik des Geburtsbeginns, welches von Hebammen angewandt wurde, gegenüber einer üblichen Diagnostik. Es zeigten sich für die meisten der untersuchten Endpunkte keine klaren Unterschiede. Interventionen zur Wehensteigerung durch Oxytocin (RD 0,3; 95% KI -9,2 bis 9,8), Epiduralanästhesie RD 2,1; 95% KI -8,0 bis 12,2), vaginal-operative oder Kaiserschnittgeburten (Spontangeburten aus Schädellage RD -3,2, 95% KI -15,1 bis 8,7)) waren nach Adjustierung der Baseline-Unterschiede zwischen den geburtshilflichen Einrichtungen ähnlich. Frauen in der Gruppe mit einer Diagnostik der Latenzphase wurden nicht so häufig beim ersten Kreißsaalkontakt stationär aufgenommen. Für die Endpunkte bei Neugeborenen gab es zwischen den Gruppen keine klaren Unterschiede.
Abstract: G. Krüger, PLS: S. Schmidt-Wussow, freigegeben durch Cochrane Deutschland.