Medikamentenmaßnahme zur Behandlung von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen

Reviewfrage

Können Medikamentenmaßnahmen das Gewicht adipöser Kinder und Jugendlicher reduzieren und sind sie ungefährlich?

Hintergrund

Auf der ganzen Welt werden mehr Kinder und Jugendliche übergewichtig und adipös. Diese Kinder und Jugendlichen unterliegen einem höheren Risiko Gesundheitsprobleme zu bekommen, sowohl als Kinder und Jugendliche, als auch im späteren Leben. In dem Wissen, dass sogenannte Lebensstilveränderungen (Ernährung, Bewegung und Beratung) nur eingeschränkt wirksam sind, werden mehr Informationen darüber benötigt, was am besten wirkt, um diese Probleme anzugehen.

Studienmerkmale

Wir haben 21 randomisierte kontrollierte Studien gefunden (klinische Studien, in denen Teilnehmer zufällig einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeteilt werden). In diesen wurden verschiedene Medikamente plus Maßnahmen zur Verhaltensänderung, wie Ernährung, Bewegung oder beides (=Interventionsgruppe) üblicherweise mit einem Placebo (Scheinmedikament) plus zusätzlichen Maßnahmen zur Verhaltensänderung (=Kontrollgruppe) verglichen. Wir haben zudem acht noch nicht abgeschlossene Studien gefunden (Studien, die derzeit noch durchgeführt werden und noch nicht abgeschlossen sind). Insgesamt haben 2484 Kinder und Jugendliche an den eingeschlossenen Studien teilgenommen. Die Dauer der Maßnahmen variierte zwischen 12 und 48 Wochen und die Dauer der Nachbeobachtungszeit variierte von sechs Monaten bis zu 100 Wochen.

Hauptergebnisse

Die eingeschlossenen Studien untersuchten Metformin (10 Studien), Sibutramin (sechs Studien), Orlistat (vier Studien) und eine Studiengruppe bewertete die Kombination aus Metformin und Fluoxetin. Die noch nicht abgeschlossenen Studien untersuchen Metformin (vier Studien), Topiramat (zwei Studien) und Exenatid (zwei Studien).

Die meisten Studien berichteten den Body-Mass-Index (BMI) und das Körpergewicht: BMI ist eine Messung des Körperfetts und wird berechnet aus Gewicht und Größe (kg/m2). Bei Kindern wird bei der Berechnung des BMI oftmals das Geschlecht, das Körpergewicht und die Körpergröße im Verlauf des Wachstums mit einbezogen (BMI z-score). Die durchschnittliche Veränderung des BMI in allen Kontrollgruppen lag zwischen einer Reduktion von 1,8 kg/m2 und einem Anstieg um 0,9 kg/m2 , während die durchschnittliche Reduktion in allen Interventionsgruppen ausgeprägter war (Reduktion von 1,3 kg/m2 ). Die gleiche Wirkung wurde für Gewichtsveränderungen beobachtet: durchschnittlich haben die Kinder und Jugendlichen der Interventionsgruppe 3,9 kg mehr an Gewicht verloren als die Kinder und Jugendlichen der Kontrollgruppe. Bezüglich ernsthafter Nebenwirkungen berichteten die Studienautoren einen Durchschnitt von 24 aus 1000 Teilnehmern in der Interventionsgruppe, verglichen mit einem Durchschnitt von 17 aus 1000 Teilnehmern in der Kontrollgruppe. Die Zahl der Teilnehmer, die aufgrund von Nebenwirkungen aus der Studie ausgetreten sind, lag in der Interventionsgruppe bei 40 pro 1000 Teilnehmern und in der Kontrollgruppe bei 27 pro 1000 Teilnehmern. Die häufigsten Nebenwirkungen in den Studien zu Orlistat und Metformin waren Darmbeschweren (wie Durchfall oder leichte Bauchschmerzen). Häufige Nebenwirkungen in der Sibutraminstudie umfassten eine erhöhte Herzrate (Tachykardie), Verstopfung und Bluthochdruck. Die Studie zu Fluoxetin berichtete über trockene Münder und weichen Stuhl. Eine Studie berichtete über die gesundheitsbezogene Lebensqualität (eine Maß körperlicher, mentaler, emotionaler und sozialer Funktionsfähigkeit) und fand keine bedeutenden Unterschiede zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe. Keine Studie berichtete über die Sichtweise der Teilnehmer auf die Maßnahmen oder die sozioökonomische Wirkung. Nur eine Studie berichtete über Morbidität (wie oft eine Erkrankung in einem bestimmten Zeitraum auftritt), die mit der Intervention assoziiert werden kann. Dies umfasste das Auftreten von mehr Gallensteinen nach der Behandlung mit Orlistat. Die Studienautoren berichteten über einen Suizidfall in der Orlistat Interventionsgruppe. Die Studien dauerten jedoch nicht lange genug, um zuverlässig jegliche Todesursache überprüfen zu können. Keine Studie untersuchte die Medikamentenmaßnahme bei Kindern, die lediglich übergewichtig waren (adipöse Kinder haben ein deutlich höheres Gewicht, BMI oder BMI z-score als Kinder die übergewichtig sind).

Die Evidenz ist auf dem Stand von März 2016.

Qualität der Evidenz

Insgesamt war die Verlässlichkeit der Evidenz niedrig bis sehr niedrig. Dies lag vor allem daran, dass es nur wenige Studien pro gemessenem Endpunkt gab, die Zahl der eingeschlossenen Kinder und Jugendlichen gering war und wegen der Unterschiede in den Ergebnissen der Studien. Zusätzlich sind viele Kinder und Jugendliche aus den Studien ausgetreten, bevor diese abgeschlossen waren.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

I.Nolle, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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