Gibt es Unterschiede im Sterberisiko zwischen Frauen und Männern mit einer Lungenembolie?

Kernaussagen

- Wir kamen zu dem Schluss, dass die prognostische Bedeutung des Geschlechts auf das Sterberisiko bei Lungenembolie (ein Blutgerinnsel in der Lunge) ungewiss bleibt, da die analysierten Studien widersprüchliche Ergebnisse lieferten.

- Wahrscheinlich gibt es bei Frauen im Vergleich zu Männern einen kleinen, aber relevanten Rückgang der Todesfälle jeglicher Ursache bis 30 Tage nach der Lungenembolie. Bei Frauen kommt es jedoch möglicherweise zu einem kleinen, aber relevanten Anstieg der Todesfälle jeglicher Ursache im Krankenhaus. Möglicherweise gibt es wenig bis gar keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern in Bezug auf Todesfälle in den ersten 30 Tagen, die spezifisch auf eine Lungenembolie zurückzuführen sind. Wir haben mäßiges bis geringes Vertrauen in diese Ergebnisse.

- Weitere qualitativ hochwertige Forschung ist erforderlich, um zu klären, ob sich das Sterberisiko nach einer Lungenembolie zwischen Männern und Frauen unterscheidet. Unser Review enthält Vorschläge, wie diese Forschung durchgeführt werden sollte.

Was ist eine Lungenembolie?

Ein Blutgerinnsel ist eine Ansammlung von Blutzellen, die sich in den Blutgefäßen bildet. Blutgerinnsel können vor Blutungen schützen, können aber auch Probleme verursachen. Eine Lungenembolie (engl.: „pulmonary embolism“, PE) tritt auf, wenn sich ein Blutgerinnsel von der Wand einer Vene löst, in die Lunge wandert und dort ein oder mehrere Lungengefäße verstopft.

Eine Lungenembolie kann lebensbedrohlich sein. Sie ist die dritthäufigste Ursache für kardiovaskuläre Todesfälle (nach Herzinfarkt und Schlaganfall) und die häufigste vermeidbare Todesursache bei Krankenhauspatient*innen.

Was wollten wir herausfinden?

In diesem Cochrane Review sollte untersucht werden, ob das Geschlecht (weiblich oder männlich) ein unabhängiger prognostischer Faktor für die Sterblichkeit bei Erwachsenen mit Lungenembolie ist.

Wie gingen wir vor?

Wir haben nach Studien gesucht, in denen untersucht wurde, ob es – unabhängig von anderen Faktoren – einen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Sterblichkeit bei Erwachsenen mit Lungenembolie gibt. Wir verglichen die Ergebnisse der von uns identifizierten Studien und fassten sie zusammen. Unser Vertrauen in die Evidenz bewerteten wir auf der Grundlage von Faktoren wie Studienmethoden und Studiengröße.

Was fanden wir?

Wir fanden sieben relevante Studien mit 726.293 Teilnehmenden. Die Studien lieferten drei für den Review relevante Endpunkte: Tod im Krankenhaus jeglicher Ursache („krankenhausbezogene Gesamtmortalität“); Tod jeglicher Ursache in einem Zeitraum von 30 Tagen beginnend mit dem Zeitpunkt der PE-Diagnose oder dem Behandlungsbeginn (Gesamtmortalität nach 30 Tagen); und Tod aufgrund einer Lungenembolie in einem Zeitraum von 30 Tagen beginnend mit dem Zeitpunkt der PE-Diagnose oder des Behandlungsbeginns (PE-bedingte Mortalität nach 30 Tagen). In keiner Studie wurden die anderen Endpunkte gemessen, die uns interessieren (z. B. Tod innerhalb eines Jahres).

Hauptergebnisse

Die Studien untersuchten die Krankenakten von Patient*innen, die zwischen 2000 und 2018 in Krankenhäusern in den USA, Spanien oder Japan behandelt wurden. Die meisten Studien wurden in mehreren Krankenhäusern durchgeführt. Es wurden keine Studien in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen durchgeführt. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden jeder Studie lag bei über 60 Jahren, und bei den meisten verursachte die Lungenembolie Symptome (es gibt auch Fälle, in denen eine Lungenembolie keine oder nur leichte Beschwerden verursacht und nur durch Tests entdeckt wird).

Wir fanden heraus, dass bei Frauen mit einer Lungenembolie im Vergleich zu Männern wahrscheinlich eine kleine, aber relevante Verringerung der Gesamtmortalität nach 30 Tagen zu verzeichnen ist (2 Studien, 17.627 Teilnehmende). Andererseits haben wir auch festgestellt, dass bei der krankenhausbezogenen Gesamtmortalität von Frauen möglicherweise ein kleiner, aber relevanter Anstieg zu verzeichnen ist (3 Studien, 611.210 Teilnehmende). Bei der PE-bedingten Sterblichkeit nach 30 Tagen gibt es möglicherweise wenig bis keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern (2 Studien, 3524 Teilnehmende). Wegen uneinheitlicher Ergebnisse und erheblicher Informationslücken – etwa der Tatsache, dass viele unserer Endpunkte nicht erfasst wurden – können wir keine belastbaren Aussagen darüber treffen, ob sich das Sterberisiko nach einer Lungenembolie in Abhängigkeit vom Geschlecht vorhersagen lässt.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die Aussagekraft der Evidenz ist eingeschränkt durch die geringe Anzahl an Studien, unzureichende Angaben zur Studienmethodik sowie die Nutzung von Patient*innendaten aus administrativen Quellen wie Krankenhaus- oder Versicherungsdatenbanken. Künftige Studien und eine aktualisierte Übersichtsarbeit könnten zu Ergebnissen führen, die von den hier präsentierten abweichen.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz basiert auf Recherchen, die bis zum 17. Februar 2023 durchgeführt wurden.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Zeitler, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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