Psychosoziale Interventionen für Menschen mit gleichzeitiger schwerer psychischer Erkrankung und Substanzmissbrauch (Alkohol- oder Drogenmissbrauch)

Was war das Ziel dieses Reviews?

Ziel dieses Cochrane Reviews war es herauszufinden, ob psychosoziale Interventionen, deren Ziel die Verringerung eines Substanzmissbrauchs (Drogen- oder Alkoholmissbrauchs) bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen ist, patientenbezogene Ergebnisse im Vergleich zur Standardversorgung verbessern. Zur Beantwortung dieser Fragestellung sammelten und analysierten Cochrane-Wissenschaftler alle relevanten Studien, die Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und Substanzmissbrauch nach dem Zufallsprinzip einer psychosozialen Behandlung oder der Standardbehandlung zuteilten, und fanden 41 relevante Studien.

Hauptaussage

In diesen 41 Studien fanden wir keine qualitativ hochwertige Evidenz für eine Überlegenheit einer der untersuchten psychosozialen Interventionen gegenüber der Standardversorgung. Die Unterschiede in der Gestaltung der Studien jedoch machten Vergleiche zwischen den Studien problematisch.

Was wurde in dem Review untersucht?

"Doppeldiagnose" ist ein Begriff, der verwendet wird, um Menschen zu beschreiben, die ein psychisches Problem und zusätzlich Probleme mit Drogen oder Alkohol haben. In einigen Regionen bekommen über 50% aller Personen mit einer schweren psychischen Erkrankung (hierzu gehören Schizophrenie, bipolare Störungen und schwere Depressionen) Probleme mit Drogen oder Alkohol, die negative und schädliche Wirkungen auf die Krankheitssymptome und die Wirkungsweise ihrer Medikamente haben. Menschen, die Probleme mit Substanzmissbrauch haben, können mit verschiedenen psychosozialen Interventionen behandelt werden. Dazu gehören die Motivierende Gesprächsführung („motivational interviewing“, MI), bei der die Motivation der betroffenen Person für Veränderungen betrachtet wird; die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT), die den Patienten hilft, ihr Verhalten durch verbesserte Bewältigungsstrategien anzupassen; das Kontingenzmanagement, das Patienten für den Verzicht auf die Einnahme von Substanzen belohnt; die Psychoedukation für Patienten und ihre Betreuer; oder das Training von Familien-, Gruppen- und individuellen Fähigkeiten. Zu den anderen Interventionen gehören Angebote von Langzeitinterventionen, bei denen Behandlungen zu einer integrierten Behandlung zusammengeführt werden, damit die Patienten nicht getrennte Behandlungsprogramme für die mentale Gesundheit und den Drogenmissbrauch miteinander abstimmen müssen. Die integrierte Versorgung ist bei Patienten mit einer Doppeldiagnose häufig mit einer teambasierten Komplexbehandlung, einem „Assertive Community Treatment“ (ACT) verbunden. Es gibt verschiedene psychosoziale Interventionen, die die Routineversorgung ergänzen können und die einzeln oder in verschiedenen Kombinationen angeboten werden können. Gegenwärtig ist nicht bekannt, ob eine psychosoziale Behandlung besser oder schlechter als die Standardversorgung ist oder ob sie besser in Kombination oder einzeln wirkt.

Was sind die Hauptergebnisse dieses Reviews?

Wir fanden 41 relevante Studien mit insgesamt 4024 Teilnehmern. Diese Studien untersuchten eine Bandbreite verschiedener psychosozialer Interventionen (einschließlich KVT, MI, Kompetenztraining, integrierten Versorgungsmodellen und Kontingenzmanagement) und verglichen diese mit der Standardbetreuung (der Versorgung, die ein Studienteilnehmer normalerweise erhalten würde). Die Hauptergebnisse zeigten:

1. keinen wirklichen Unterschied in Bezug auf die Zahl der aus der Behandlung ausgeschiedenen Patienten (niedrige Qualität der Evidenz);

2. keinen wirklichen Unterschied in Bezug auf Todesfälle (niedrige Qualität der Evidenz);

3. keinen wirklichen Unterschied in Bezug auf den Alkohol- oder Substanzgebrauch (niedrige Qualität der Evidenz);

4. keinen wirklichen Unterschied in der globalen Funktionsfähigkeit oder der allgemeinen Lebenszufriedenheit (niedrige bis moderate Qualität der Evidenz).

Darüber hinaus gab es in den Studien eine hohe Anzahl von Personen, die vorzeitig ausschieden, Unterschiede in den erhobenen Endpunkten (Ergebnismessungen) und Abweichungen in der Art und Weise der Durchführung der psychosozialen Interventionen. Weitere groß angelegte, methodisch hochwertige und besser berichtete Studien sind erforderlich, um diese Schwächen zu beseitigen. Dadurch wird es besser möglich sein zu ermitteln, ob psychosoziale Interventionen bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und Problemen mit Substanzmissbrauchs wirksam sind.

Wie aktuell ist dieser Review?

Die Autoren des Reviews suchten nach Studien, die bis Oktober 2018 veröffentlicht worden waren.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Zelck, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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