Hintergrund
Personen mit anhaltendem oder wiederauftretendem Schmerz in der Brust könnten eine sogenannte instabile Angina haben oder unter einer bestimmten Form von Herzinfarkt leiden, dem sogenannten Nicht-ST-Hebungsinfarkt. Für Personen, die unter einer der beiden Erkrankungen leiden, gibt es zwei mögliche Behandlungsstrategien: die routinemäßige invasive Strategie oder die konservative, oder auch "ausgewählt invasive Strategie". Bei der ersten Behandlung wird dem Patienten ein Katheter (eine lange, hohle Röhre) in die sogenannten Koronararterien eingesetzt, die die Herzmuskeln mit Blut versorgen. Das Hauptziel des Einsetzens eines Katheters (mit anderen Worten, der sogenannten Koronarangiografie) ist es, nach Verdickungen oder Verhärtungen der Blutgefäße zu schauen. Wird eine erhebliche Verengung oder ein komplexer Plaque gefunden, dann könnte die Arterie durch das Einsetzen eines Ballonkatheters geweitet werden. Dieser Katheter kann aufgeblasen werden, wo immer das Gefäß besonders verengt ist, sodass das Gefäß dadurch geweitet und der Blutfluss verbessert wird. Das Gefäß wird durch das Einsetzen eines metallischen Stents offen gehalten. In manchen Fällen ist der Bereich in dem das Blutgefäß verengt ist jedoch nicht zugänglich für dieses Verfahren, sodass ein operativer Bypass erforderlich ist. Bei dem anderen Verfahren, der konservativen oder "ausgewählt invasiven Strategie", werden die Patienten zunächst mit Medikamenten behandelt und nur diejenigen, die weiterhin unter Schmerzen in der Brust leiden oder bei denen in weiteren nicht-invasiven Tests, wie Stressuntersuchungen oder Bildgebungsverfahren, Anzeichen für eine weitergehende Verengung der Koronararterien gefunden werden, werden einer Koronarangiografie und einer Revaskularisierung unterzogen. In diesem Cochrane Review haben die Autoren die verfügbare Evidenz untersucht, um herauszufinden welche der beiden Strategien die bessere ist.
Studienmerkmale
Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien ein, die die routinemäßig invasive Strategie mit der konservativen Strategie verglichen, bei Patienten mit instabiler Angina und Nicht-ST-Hebungsinfarkt im Zeitalter des Stents. Wir durchsuchten bis zum 25. August 2015 die verfügbare Literatur.
Hauptergebnisse
Wir schlossen acht Studien mit insgesamt 8915 Teilnehmern ein: fünf Studien waren bereits in der bestehenden Version des Reviews von 2010 enthalten, drei Studien waren neu. Von den eingeschlossenen Teilnehmern mit instabiler Angina und Nicht-ST-Hebungsinfarkt waren 4545 im Studienarm der invasiven Strategie und 4370 im Studienarm der konservativen Strategie. Die Evidenz zeigte keine nennenswerten Risikoreduktionen der Gesamtsterblichkeit und tödlichem oder nicht-tödlichem Herzinfarkt durch eine routinemäßig invasive Behandlungsstrategie verglichen mit der konservativen Strategie. Es gab eine nennenswerte Risikoreduktion beim nicht-tödlichen Herzinfarkt, der refraktären Angina und der Krankenhauswiederaufnahme durch die routinemäßige invasive Strategie, verglichen mit der konservativen Strategie, jedoch wird dies mit einem erhöhten Risiko für prozessbezogene nicht-tödliche Herzinfarkte und Blutungskomplikationen assoziiert.
Qualität der Evidenz für primäre Endpunkte
Die Qualität der Evidenz in diesem Review reicht von niedrig bis moderat. Die niedrige Qualität der Evidenz geht aus einem bedenklichen Risiko für Bias und einer Unsicherheit bezüglich der Wirkung hervor und die moderate Qualität der Evidenz resultiert nur aus einem bedenklichen Risiko für Bias.
Schlussfolgerung
Die Debatte darüber, welche Strategie die bessere ist, wird fortgesetzt. Die invasive Strategie reduziert die Inzidenz für weiteren Brustschmerz oder eine Krankenhauswiederaufnahme. Auch langzeit Nachbeobachtungen von drei der Studien lassen vermuten, dass durch diese Strategie das Risiko für einen Herzinfarkt für die nächsten drei bis fünf Jahre verringert werden kann. Jedoch wird die invasive Strategie auch mit einem zweifach höheren Risiko für Herzinfarkte während oder kurz nach der eingeleiteten Behandlung assoziiert, ebenso wie mit einem erhöhten Risiko für Blutungen. Insgesamt lässt die veröffentlichte wissenschaftliche Forschung vermuten, dass die invasive Strategie einen besonderen Vorteil bei den Patienten besitzen könnte, die einem hohen Risiko für wiederauftretende Ereignisse unterliegen und dass dieses Verfahren bei den Patienten mit einem niedrigen Risiko für wiederauftretende Ereignisse zu Schaden führen könnte.
I. Nolle, freigegeben durch Cochrane Deutschland.