Was sind Nutzen und Risiken bei Steroidinjektionen zur Behandlung des diabetischen Makulaödems?

Warum diese Frage wichtig ist
Diabetes führt zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel, der die kleinen Blutgefäße auf der Rückseite des Auges (Netzhaut oder Retina) schädigen kann. Wenn Flüssigkeit austritt, schwillt der zentrale Teil der Netzhaut (die Makula) an. Dies wird als diabetisches Makulaödem bezeichnet und kann Sehstörungen verursachen. Ohne eine entsprechende Behandlung kann es zu einem dauerhaften Verlust des Sehvermögens kommen.

Eine Behandlungsmöglichkeit ist die Injektion von Steroiden (entzündungshemmende Medikamente) in das Auge. Wir überprüften den aktuellen Forschungsstand (Evidenz), um Nutzen und Risiken dieser Behandlung mit anderen oder keiner Behandlung zu vergleichen.

Ermittlung und Bewertung der Evidenz
Wir suchten nach allen relevanten Studien in der medizinischen Literatur, verglichen die Ergebnisse und fassten die Evidenz zusammen. Wir beurteilten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz anhand der folgenden Faktoren: Art der Durchführung, Stichprobengröße oder Konsistenz der Ergebnisse über mehrere Studien hinweg. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz stuften wir als sehr niedrig, niedrig, moderat oder hoch ein.

Was wir herausgefunden haben
Wir identifizierten 10 Studien mit über 4.348 Menschen mit diabetischem Makulaödem. Die Teilnehmenden wurden im Zeitraum von neun bis 36 Monate beobachtet. In den Studien wurden drei verschiedene Steroidinjektionen untersucht: Dexamethason, Fluocinolon und Triamcinolon. Sechs Studien waren durch Pharmaunternehmen finanziert.

Nutzen (Messungen 12 oder 24 Monate nach der Behandlung)

Im Vergleich zu einer Scheinbehandlung:

• Mit Dexamethason und Fluocinolon verbessert sich möglicherweise die Sehschärfe und die Dicke der Netzhaut reduziert sich deutlich. Triamcinolon kann dieselben Auswirkungen haben.

• Es ist wahrscheinlich, dass sich mit Fluocinolon das Sehvermögen von mehr Menschen um drei oder mehr Zeilen auf einer Sehtafel verbessert. Die Evidenz ist unzureichend, um beurteilen zu können, ob Dexamethason oder Triamcinolon dieselbe Wirkung erzielen.

Im Vergleich zu Angiogenese-Hemmern (Medikamente, die die Neubildung von Blutgefäßen hinter der Netzhaut verhindern):

• Mit Dexamethason verbessert sich die Sehschärfe vermutlich in ähnlicher Weise oder geringfügig weniger, es kann allerdings die Dicke der Netzhaut etwas stärker reduzieren. Mit Triamcinolon verbessert sich die Sehschärfe ebenfalls ähnlich oder geringfügig weniger. Wir wissen jedoch nicht, wie es sich auf die Dicke der Netzhaut auswirkt, da die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr niedrig ist.

• Wir können nicht sagen, ob sich bei mehr Menschen mit Dexamethason oder Triamcinolon das Sehvermögen um drei Zeilen oder mehr auf einer Sehtafel verbessert. Dies liegt daran, dass die Evidenz bei Dexamethason nicht eindeutig ist und nur eine niedrige Vertrauenswürdigkeit hat. Außerdem wurde dieser Aspekt in keiner Studie zu Triamcinolon untersucht.

Im Vergleich zur Lasertherapie:

• Triamcinolon hat möglicherweise nur eine geringe oder gar keine Auswirkung auf die Verbesserung des Sehvermögens um drei oder mehr Zeilen auf der Sehtafel.

• Wir wissen nicht, ob sich mit Triamcinolon die Sehschärfe verbessert oder sich die Dicke der Netzhaut stärker reduziert, da die Evidenz unzureichend ist.

Risiken (Messung neun oder 36 Monate nach der Behandlung)

Im Vergleich zu einer Scheinbehandlung:

• Es ist wahrscheinlich, dass sich Grauer Star (Katarakt) bei mehr Menschen unter Dexamethason oder Fluocinolon verschlechtert. Auch unter Triamcinolon kann sich Grauer Star möglicherweise eher verschlechtern.

• Es ist wahrscheinlich, dass nach der Behandlung mit Dexamethason oder Fluocinolon Tropfen notwendig sind, um den Augeninnendruck zu senken. Die Evidenz ist zu unpräzise und gibt daher keinen Aufschluss darüber, ob sich der Bedarf an solchen Tropfen auch unter Triamcinolon gleich äußert.

• Mit Fluocinolon erhöht sich möglicherweise das Risiko für eine Operation des Grünen Stars (Glaukom) (Schädigung des Sehnervs durch hohen Augeninnendruck). Es gibt nur unzureichende Evidenz dafür, ob Dexamethason oder Triamcinolon die Notwendigkeit einer Operation des Grünen Stars beeinflusst.

Im Vergleich zu Angiogenese-Hemmern:

• Eine Verschlechterung des Grauen Stars und der Bedarf an Tropfen zur Senkung des Augeninnendrucks ist mit Dexamethason wahrscheinlich größer.

• Wir wissen nicht, ob Dexamethason einen Einfluss auf die Notwendigkeit einer Operation des Grünen Stars hat, da die Evidenzlage schwach und ungenau ist.

• Es gibt nur unzureichende Evidenz dafür, ob Triamcinolon mehr unerwünschte Wirkungen verursacht.

Im Vergleich zur Lasertherapie:

• Eine Verschlechterung des Grauen Stars und der Bedarf an Tropfen zur Senkung des Augeninnendrucks ist unter Triamcinolon wahrscheinlich größer.

• Es gibt nur eine ungenaue Evidenz, ob Triamcinolon die Notwendigkeit einer Operation des Grünen Stars beeinflusst.

Was bedeutet das?
Die Evidenz ist von niedriger bis moderater Vertrauenswürdigkeit, woraus sich Folgendes ableiten lässt:

- Steroide sind möglicherweise wirksamer als eine Scheinbehandlung;

- Steroide können bei der Verbesserung der Sehschärfe weniger wirksam sein als Angiogenese-Hemmer;

- Steroide erhöhen möglicherweise das Risiko für eine Verschlechterung des Grauen Stars und einen erhöhten Augeninnendruck.

Wie aktuell ist der Review?
Die Evidenz dieses Cochrane Reviews ist auf dem Stand vom 15. Mai 2019.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Intravitreale Steroide können das Sehvermögen bei Menschen mit DMÖ im Vergleich zu einer Scheinbehandlung oder einer Kontrollgruppe verbessern. Die Auswirkungen äußerten sich in einer verbesserten Sehschärfe in Form von einer oder weniger Zeilen und waren somit in den meisten Vergleichen gering. Für Dexamethason- oder Fluocinolon-Implantate im Vergleich zu einer Scheinbehandlung liegt mehr Evidenz vor. Für den Vergleich von Dexamethason mit einer antiVEGF-Behandlung ist die Evidenz begrenzt und uneindeutig. Sämtliche Vorteile sollten gegen die Erhöhung des IOD, den Einsatz von IOD-senkenden Medikamenten und bei Patienten mit phaken Linsen gegen die Katarakt-Progression abgewogen werden. Die Notwendigkeit einer Glaukom-Operation ist ebenfalls erhöht, aber nach wie vor selten.

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Hintergrund: 

Das diabetische Makulaödem (DMÖ) entsteht, wenn Blut aus erkrankten Netzhautkapillaren mit Verdickung der zentralen Retina austritt. Es ist eine der Hauptursachen für eine schlechte zentrale Sehschärfe bei Menschen mit diabetischer Retinopathie. Intravitreale Steroide werden zur Reduzierung der Retinadicke und zur Verbesserung des Sehvermögens bei Menschen mit DMÖ eingesetzt.

Zielsetzungen: 

Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit der intravitrealen Steroidtherapie im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden für DMÖ.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten das Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), MEDLINE und EMBASE am 15. Mai 2019. Wir durchsuchten zudem Referenzlisten, den Science Citation Index, Tagungsberichte und relevante Studienregister. Wir führten am 21. Oktober 2020 eine erneute Suche durch.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte, kontrollierte Studien ein, die jegliche Art von intravitrealen Steroiden als Monotherapie im Vergleich zu jeder anderen Intervention (z. B. Beobachtung, Laserkoagulation, anti-vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor (antiVEGF) bei DMÖ) evaluierten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren bewerteten unabhängig voneinander die Studien auf Eignung sowie das Risiko für Bias und extrahierten die Daten. Falls erforderlich, führten wir Meta-Analysen durch.

Hauptergebnisse: 

Insgesamt schlossen wir 10 Studien (4.348 Teilnehmende, 4.505 Augen) ein. In diesen Studien wurden intravitreale Steroidtherapien mit anderen Behandlungen, u. a. der intravitrealen antiVEGF-Therapie, der Laserkoagulation und der Scheininjektion, verglichen. Die meisten Studien hatten ein unklares oder hohes Risiko für Bias.

In einer Studie (701 Augen) wurde das intravitreale Dexamethason-Implantat 0,7 mg mit einer Scheinbehandlung verglichen. Wir fanden Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit dafür, dass Dexamethason nach 12 Monaten zu einer etwas stärkeren Verbesserung der Sehschärfe führt als die Scheinbehandlung (Mittelwertdifferenz [MD] -0,08 logMAR, 95 % Konfidenzintervall [KI] -0,12 bis -0,05 logMAR). Hinsichtlich der Verbesserung der Sehschärfe um drei oder mehr Zeilen zeigte sich nach 12 Monaten Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit zugunsten von Dexamethason, wobei das KI den Nullwert abdeckte (Risiko-Verhältnis (RR) 1,39, 95 % KI 0,91 bis 2,12). Hinsichtlich unerwünschter Ereignisse erhöhte Dexamethason im Vergleich zu einer Scheinbehandlung das Risiko einer Katarakt-Progression und das Risiko für die Gabe von Medikamenten zur Senkung des intraokularen Drucks (IOD) um etwa das Vierfache (RR 3,89, 95 % KI 2,75 bis 5,50 bzw. RR 4,54, 95 % KI 3,19 bis 6,46; Evidenz mit moderater Vertrauenswürdigkeit). Etwa 4 von 10 Teilnehmenden mit Dexamethason benötigten Medikamente zur Senkung des intraokularen Drucks.

In zwei Studien (451 Augen) wurde das intravitreale Dexamethason-Implantat 0,7 mg mit intravitrealen antiVEGF (Bevacizumab und Ranibizumab) verglichen. Es bestand Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit dafür, dass sich die Sehschärfe nach 12 Monaten mit Dexamethason etwas weniger verbesserte als mit antiVEGF (MD 0,07 logMAR, 95 % KI 0,04 bis 0,09 logMAR; 2 Studien; 451 Teilnehmer/Augen; I 2 = 0 %). Das RR für eine Verbesserung der Sehschärfe um drei oder mehr Zeilen war zwischen den Studien nicht eindeutig, wobei in einer Studie nach 12 Monaten kein Unterschied zwischen Dexamethason und Bevacizumab festgestellt wurde (RR 0,99, 95 % KI 0,70 bis 1,40; 1 Studie; 88 Augen) und in der anderen, größeren Studie die Wahrscheinlichkeit einer Verbesserung der Sehschärfe mit Dexamethason nur halb so hoch war wie mit Ranibizumab (RR 0,50, 95 % KI 0,32 bis 0,79; 1 Studie; 432 Teilnehmer). Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz war niedrig. Die Katarakt-Progression und der Bedarf an IOD-senkenden Medikamenten stieg mit dem Dexamethason-Implantat im Vergleich zu antiVEGF um mehr als das Vierfache (moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

In einer weiteren Studie (560 Augen) wurde das intravitreale Fluocinolon-Implantat 0,19 mg mit einer Scheinbehandlung verglichen. Es bestand eine moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, dass sich die Sehschärfe unter Fluocinolon nach 12 Monaten etwas mehr verbesserte (MD -0,04 logMAR, 95 % KI -0,06 bis -0,01 logMAR). Es bestand eine moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz dafür, dass eine Verbesserung der Sehschärfe um drei oder mehr Zeilen nach 12 Monaten unter Fluocinolon häufiger auftrat als mit der Scheinbehandlung (RR 1,79, 95 % KI 1,16 bis 2,78). Fluocinolon erhöhte auch das Risiko einer Katarakt-Progression (RR 1,63, 95 % KI 1,35 bis 1,97; Teilnehmer = 335; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), die bei etwa 8 von 10 Teilnehmern auftrat, und die Gabe von IOD-senkenden Medikamenten (RR 2,72, 95 % KI 1,87 bis 3,98; Teilnehmer = 558; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), die bei 2 bis 3 von 10 Teilnehmern erforderlich waren.

In einer kleinen Studie mit 43 Teilnehmern (69 Augen) wurde die intravitreale Triamcinolonacetonid-Injektion 4 mg mit einer Scheinbehandlung verglichen. Nach 24 Monaten kann sich die Sehschärfe verbessern (MD -0,11 logMAR, 95 % KI -0,20 bis -0,03 logMAR), wobei die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz niedrig ist. Über Unterschiede bei den unerwünschten Wirkungen wurde in dieser Studie nur spärlich berichtet.

In zwei Studien (615 Augen) wurde die intravitreale Triamcinolonacetonid-Injektion 4 mg mit der Laserkoagulation verglichen, wobei die Ergebnisse uneinheitlich waren. Die kleinere Studie (31 Augen mit einer Nachbeobachtungszeit von bis zu 9 Monaten) zeigte eine stärkere Verbesserung der Sehschärfe mit Triamcinolon (MD -0,18 logMAR, 95 % KI -0,29 bis -0,07 logMAR), aber eine größere, multizentrische Studie (584 Augen, 12-monatige Nachbeobachtungszeit) fand keine Evidenz für einen Unterschied bezüglich der Veränderung der Sehschärfe (MD 0. 02 logMAR, 95 % KI -0,03 bis 0,07 logMAR) oder einer Verbesserung der Sehschärfe um drei oder mehr Zeilen (RR 0,85, 95 % KI 0,55 bis 1,30) (insgesamt niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Mit Triamcinolon war eine Katarakt-Progression etwa dreimal wahrscheinlicher (RR 2,68, 95 % KI 2,21 bis 3,24; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und die Verwendung von IOD-senkenden Medikamenten war etwa viermal wahrscheinlicher (RR 3,92, 95 % KI 2,59 bis 5,96; Teilnehmer = 627; Studien = 2; I 2 = 0 %; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Etwa einer von drei Teilnehmenden benötigte IOD-senkende Medikamente.

In einer kleinen Studie (30 Augen) wurde eine intravitreale Triamcinolonacetonid-Injektion 4 mg mit intravitrealen antiVEGF (Bevacizumab oder Ranibizumab) verglichen. Die Sehschärfe kann sich mit Triamcinolon nach 12 Monaten verschlechtern (MD 0,18 logMAR, 95% KI 0,10 bis 0,26 logMAR); die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist niedrig. Unerwünschte Wirkungen waren in dieser Studie mangelhaft berichtet.

Vier Studien lieferte Daten zu Menschen mit Pseudophakie, für die eine Katarakt keine Bedenken darstellt. In diesen Studien wurde im zweiten Behandlungsjahr keine Verschlechterung der Sehschärfe aufgrund einer Progression der Katarakt festgestellt.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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