Fragestellung
Ist verdünnte Säuglingsmilch (z.B. halb so viel Energiegehalt bei doppelter Menge) bei der anfänglichen Fütterung von Frühgeborenen, für die keine Muttermilch verfügbar ist, besser verträglich als vollwertige Säuglingsmilch?
Hintergrund
Frühgeborene Babys (bei Geburten vor der 37. Schwangerschaftswoche) oder mit einem geringen Geburtsgewicht (weniger als 2500 Gramm) haben einen besonderen Nahrungsbedarf. Abgepumpte Muttermilch wird bevorzugt, jedoch werden Frühgeborene oftmals mit Säuglingsmilch gefüttert, da Muttermilch nicht immer verfügbar ist. Die Bereitstellung von künstlicher Nahrung variiert bei Frühgeborenen erheblich. Es besteht die Befürchtung, dass die zu frühe Einführung von vollwertiger Säuglingsfertignahrung dazu führen könnte, dass die Nahrung im Magen zurückgehalten wird, was mit einer Nahrungsunverträglichkeit und nekrotisierender Enterokolitis, einer schweren Darmerkrankung, verbunden ist.
Studienmerkmale
Die Evidenz für diesen Review ist auf dem Stand vom 1. Oktober 2018. Wir haben drei Studien aufgenommen, die verdünnte Säuglingsmilch (halbstark, doppelte Menge) mit vollwertiger Säuglingsmilch verglichen haben. An den Studien nahmen 102 Frühgeborene oder Säuglinge mit geringem Geburtsgewicht teil. Davon wurden zwei Studien in den USA und eine in Indien durchgeführt. Die Studien waren klein (14, 38 und 50 Säuglinge) und wurden vor 25 bis 30 Jahren durchgeführt. Die Qualität von zwei Studien wurde aufgrund unzureichender Informationen in den Studienpublikationen als schlecht beurteilt, während sie in der dritten Studie (bei 38 Säuglingen) als moderat eingestuft wurde. Keine der Studien bewertete die nekrotisierende Enterokolitis als einen Endpunkt.
Hauptergebnisse
Säuglinge, die eine verdünnte Säuglingsfertignahrung (halber Energiegehalt, doppelte Menge) erhielten, erlebten weniger Episoden von Nahrungsunverträglichkeit und erreichten früher eine volle Energieaufnahme, im Vergleich zu Säuglingen, die eine vollwertige Säuglingsfertignahrung erhielten (20 kcal/oz (~ 68 bis 70 kcal/100 mL)).
Ernährung bei Nahrungsunverträglichkeit
Zwei Messmethoden der Nahrungsunverträglichkeit (aufgeblähter Bauch und Episoden von Magenresten) wurden in den Studien berichtet. Zwei Studien (88 Säuglinge) lieferten Daten bezüglich aufgeblähtem Bauch und Magenreste. Säuglinge, die mit einer verdünnten Säuglingsfertignahrung gefüttert wurden, wiesen 19% (CI 16% bis 23%) weniger Episoden von aufgeblähten Bauch (> 2 cm), was 0,67 Episoden pro Säugling entspricht, verglichen mit 0,83 Episoden in der Gruppe von Säuglingen, die vollwertige Säuglingsmilch erhielten. Es war nicht möglich, Daten über Magenreste zusammenzufassen. Aber beide Studien berichteten von weniger Episoden von Magenresten in der Gruppe, welche verdünnte Säuglingsmilch erhielt. Die dritte Studie (14 Säuglinge) berichtete nur, dass es keinen Unterschied zwischen den Gruppen in Bezug auf diese beiden Endpunkte gab.
Zeitpunkt der Etablierung einer vollständigen enteralen Ernährung
In zwei Studien (88 Säuglinge), die eine verdünnte Säuglingsmilch verabreichten, erlebten Säuglinge eine Verringerung der Anzahl an Tagen, die benötigt wurden, um eine ausreichende Energiezufuhr zu erreichen (420 Joules/Kilogramm). Dies entspricht 8 Tagen in der Gruppe mit verdünnter Säuglingsmilch gegenüber 10,3 Tagen mit vollwertiger Säuglingsmilch.
Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Bei ausschließlich mit Säuglingsfertignahrung ernährten Frühgeborenen oder Säuglingen mit niedrigem Geburtsgewicht zeigte sich, dass verdünnte Säuglingsfertignahrung zu einer erheblichen Verkürzung der Zeit führen kann, bis die Säuglinge ausreichend Flüssigkeit und Energie selbst über den Darm aufnehmen können. Die Indikatoren für Nahrungsunverträglichkeit werden dabei nicht erhöht (Evidenz von niedriger Qualität). Die klinische Bedeutung der Verminderung von Nahrungsunverträglichkeit ist unklar. Diese Ergebnisse basieren auf drei kleinen, alten Studien, die für die aktuelle Praxis weniger relevant sein könnten. Fehlende Daten über andere wichtige Endpunkte, wie die Häufigkeit von nekrotisierender Enterokolitis und Gewichtszunahme, schränken den Nutzen der Studien ein.
A. Borchard, freigegeben durch Cochrane Schweiz. Unterstützt von Fondation SANA.