Wie wirksam ist ein während der Schwangerschaft oder nach der Geburt durchgeführtes Beckenbodentraining zur Vorbeugung oder Behandlung einer Inkontinenz?

Reviewfrage

In diesem Review sollte ermittelt werden, ob die Durchführung eines Beckenbodentrainings während der Schwangerschaft oder nach der Geburt eine Inkontinenz verhindert oder verringert.

Hintergrund

Bei mehr als einem Drittel aller Frauen kommt es im zweiten und dritten Drittel der Schwangerschaft zu einem ungewollten (unfreiwilligen) Verlust von Urin (Urininkontinenz, Harninkontinenz), und ungefähr ein Drittel verliert während der ersten drei Monate nach der Geburt Urin. Bei ungefähr einem Viertel aller Frauen kommt es in der späten Schwangerschaft zu einem ungewollten Abgang von Blähungen (Darmwinden) oder Stuhl (Stuhlinkontinenz), und ein Fünftel hat noch ein Jahr nach der Geburt einen ungewollten Abgang von Blähungen oder Stuhl. Die Behandlung einer Inkontinenz nach der Schwangerschaft ist nicht nur für die Betroffenen selbst wichtig, sondern kann auch zu beträchtlichen Kosten für den Einzelnen und für die Gesundheitssysteme führen.

Zur Vorbeugung oder Behandlung einer Inkontinenz wird von Ärzten und Therapeuten häufig ein Beckenbodentraining während der Schwangerschaft und nach der Geburt empfohlen. Durch ein regelmäßiges Beckenbodentraining werden die Muskeln gekräftigt und kräftig gehalten. Die Muskeln werden dabei mehrmals in Folge angespannt, häufiger als einmal am Tag, an mehreren Tagen je Woche und in zeitlich unbegrenzter Fortführung.

Wie aktuell ist dieser Review?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 7. August 2019.

Studienmerkmale

Wir schlossen 46 Studien mit insgesamt 10.832 Frauen aus 21 Ländern ein. Die Studien schlossen schwangere Frauen oder Frauen ein, die ihr Baby innerhalb der letzten drei Monate entbunden hatten, und die über Urin- oder Stuhlabgang, Urin- und Stuhlabgang oder über keinen Abgang berichteten. Die Frauen wurden zufällig einem Beckenbodentraining (zur Vorbeugung oder Behandlung einer Inkontinenz) oder keinem Beckenbodentraining zugeteilt, und die Wirkungen wurden verglichen.

Finanzierungsquellen der Studien

Fünfundzwanzig Studien wurden öffentlich finanziert, eine davon erhielt Zuschüsse aus öffentlichen und privaten Quellen. Drei Studien erhielten keine Förderung und in 18 fanden sich keine Angaben zu Förderquellen.

Hauptergebnisse

Schwangere Frauen ohne Harninkontinenz, die ein Beckenbodentraining zur Vorbeugung einer Inkontinenz durchführten: diese Frauen berichten wahrscheinlich in der späten Schwangerschaft über weniger ungewollten Urinverlust, und das Risiko für eine Harninkontinenz ist drei bis sechs Monate nach der Geburt etwas geringer. Die Daten waren nicht ausreichend um zu ermitteln, ob diese Wirkungen über das erste Jahr nach der Geburt hinaus andauern.

Frauen mit Harninkontinenz, während der Schwangerschaft oder nach der Geburt, die ein Beckenbodentraining als Behandlung durchführten:es gibt keine Evidenz dafür, dass die Durchführung eines Beckenbodentrainings während der Schwangerschaft einen ungewollten Urinverlust in der späten Phase der Schwangerschaft oder innerhalb des ersten Jahres nach der Geburt verringert.

Frauen mit oder ohne Harninkontinenz (gemischte Gruppe), während der Schwangerschaft oder nach der Geburt, die ein Beckenbodentraining entweder zur Vorbeugung oder zur Behandlung einer Inkontinenz durchführten: Frauen, die mit dem Training während der Schwangerschaft beginnen, haben wahrscheinlich etwas weniger ungewollten Urinverlust während der späten Schwangerschaft, und diese Wirkung hält möglicherweise bis zu sechs Monate nach der Geburt an. Es gibt keine Evidenz für eine Wirkung ein Jahr nach der Geburt. Bei Frauen, die mit dem Training nach der Entbindung begannen, war die Wirkung auf den ungewollten Urinverlust ein Jahr nach der Geburt unklar.

Stuhlinkontinenz: lediglich acht Studien erbrachten Evidenz zur Stuhlinkontinenz. Ein Jahr nach der Geburt war unklar, ob die Durchführung eines Beckenbodentrainings Frauen, die nach der Entbindung mit dem Training begannen, zur Verringerung eines ungewollten Stuhlabgangs beitrug. Bei Frauen mit oder ohne Stuhlabgang (gemischte Gruppe), die mit dem Beckenbodentraining während der Schwangerschaft begannen, gab es keine Evidenz für einen Unterschied im Stuhlabgang in der Spätschwangerschaft; bei denjenigen Frauen, die mit dem Beckenbodentraining nach der Entbindung begannen, gab es keine Evidenz für einen Rückgang des Stuhlabgangs bis zu einem Jahr nach der Geburt.

Es gab nur wenige Informationen über die mögliche Wirkung eines Beckenbodentrainings auf die inkontinenzbezogene Lebensqualität. Es gab zwei Berichte von Beckenbodenschmerzen; weitere schädliche (nachteilige) Wirkungen des Beckenbodentrainings wurden jedoch nicht berichtet.

Es gab keine Evidenz dafür, ob ein Beckenbodentraining kosteneffektiv ist oder nicht.

Qualität der Evidenz

Insgesamt waren die Studien klein und wiesen die meisten methodische Schwächen auf, darunter die eingeschränkte Darstellung von Details dazu, wie die Frauen den Studiengruppen zufällig zugeteilt wurden und eine mangelhafte Berichterstattung zu den Ergebnismessungen. Mit einigen dieser Probleme waren zu erwarten, weil es nicht möglich war, die Therapeuten oder Frauen darüber in Unkenntnis zu lassen, ob sie ein Training durchführten oder nicht (das heißt sie zu verblinden). Das Beckenbodentraining unterschied sich erheblich zwischen den Studien und war oft unzureichend beschrieben. Die Qualität der Evidenz war insgesamt niedrig bis moderat.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

C. Braun, T. Bossmann, Koordination durch Cochrane Deutschland

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