Fragestellung
Die Zielsetzung dieses Reviews beinhaltete die Beantwortung der Frage „Welche Wirkung haben verschiedene Arten der Fahrradinfrastruktur auf Fahrradunfälle und dabei entstandene Verletzungen?“. Für eine Fahrradinfrastruktur sind Veränderungen an der Straßenbauweise erforderlich oder Regelungen zur Nutzung der Verkehrswege für Radfahrer. In diesen Review sollten Studien eingeschlossen werden, in denen die Wirkung von drei Arten der Fahrradinfrastruktur untersucht wurde:
1. Infrastruktur zur Regelung der gemeinsamen Nutzung der Verkehrswege für Kraftfahrzeuge und Fahrräder, beispielsweise durch eine eigene Spur der Straße für Radfahrer oder die Nutzung von Busspuren durch Radfahrer.
2. Infrastruktur zur räumlichen Trennung des Fahrradverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr, beispielsweise durch spezielle Fahrradstraßen und ‑wege, die ausschließlich Radfahrern vorbehalten sind oder mit Fußgängern geteilt werden.
3. Infrastruktur zur Regelung einer getrennten Nutzung der Straßen durch Kraftfahrzeuge und Radfahrer (beispielsweise Verkehrsregeln, die Gruppen von Verkehrsteilnehmern von bestimmten Verkehrshandlungen ausschließen) und spezielle Abbiegephasen an Ampeln nur für Radfahrer.
Es wurden Straßen oder Kreuzungen miteinander verglichen, die entweder keine Fahrradinfrastruktur oder unterschiedliche Arten der Infrastruktur aufwiesen. Wir waren sowohl an Studien mit Erwachsenen als auch mit Kindern interessiert. Primärer Endpunkt des Reviews waren Verletzungen, die sich Radfahrer bei Fahrradunfällen zuzogen. Sekundäre Endpunkte waren Unfallraten für Radfahrer sowie Radverkehrszählungen, d.h. die Anzahl der Radfahrer, die die Infrastruktur nutzten.
Hintergrund
Für eine Fahrradinfrastruktur sind Veränderungen der Straßenbauweise erforderlich mit speziellen Maßnahmen für Radfahrer. Diese Maßnahmen können in Fahrradwegen bestehen, im Vorrang für Radfahrer an Kreuzungen oder in einer Trennung des Fahrradverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr an Schnellstraßen oder sehr dicht befahrenen Strecken. Die Einführung von Geschwindigkeitsbegrenzungen ist eine weitere Möglichkeit, d.h. Radfahrer und Kraftfahrzeuge nutzen dieselbe Straße, der Verkehr fließt aber langsamer. Dieser Review ist wichtig, denn wenn mehr Menschen zum Fahrradfahren bewegt werden sollen, muss klar sein, ob Fahrradinfrastruktur die Sicherheit von Radfahrern fördert.
Suchdatum
Wir führten eine Recherche in der weltweiten Forschungsliteratur bis zum Stand von März 2015 durch.
Studienmerkmale
In diesen Review konnten folgende Arten von Studien eingeschlossen werden: randomisierte kontrollierte Studien, cluster-randomisierte kontrollierte Studien, kontrollierte Vorher-Nachher-Studien und unterbrochene Zeitreihenstudien. Wir fanden 21 Studien, in denen die Auswirkungen von elf verschiedenen Arten der Fahrradinfrastruktur untersucht wurden. In keiner der Studien waren Eigenangaben zu Verletzungen oder Angaben zu medizinisch behandelten Verletzungen enthalten. 14 Studien enthielten Angaben zu von der Polizei registrierten „Fahrradstürzen“ oder „Fahrradunfällen“. Weitere Studien enthielten Endpunkte wie Anzahl der „Fahrradunfälle“ oder „Unfälle mit Radfahrerbeteiligung“. In neun Studien wurden die Unfälle nach Schweregrad festgehalten; sieben Studien enthielten das Alter der Unfallgeschädigten; zwei Studien enthielten Angaben zum Geschlecht. In einer Studie war die soziale Struktur der Gegend angegeben. 14 Studien enthielten Angaben zum Fahrradverkehrsfluss.
Hauptergebnisse
Allgemein war die Evidenz zu der Frage unzureichend, ob die verschiedenen in diesem Review untersuchten Arten der Fahrradinfrastruktur eine Auswirkung auf Verletzungen oder Unfälle von Radfahrern haben. Fahrradwege und Radwegenetze scheinen das Risiko für Unfälle nicht zu senken. Durch Geschwindigkeitsbegrenzungen von etwa 30 km/h, den Umbau von Teilen des Straßenverkehrsnetzes mit speziell gestalteten Kreisverkehren und Veränderungen stark befahrener Abschnitte von Fahrradwegen könnte das Unfallrisiko gesenkt werden. Die Evidenz zum Schweregrad der Verletzungen, Geschlecht, Alter und der sozialen Struktur der Gegend ist nicht ausreichend, um Schlüsse zur Auswirkung von Fahrradinfrastruktur auf Fahrradunfälle zu ziehen.
Qualität der Evidenz
Wir führten eine umfassende Suche nach relevanten Forschungsergebnissen durch. 20 der 21 berücksichtigten Studien enthielten Evidenz von niedriger Qualität und waren als Vorher-Nachher-Studien aufgebaut. Nur in wenigen Studien wurde der Einfluss von Faktoren wie Wetter und Verkehrsaufkommen auf die Unfallraten betrachtet. Ebenfalls in nur wenigen Studien wurde berücksichtigt, wie Veränderungen des Fahrradverkehrsaufkommens als Ergebnis der Einführung von Fahrradinfrastruktur die Unfallrate beeinflussen könnte.
I. Noack, freigegeben durch Cochrane Schweiz.